Tennis:Bester Serbe hinter Djokovic

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"Jeder Schlag muss einen bestimmten Zweck haben": Miomir Kecmanovic spielt gerade bei den BMW Open in München. (Foto: Lackovic/Imago)

Miomir Kecmanovic, 22, pirscht sich in der Weltrangliste nach oben. Er hat einen prominenten Trainer und sagt: "Meine Eltern haben so viel für mich geopfert."

Von Gerald Kleffmann

Dragutin Kecmanovic hatte in diesem Jahr schon viel zu tun, in seinem Holzhäuschen am See. Der Vater des serbischen Tennisprofis Miomir Kecmanovic hält dort, in dem Ferienheim, regelmäßig die besten Ergebnisse seines Sohnes auf einer Tafel fest, mit dem Filzstift schreibt er dann die genauen Satz-Folgen hin. "Da kamen tatsächlich einige neue Ergebnisse nach ganz oben", sagt Miomir Kecmanovic, 22, und lächelt im VIP-Raum der BMW Open.

Es gab genau eine Interview-Anfrage an diesem Montag beim Münchner ATP-Turnier für den Serben aus Belgrad, aber es ist gut möglich, dass es bald so wird wie bei den Australian Open, wo er erstmals im Achtelfinale eines Grand Slams stand - und plötzlich das Interesse an ihm wuchs. Oder wie in Indian Wells und Miami, bei beiden Masters-Events erreichte er das Viertelfinale und verlor erst gegen die späteren Turniersieger Taylor Fritz und Carlos Alcaraz. In München hat Kecmanovic sein Erstrundenmatch gegen den frech aufspielenden 18-jährigen Max Hans Rehberg 6:2, 6:3 gewonnen. Das wird Dragutin nicht festhalten. Längst haben sich die Ansprüche verschoben. Kecmanovic ist 38. der Weltrangliste (nach München erreicht er seine beste Platzierung) und der zweitbeste Profi seines Landes - hinter keinem Geringeren als Novak Djokovic, der ganz oben steht.

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Sich im Schatten von Überfiguren an die Weltspitze heranzutasten, ist nicht immer leicht, unter Dauervergleichen litt auch manch deutscher Akteur, in den Jahren nach Boris Becker etwa. Tommy Haas und Rainer Schüttler kannten dieses Thema zur Genüge. Ein bisschen Druck verspüre er auch, sagt Kecmanovic, und ja, natürlich gebe es Vergleiche. Aber er genieße viel Unterstützung, vor allem nach den hervorragenden Partien in dieser Saison wachse in Serbien seine Popularität. Ohnehin wirkt er nicht wie jemand, der sich schnell verrückt macht, "ich bin eher der easy-going-Typ", sagt er und klingt sehr easy going. Im Duell mit Rehberg kam ab und an sein Ehrgeiz zum Vorschein, er haderte öfter, das Match war enger als das Ergebnis. Aber hier, im Gespräch, ist der entspannte Kecmanovic zu spüren. Er spricht ein lässiges Amerikanisch. Eine Folgeerscheinung seiner Zeit in Florida.

"Nicht alle haben da gleich an mich geglaubt", sagt Kecmanovic über seine Zeit an der IMG Academy

Kecmanovic ist ein Beispiel dafür, dass es so manchen nur noch stärker macht, wenn er Widerstände überwinden muss. Sein Talent war früh sichtbar geworden, als ihn Großvater Jovan Pavlov auf den Platz schleppte, doch den Biss, den lernt man nicht auf Knopfdruck. Meist sind es die Umstände, die diese Eigenschaft prägen. "Meine Eltern haben so viel für mich geopfert", erzählt Kecmanovic. Als er 13 ist, schicken sie ihn in die USA, zur berühmten IMG Academy. Nur seine Tante begleitete ihn. "Nicht alle haben da gleich an mich geglaubt", erinnert er sich. Er biss sich durch, so wie sich Maria Scharapowa dort früher auch durchgekämpft hatte, "das lernt man da definitiv", sagt er.

Die Erfolge kamen schnell und mit Wucht. 2015 gewann er die Orange Bowl, mit einem Erfolg gegen den jetzigen Weltranglisten-Fünften Stefanos Tsitsipas. 2016 noch einmal. Ein Erfolg bei diesem legendären Jugend-Turnier in Florida gilt als Hinweis auf eine große Karriere, auch Steffi Graf, Björn Borg und Roger Federer stehen in den Siegerlisten. 2017 wurde Kecmanovic Profi, Top 300, Top 150, Top 50, erstes ATP-Finale in Antalya 2019, 2020 seiner erster ATP-Titel in Kitzbühel. Es ging wie auf einer geraden Linie immer nach oben, bis er 2021 erstmals die Erfahrung einer Stagnation machte. "Ich wollte einiges ändern", sagt er und gibt zu: "Es war etwas ein verlorenes Jahr."

Er hatte damals David Nalbandian als Coach geholt, der frühere argentinische Spitzenspieler und Wimbledon-Finalist von 2002 hilft ihm immer noch, auch wenn ihn in München der Schwede Johan Örtegren betreut. "Dieses Jahr geht einiges unserer Arbeit endlich auf." Spielerisch sieht man das. Er baut seine Punkte clever auf. Zeigt Geduld, um dann zuzuschlagen, meist mit seinen flachen, aggressiven Topspin-Schläge cross oder die Linie entlang. "Jeder Schlag muss einen bestimmten Zweck haben", auch das habe ihm Nalbandian verinnerlicht.

Dass er sich hinter Djokovic in Serbien positioniert hat, bedeutet ihm viel, "er ist der Beste jemals, ihn zu ersetzen, ist kaum möglich". Im Davis Cup verbrachten sie Zeit zusammen, er bezeichnet den 20-maligen Grand-Slam-Sieger inzwischen als Freund. "Wenn er mir erzählt, was er erlebte, dann hilft mir das", sagt Kecmanovic. Sein Ziel spricht er unumwunden aus: "Grand-Slam-Champion." Dragutin, Arzt wie Mutter Maja Pavlov, würde für dieses Ergebnis sicher einen besonders schönen Stift auswählen.

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