Tennis:Scharapowas sehr teurer Blödsinn

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Die reichste Sportlerin lässt sich mit Doping erwischen. Ist das Ignoranz oder Schlampigkeit? Der Schaden ist enorm.

Von Martin Schneider

Der Fall Maria Scharapowa ist kein normaler Doping-Fall. Das ist er alleine schon nicht, weil die positiv getestete Sportlerin eine aus dem obersten Zirkel ist. Eine Tennis-Spielerin, die schon jedes Grand-Slam-Turnier gewonnen hat, die seit mehr als zehn Jahren in der Weltspitze mitspielt und die laut Magazin Forbes mit 26,3 Millionen Euro die bestverdienende Sportlerin der Welt ist. Es ist aber auch kein normaler Doping-Fall, wenn man ihn mal Schritt für Schritt auseinandernimmt, um die Argumentation von Scharapowa zu hinterfragen. Irgendwann kommt der Moment, wo man sich mit der flachen Hand an die Stirn schlägt und sagt: Kann doch nicht sein. Offenbar doch.

Zunächst die Fakten: Scharapowa wurde positiv auf den Wirkstoff Meldonium getestet, der in dem Herzmedikament Mildronat enthalten ist. Die positiven Effekte des Wirkstoffs auf Sportler sind "eine höhere physische und mentale Belastbarkeit sowie eine schnellere Regeneration", sagt Mario Thevis, Dopingforscher an der Deutschen Sporthochschule Köln. Bis zum 1. Januar 2016 war es nicht strafbar, dieses Medikament zu nehmen. Dann setzte es die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) auf die Verbotsliste, weil sie unter anderem durch Urintests feststellten, dass sehr viele Sportler dieses Medikament nehmen und es zu Leistungssteigerung führt.

Die Wada will die E-Mail an Scharapowa nicht bestätigen

Die Erklärung von Maria Scharapowa geht nun so: Sie nehme das Medikament Mildronat schon seit zehn Jahren. Ihr Hausarzt habe es ihr verschrieben, gegen Diabetes. Am 22. Dezember habe sie eine E-Mail von der Wada mit den Aktualisierungen der Verbots-Liste erhalten. Sie habe den Link aber nicht angeklickt und das Medikament weiter genommen. Außerdem wusste sie nicht, dass Meldonium in ihrem Medikament Mildronat enthalten sei.

Diese Erklärung führt zu Fragen: Auf SZ-Anfrage will die Wada zum Beispiel nicht bestätigen, dass sie diese E-Mail an Maria Scharapowa geschickt hat. Sie teilt nur allgemein mit, dass sie am 1. Oktober allen Unterzeichnern des Anti-Doping-Codes (also den nationalen Agenturen) die Aktualisierungen schickt. Die wiederum würden ihre Athleten informieren.

Die russische Anti-Doping-Agentur informiert am 30. September

Hätte Maria Scharapova die Information früher erhalten können? Ja. Schon am 16. September versandte die Wada eine Mitteilung, in der sie schrieb, dass Meldonium auf der Verbotsliste stehen wird. In Klammern nannte sie auch den Namen des dazugehörigen Medikaments: Mildronat. Auf der Homepage der russischen Anti-Doping-Agentur findet sich die Mitteilung am 30. September.

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"Grundsätzlich haben die Athleten die Pflicht, sich zu informieren", sagt Eva Bunthoff von der deutschen Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada. "Wir informieren unsere Athleten aber unabhängig davon. Wie andere Anti-Doping-Agenturen das handhaben, kann ich nicht sagen." Die deutsche Ruderin Anne Beenken berichtete erst an diesem Montag auf ihrer Facebook-Seite davon, wie der Alltag einer Sportlerin aussieht, die den Anti-Doping-Kampf ernst nimmt. Inklusive Eingriffe in die Privatsphäre und ständige Meldepflicht. Deutsche Sportler müssen ihren Aufenthaltsort drei Monate im Vorraus in ein Online-Formular eintragen. "Unter Sportlern kursiert das Sprichwort: 'Wenn du eine Affäre hast, weiß die Nada das'", schreibt Beenken.

Und mit diesem Wissen kann man sich nun den Fall Scharapowa anschauen. Sie ist die Top-Verdienerin im Sport. Wenn sich irgendjemand leisten kann, alle Eventualitäten abzudecken, dann sie. Und in vielen Bereichen tut sie das auch. Sie beschäftigt zum Beispiel eigene Schlagpartner, verzichtet auf das Doppel, um sich aufs Einzel zu konzentrieren. Ihr Manager Max Eisenbud gilt als einer der besten der Branche, er betreut sie, seit sie elf Jahre alt ist und sagt: "Ich sorge dafür, dass sie nach dem 14-Stunden-Flug im Hotel nicht zwei Stunden aufs Zimmer warten muss."

Diese Sportlerin nimmt nun seit zehn Jahren ein Herz-Medikament. Ein Medikament, das zu den Exportschlagern Lettlands gehört, und das in Europa und in den USA nicht zugelassen ist. Wieso ist keiner aus dem professionellen Stab aus Trainer, Manager oder Physiotherapeuten dieser Super-Sportlerin in der Lage, die Wada-Verbotsliste zu checken, wenn ihre Athletin quasi dauermedikamentiert Tennis spielt?

Die Meldung lief über alle offiziellen Kanäle

Zum Vergleich: Eine 21-jährige Junioren-Ruderin in Deutschland, die sich eher über 200 Euro freut, statt seit Jahren um die 20 Millionen Euro zu verdienen, ist sich bewusst, dass sie normale Medikamente wie Aspirin Complex oder Wick Medinait nicht nehmen darf.

Man weiß aus der Vergangenheit, dass unerwartete Kontrollen auf ein bestimmtes Präparat oft großen Erfolg haben, so geschehen, als die französische Anti-Doping-Agentur bei der Tour de France 2008 auf das Epo-Präparat Cera testete. Aber niemand hat in diesem Fall unerwartet auf irgendwas getestet. Es lief über alle offiziellen Kanäle, nachdem der Wirkstoff schon ein Jahr lang "unter Beobachtung" geführt wurde. Trotzdem sind in diesem Jahr schon sieben Sportler mit Meldonium aufgefallen, ein russischer Radfahrer, eine Eiskunstläuferin und zwei ukrainische Biathleten.

"Das ist alles Blödsinn", sagt der russische Tennis-Verbandschef

Ist das nun wahnsinnige Ignoranz oder wahnsinnige Schlampigkeit? Steht der Punkt Anti-Doping eher so an Rang 54 der Team-Scharapowa-Prioritäten-Liste? Und wenn ja: Ist ihr oder keinem aus ihrem Stab in den Sinn gekommen, dass sie sich selbst und ihrer Karriere durch einen positiven Test zehnmal massiver schadet als durch ein Erstrunden-Aus in Wimbledon?

Nike hat den Sponsoren-Vertrag auf Eis gelegt, der Uhrenhersteller Tag Heuer verlängert den auslaufenden Vertrag nicht. Wie lang sie nun gesperrt wird, entscheidet der Tennis-Weltverband. Scharapowas Anwalt spricht von einem Spielraum von vier Jahren bis keine Sperre wegen mildernder Umstände. Der russische Tennis-Verband geht jedenfalls relativ selbstbewusst davon aus, dass ihre Athletin bei den Olympischen Spielen in Rio dabei sein wird. "Das ist alles Blödsinn. Ich denke, dass Scharapowa bei Olympia spielt", sagte Verbandspräsident Schamil Tarpischtschew der Agentur Tass.

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