Tennis:Ausflug in eine ferne Galaxie

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Der Lange auf Abwegen: Doppelspezialist Philipp Oswald muss sich erstmals seit vielen Jahren mit dem Thema Einzel auseinandersetzen - was ihm gelingt. (Foto: Francois Asal/Gepa pictures/Imago)

Dem TC Großhesselohe gelingt im dritten Anlauf der erste Saisonsieg in der Tennis-Bundesliga. Dazu ist einige Improvisation vonnöten.

Von Thomas Becker

Bis Samstagabend ging Philipp Oswald noch von einem herkömmlichen Sonntag aus. Morgens zeitig beim Arbeitgeber vorstellig werden, Muskeln lockern, bisschen dehnen, warmspielen - und dann ab in den Schatten. Warten, bis alle Einzel gespielt und irgendwann am frühen oder späten Nachmittag die Doppel dran sind. Zuweilen sind diese bedeutungslos, wenn die Entscheidung über Sieg oder Niederlage schon vorher fällt, aber so sieht der Arbeitstag eines Doppelspezialisten in der Tennis-Bundesliga eben aus. Oswald kennt das aus dem Effeff, ist mit seinen 37 Jahren einer der erfahrensten Spieler der Liga, die Platzsprecher Karl-Heinz Kas nicht zu Unrecht als "die stärkste der Welt" bezeichnete: "30 Spieler aus den Top 60!"

Aber zurück zu Oswald: Am Samstagabend erfuhr er, dass er am nächsten Morgen wohl Einzel spielen müsse, da der Arbeitskollege Dennis Novak mit Fieber im Bett lag. Klingt unspektakulär, kam ihm aber vor wie eine nicht gebuchte Reise in eine ferne Galaxie. Einzel! Hatte der 2,01 lange Vorarlberger in der Bundesliga zuletzt 2013 gespielt. Zwei Jahre später stand er nochmal bei einem Turnier in Kuala Lumpur allein auf dem Platz, seitdem nur noch im Doppel, mit wechselnden Partnern. Und das sehr erfolgreich: insgesamt fünf Mal Achtelfinale bei den Grand Slams in Wimbledon und New York, bei den Australian Open schaffte er es sogar mal ins Viertelfinale. Elf Titel stehen zu Buche, dazu elf Finalteilnahmen, in der Weltrangliste war er mal die Nummer 31, derzeit steht er auf 67 - wie gesagt: im Doppel. Den fast 400 Partien auf ATP-Level stehen im Einzel gerade mal drei gegenüber, die Nummer 206 war er mal, im Dezember 2009. Jetzt also noch mal Einzel, gegen einen Inder mit deutschem Pass namens Narayanaswamy Sriram Balaji. Und damit endlich willkommen bei der Heimpremiere des TC Großhesselohe gegen den FTC Palmengarten!

Die gute Nachricht aus Münchner Sicht vorweg: In Saisonspiel Nummer drei konnte der erste Sieg verbucht werden: 6:0 gegen den Aufsteiger aus Hessen, der ähnlich dünn aufgestellt war wie die Gastgeber. Die wussten eine halbe Stunde vor Spielbeginn noch nicht so ganz genau, wer gleich antreten würde. Die Nummer eins, der Argentinier Francisco Cerundolo, hatte tags zuvor beim ATP-Turnier in Bastad knapp gegen Andrej Rublev verloren, Federico Coria, Roberto Baena und Daniel Altmaier spielen von Montag an in Umag und Hamburg. Stichwort Priorität: Für Topspieler kommt die Bundesliga erst an zweiter Stelle.

Nach zwei Auswärtsniederlagen zu Saisonbeginn, bei denen fünf von sechs Match-Tiebreaks verloren gingen, sind Großhesselohes Chancen auf eine bessere Platzierung als in der vergangenen Spielzeit nur noch minimal - im Vorjahr waren sie Zweite. Nicht so leicht zu toppen, zumal in Philipp Kohlschreiber und Jan-Lennard Struff zwei Antreiber den Verein Richtung Bredeney verlassen haben, wo wohl nochmal ganz andere Zahlen aufgerufen werden als im durchaus gut betuchten Großhesselohe.

"Sollen sie halt aufs Doppelfeld spielen", witzelte ein Zuschauer

Auch hier müssen sie abwägen, wie viel Geld sie in einen Bundesliga-Spieltag stecken, schließlich gehen Tennisprofis nicht für das berühmte Butterbrot auf den Platz. Doch mit einer Besetzung wie am Sonntag sind die Großhesseloher wohl noch nie angetreten: Am Ende spielten die Nummern 3, 11, 12 und 16 der Meldeliste die Einzel - und gewannen allesamt. Der Franzose Arthur Rinderknech hielt den Argentinier Facundo Mena in zwei Sätzen nieder, der 21-jährige Italiener Luciano Darderi schlug im Youngster-Duell den Rumänen Filip Cristian Jianu 7:6, 6:4, und den Länderkampf der Spanier gewann der Routinier Pablo Andujar-Alba, Last-Minute-Verpflichtung vom deutschen Meister Düsseldorf, 6:4, 6:4 gegen Carlos Gomez-Herrera, Trainingspartner eines gewissen Novak Djokovic.

Und dann war da ja noch Philipp Oswalds Match gegen den Deutsch-Inder, ebenfalls Doppelspezialist. "Sollen sie halt aufs Doppelfeld spielen", witzelte ein Zuschauer, als Platzsprecher Karl-Heinz Kas die beiden vorstellte. Machten sie natürlich nicht, aber nach getaner Tat - Oswald gewann 7:6, 7:5 - gab der Österreicher zu: "Gut geschlafen habe ich in der letzten Nacht nicht. Ich war schon ganz schön nervös, wusste aber, dass ich den schlagen kann, soll, muss. Er ist ja ein paar Jahre jünger und besser auf den Beinen, aber ich habe die besseren Schläge." Wohl wahr: Auf dem Center Court zündete der Lange vor rund 700 Zuschauern so manchen Kanonenschlag, was System hatte: "Ich musste schauen, dass ich mit meinem big game die Ballwechsel kürzer halte, dass er mich nicht so sehr mit langen Rallys quälen konnte." Die größte Umstellung seien für ihn die Laufwege gewesen: "Im Doppel muss ich ja nur den halben Platz abdecken, und wenn er mir lang und hoch in die Rückhand spielt, brauchst du schon gute Beine - und die hab' ich ja nicht so", scherzte er und bestätigte umgehend, dass er sich nicht gleich fürs nächste Einzelturnier anmelden werde. Am Nachmittag war Oswald wieder im angestammten Revier, sicherte mit Rinderknech einen weiteren Doppel-Punkt. Den Kollegen aus Indien wird er schon am Dienstag wieder treffen, bei den Croatia Open. Doppelkonkurrenz, was sonst.

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