Tennis-Bundesliga:Mikado für Fortgeschrittene

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"Einer wie er liebt die Liga": Jozef Kovalik vom TC Grosshesselohe. (Foto: Wolfgang Fehrmann/HMB-Media/Imago)

Die Saison in der Tennis-Bundesliga hat sich für den TC Großhesselohe mal wieder als kompliziert erwiesen. Die Münchner beenden die Spielzeit als Dritte.

Von Thomas Becker

6:2, 5:4, serving for the match: Sieht gut aus für Peter Gojowczyk. Aber dann hat der Portugiese Pedro Sousa doch noch etwas dagegen, zwingt den Lokalmatador in den Tiebreak, hält auch da lange mit, bis doch das 9:7 für die ehemalige Nummer 39 der Tennis-Weltrangliste unter Dach und Fach ist. "Der erste Punkt für den TC Großhesselohe!", jubelt Platzsprecher Karl-Heinz Kas in sein BR-Mikro. Am Freitagnachmittag wird er ein 4:2 der Münchner gegen den Konkurrenten mit dem schönen Namen Tennis Ewige Liebe BW Neuss vermelden, der damit als zweiter Absteiger aus der Bundesliga feststeht. Kurz vor Saisonbeginn hatte der Vorjahresmeister Rochusclub Düsseldorf zurückgezogen, dazu später mehr. Großhesselohe belegt nach einem finalen 3:3 am Sonntag gegen Aachen Platz drei in der Abschlusstabelle, vor dem zweiten bayerischen Vertreter Rosenheim, der als Siebter die Klasse hielt - aller Ehren wert, aber letztlich zählt in dieser Liga nur der Platz ganz oben: der mit dem klingenden Titel deutscher Meister.

Der geht heuer an den TC Bredeney aus Essen, eine von einem IT-Unternehmer finanzierte Best-of-Deutschland-Truppe mit Jan-Lennard Struff, Yannik Hanfmann, Oscar Otte bis Maximilian Marterer; erst an zehn ist Philipp Kohlschreiber gemeldet, an 15 Doppelspezialist Tim Pütz. Mehr als zwei Unentschieden konnte die Konkurrenz den Westdeutschen nicht abluchsen; Großhesselohe verlor am zweiten Spieltag 2:4 - das letzte Doppel ging 8:10 im Match-Tiebreak verloren. "Heute", da Bredeneys Topspieler gerade durch die USA touren, "würden wir die 5:1 schlagen", behauptet Bernard Eßmann, der Bundesliga-Sportchef der Münchner. Seit dem Aufstieg 2018 baut und finanziert er den Kader mit - ein diffiziles Unternehmen, gegen das Mikado wie eine kinderleichte Fingerübung erscheint. "Die Kunst ist, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Spieler zu haben", sagt er und meint damit das Phänomen "second priority": "Die Topspieler werden ein ATP- oder Challenger-Turnier immer der Bundesliga vorziehen."

Ein Beispiel: Ihre Nummer eins Francisco Cerundolo, die Nummer 20 der Welt und bei den French Open im Achtelfinale Holger Rune erst nach fünf Sätzen unterlegen. Beim ATP-Turnier in Bastad legte er wieder eine Klasseleistung hin, bot dem Russen Andrej Rublew drei Sätze lang die Stirn, verlor aber aus Großhesseloher Sicht eine Runde zu spät. Dennoch gab es Überlegungen, den Argentinier für die Heimpremiere aus Schweden einfliegen zu lassen - verworfen. Fit wäre er nicht gewesen. Zu Saisonbeginn war er für zwei schwere Auswärtsspiele fix eingeplant, gewann aber zuvor als erster Argentinier überhaupt ein Rasenturnier, was in der sportverrückten Heimat auf erhebliches Interesse stieß: Und so flog Cerundolo zu Medien- und Sponsorenterminen nach Buenos Aires, sein Klub musste ohne ihn auskommen. Am Ende bestritt er kein einziges Match für die Münchner.

Bis Mitte Dezember müssen sie entscheiden, ob sie wieder eine Mannschaft stellen

Auch Daniel Altmaier, als Nummer 52 der Welt drittbester Deutscher, machte sich rar, bestritt nur eine Partie für Großhesselohe, und die auch noch auswärts. Nachdem man mit Struff und Kohlschreiber schon zwei prominente Zugpferde verloren hatte, blieb an VIP-Personal nicht viel übrig: Namen wie Roberto Carballes Baena, Hugo Dellien und Arthur Rinderknech ziehen halt nur bei Hardcore-Fans. Am Wochenende gab der an acht gemeldete Ungar Zsombor Piros (ATP 120) zweimal die Nummer eins und fuhr nach der dritten auch gleich die vierte Niederlage im vierten Einzel ein. Zur Refinanzierung dienen Zuschauereinnahmen eh nur bedingt: 3000 Zuschauer pro Saison spülen rund 50 000 Euro in die Kassen - etwa ein Sechstel des Spieleretats, zu dem noch Fahrt- und Übernachtungskosten kommen. Wie viel Bredeney investierte, ist Spekulation. Eßmann glaubt: siebenstellig.

Wie sehr das Unternehmen Tennis-Bundesliga an einigen wenigen Handelnden hängt, sieht man am Rochusclub Düsseldorf. 40 Jahre arbeitete man dort am Meistertitel, doch als der endlich geschafft war, erkrankten zwei der Macher schwer, woraufhin das Gebilde in sich zusammenstürzte. Wie lange Großhesselohe noch dem Meistertraum hinterherjagen will? Eßmann sagt: "Bis Mitte Dezember müssen wir entscheiden, ob wir eine Mannschaft melden, Mitte März muss der Kader stehen." Und so wird er wieder Mikado spielen: namhafte Topspieler suchen, aber auch für einen Mittelbau sorgen. Mit Typen wie Jozef Kovalik: 30 Jahre, Nummer 150 der Welt, am Wochenende zweimal siegreich. "Der liebt die Liga", sagt Eßmann, "der weiß: Er ist und bleibt ein Challenger-Spieler. Wenn der Freitag/Sonntag für uns Bundesliga spielt, verdient er mehr als bei einem Challenger in der Woche." Beim jungen Ungarn Piros sei es anders: "Der ist auf dem Sprung in die Top 100, hat gerade die Quali für die US Open nicht geschafft. Da locken natürlich ganz andere Preisgelder." Will sagen: Es bleibt kompliziert.

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