Tennis: French Open:Es werde Licht

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Geduldige Favoriten, Ärzte im Einsatz und immer wieder dieser Wind am Po: ein Überblick über die höchst unterhaltsamen French Open

Michael Neudecker, Paris

Die French Open 2010 sind eineinhalb Wochen alt, von den 256 Spielern und Spielerinnen der Einzelwettbewerbe sind lediglich zwölf übrig geblieben. Es ist mal wieder eine Menge passiert, wie das eben so üblich ist in eineinhalb Wochen im Tenniszirkus.

Venus Williams: "Es ist genetisch, dass mein Po so wohlgeformt ist." (Foto: afp)

Fragen über Fragen: Roger Federer und Rafael Nadal sind die besten Tennisspieler der Welt. Sie sind die Favoriten, immer sind sie die Favoriten, das weiß jeder, weshalb die beiden etwas genervt reagieren, wenn sie gefragt werden, ob sie denn die Favoriten sind. Nadal ist dabei nicht so cool wie Federer, und sein Englisch ist deutlich schlechter, weshalb er immer nur sagt, dass es immer dieselbe Frage sei. Federer hat auf die ernsthafte Frage, ob er glaube, die French Open gewinnen zu können, gegrinst und geantwortet: "Ja, das glaube ich schon." Pause. "Soll ich das erklären? Okay. Ich habe im letzten Jahr gewonnen. Ich kann es wieder schaffen."

Bis der Arzt kommt: Philipp Kohlschreiber hat nach seiner Drittrundenniederlage gegen Fernando Verdasco einen bemerkenswerten Satz gesagt: Es herrsche Krieg und Kampf auf dem Platz, weshalb man niemandem unterstellen dürfe, er simuliere, wenn er den Arzt hole. Ein wenig skurril ist es dennoch manchmal, wenn der Arzt kommt: Verdasco ließ sich während eines Spiels einen Nagelzwicker bringen, um seinen eingerissen Zehennagel zu behandeln, der Franzose Jo-Wilfried Tsonga legte sich während seiner Matches, geplagt von Rückenschmerzen, immer wieder auf den Boden und ließ sich massieren. Und das Drittrundenmatch der Weltranglistenersten Serena Williams gegen Anastasia Pawljutschenkowa war sowieso ein Drama. Williams gewann den ersten Satz, verlor den zweiten aber 1:6, und dann wurde ihr schwindlig. Sie rief den Arzt, der klemmte ihr eine Apparatur ans Ohr, maß die Körpertemperatur (Fieberverdacht!), Williams sah mitgenommen aus. Aber sie spielte weiter und gewann den dritten Satz 6:2.

Das ist Spitze: Noch mal zu Serena Williams, und damit auch zu ihrer Schwester, ihrer Mutter, ihrem Vater und dessen Freundin. Der Williams-Clan mag Mode, und weil Mode im Frauentennis Thema Nummer eins ist, sei erwähnt: Vater Williams kleidet sich meist einfallslos, seine Freundin hingegen fällt mit einer Art Kappe mit Pelzummantelung auf, und Mama Williams besticht durch eine Sonnenbrille beeindruckenden Ausmaßes. Und die Töchter? Serena Williams sagt, sie habe 17 Outfits für ihre Matches dabei, und ihre Schwester Venus (zehn Outfits) wird in Pressekonferenzen sehr, sehr häufig zu ihrem selbst designten schwarzes Spitzen-Kleidchen befragt, das sich vom Wind bisweilen in der Po-Gegend anheben lässt. Frage: "Das Publikum liebt Ihr Kleid, ein Mann hat gesagt, es sei gut für die Vorstellungskraft. War das Ihr Ziel?" Antwort: "Das Design hat nichts mit dem Po zu tun, es ist genetisch, dass er so wohlgeformt ist. Sehen Sie meine Schwester an, meine Mutter oder meinen Vater." Venus Williams scheiterte im Achtelfinale, da schrieb der Sport-Informations-Dienst: "Abschied vom Spitzen-Tennis".

Schleichendes Dunkel: Wenn man im Regelbuch der für die Männer zuständigen ATP zu VI. Facilities and on-site conditions blättert, dann liest man: "Bei Turnieren wie einem Grand Slam müssen, falls Scheinwerfer aufgestellt werden, mindestens 1076 Lux herrschen." In Paris hatten sie nur in den siebziger Jahren Scheinwerfer am Centre Court, die aber dem Ausbau der Anlage zum Opfer fielen. Seitdem werden regelmäßig Matches wegen Dunkelheit abgebrochen, noch nie aber haben sich Szenen abgespielt wie vergangene Woche am Mittwochabend, als sich der Franzose Gael Monfils und der Italiener Fabio Fognini auf dem Centre Court gegenüberstanden. Fünfter Satz, Fognini führt 4:1, die Dunkelheit schleicht sich auf die Anlage. Das Match geht weiter, Monfils gleicht aus, 4:4, es ist jetzt 21.33 Uhr. Auf dem Nachbarcourt ist das Match schon abgebrochen, das Stadion ist jetzt vollkommen umnachtet, nur die Anzeigentafel und die Scheinwerfer eines TV-Studios spenden noch Licht. Der Oberschiedsrichter betritt den Court, Monfils will weiterspielen, Fognini ist unentschlossen, sein Trainer ruft, er solle aufhören. Es wird diskutiert - und weitergespielt. Fognini schreit nun nach jedem Ballwechsel den Schiedsrichter an, stopp, stopp, es sei absurd, der Ball sei kaum noch zu erkennen. Dann steht es 5:5, es ist 21.56 Uhr, und der Schiedsrichter bricht ab. Tags darauf titelt L'Équipe: "Nächtliche Ruhestörung", und Monfils verliert 7:9. Sie diskutieren jetzt in Paris, ob es besser wäre, wieder Scheinwerfer aufzustellen.

Du bist, was du isst: Zu Anfang des Turniers hat eine 39-jährige Japanerin, die mit einem deutschen Rennfahrer namens Michael verheiratet ist (nein, nicht der), für Aufsehen gesorgt: Kimiko Date hat die ehemalige Weltranglistenerste Dinara Safina besiegt, und danach wollte jeder wissen, warum ihre Haut so straff sei und sie überhaupt so jung aussehe. Venus Williams hätte gesagt, das ist genetisch, aber Kimiko Date hat nur gelächelt und gesagt, dass sie sich gesund ernähre. Die Japanerin Kimiko Date ist die Personifizierung dessen, was die Australierin Samantha Stosur auf ihrem linken Schweißband stehen hat: "Attidude! Composure!" Das bedeutet: Haltung! Selbstbeherrschung!

Das alte Lied: Tennisprofis müssen etwas dafür tun, um in den Medien präsent zu sein, die meisten sehen das zumindest so, was zu mal mehr, mal weniger unterhaltsamen Episoden führt. Die Dänin Caroline Wozniacki führt ein Videoblog, man kann ihr zum Beispiel zusehen, wie sie im Supermarkt Joghurt kauft. Der Brite Andy Murray dagegen hat einen Karaoke-Auftritt dargeboten, mit einer Lockenperücke und einem Tennisschläger sang er "I want you back" von den Jackson Five. Das klang scheußlich, und Murray trug dazu nur eine Jogginghose und ein T-Shirt, aber seltsamerweise hat ihn einfach niemand gefragt, warum das so war.

© SZ vom 02.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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