Tennis bei den French Open:Zverev kann jetzt auch schmutzig

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Alexander Zverev ist in Paris an Zwei gesetzt - daran knüpfen sich Erwartungen. (Foto: Getty Images)
  • Alexander Zverev spielt in Paris erstmals als einer der großen Favoriten ein Grand-Slam-Turnier.
  • In der zweiten Runde kommt es gegen einen unbekannten Serben zu einem Match, das dem Deutschen weitreichende Erkenntnisse bringt.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Vorne rechts direkt vor dem Pult sitzt er immer, ein Reporter aus Großbritannien, er stellt seine Fragen sehr deutlich, mit einem sehr starken britischen Dialekt, und mit Wissbegierde. Er ist keiner, der sich versteckt im Main Room, in dem die Pressekonferenzen stattfinden. An diesem späten Mittwochnachmittag trug er ein rotes Jersey, Liverpool-Fan ist er auch, aber nun war Tennis gefragt.

Er stellte diesmal Alexander Zverev eine Frage. Er redete und redete und am Ende wurde immerhin klar: Er wollte wissen, ob Zverev, 21, Nummer drei der Welt, der ja trotz acht Titeln als Profi noch nie ein Viertelfinale bei einem Grand Slam erreicht hat, nun die Wende in dieser Bilanz schaffe könne.

Zverev lachte, kurz zögerte er, doch dann fragte er zurück: "Wo kommst du her, Kumpel?"

"Willst du raten? Aus Yorkshire in England."

"Nett. Sollte es dort je ein Turnier geben, komme ich nur wegen dieses Akzents. Ich liebe ihn. Ich habe kein Wort verstanden, was du gesagt hast, aber das ist nicht schlimm."

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Der Hamburger bezwingt den Serben Dusan Lajovic trotz teilweise enttäuschender Leistung nach 3:24 Stunden mit 2:6, 7:5, 4:6, 6:1, 6:2.

Es war gerade mal gut eine Stunde her, dass Zverev den starken Serben Dusan Lajovic mit 2:6, 7:5, 4:6, 6:1, 6:2 in mehr als dreieinhalb Stunden niedergekämpft hatte, aber schon war er wieder tiefenentspannt. Als sei nichts gewesen. Nur die Haare (noch feucht vom Duschen) verrieten, dass er da gerade auf dem "Stierkampfarena" genannten Court 1 Schwerstarbeit hatte verrichten müssen.

Zverev hatte schlecht begonnen, gelitten, den Schläger zertrümmert, eine Verwarnung kassiert, die Kontrolle über das Match verloren, zurückgebissen. Gegen Ende des Duells schlichen beide Kontrahenten wie angeknockte Boxer zur Grundlinie, wenn sie aufschlagen oder returnieren mussten. Aber jetzt machte Zverev Witzchen. Er war gut drauf. Aus einem simplen Grund: "Je öfter du solche Matches gewinnst, desto besser fühlst du dich."

Dies war ein Satz, der harmlos und auch so selbstverständlich klingt. In ihm aber steckt vielleicht die Antwort, warum Zverev bislang noch nicht ganz erfolgreich war bei den vier größten Tennisturnieren, den Grand Slams. Solche Matches. Damit meinte er: die frühen harten, schweißtriefenden, quälenden Zweit- oder Drittrundenduelle mit Gegnern, die oft nicht mal Experten richtig gut kennen, die aber richtig gut Tennis spielen. Wie dieser Lajovic, 27, aus Belgrad, die Nummer 60 der Welt.

Wenn es ein allgemein zu fassendes stetes Ziel in Zverevs Denken gibt, dann ist es der Wunsch, immer einen Schritt vorwärts zu machen. Nie stehen zu bleiben, sondern sich zu entwickeln. In Paris ist Deutschlands bester Tennisspieler hoch gesetzt in der Auslosung, an Zwei hinter Rafael Nadal, Roger Federer ließ ja die Sandplatzsaison komplett aus. Die Rolle im Fokus, kennt Zverev, er war immer einer, auf den Menschen schauten. Aber neu ist seine Rolle in Paris trotzdem, noch nie ging er derart hoch gehandelt in solch ein wichtiges Event. Die Plattitüde eines Tests drängte sich am Mittwoch während der Partie gegen Lajovic auf, tatsächlich war es auch einer. Und Zverev demonstrierte, wie sehr sein Wille ihn durch so ein Spiel führen kann.

Er hat nicht mit Bestnote abgeschnitten, das wusste Zverev auch, dazu hatte er gerade anfangs "so viele Fehler" wie lange nicht fabriziert. Aber die bedeutsamste Erkenntnis war: "Ich bin im Turnier." Im Tennis sagt man zu diesen Siegen, die nicht in Souveränität erstanden, auch gerne, dass es schmutzige Siege sind. Zverev kann jetzt auch schmutzig.

Deshalb bekam er auch Anerkennung von jemandem, der früher selbst quälende Schlachten in diesen tückischen Zweit- und Drittrundenpartien durchlitt. "Jetzt ist er 21 Jahre alt und hat zum ersten Mal ein Fünf-Satz-Match bei einem Grand-Slam-Turnier gewonnen, bei dem er 2:1-Sätze zurücklag. Deswegen: bravo", sagte Boris Becker, der sechsmalige Grand-Slam-Sieger. Er kommentiert in Paris für den Sender Eurosport.

Weiter führte er aus: "Ich glaube, dass er zum ersten Mal in einem Grand-Slam-Match gemerkt hat, dass er physisch stärker als der andere ist. Er hatte keine Angst vor den langen Ballwechseln oder in den fünften Satz zu gehen. Er wurde eher stärker. Das hat er auch mit seiner ganzen Gestik und Körpersprache gezeigt. Im richtigen Moment hat er auch die Stopps gespielt. Das habe ich zum ersten Mal bei ihm in dieser Form gesehen."

Eine Momentaufnahme, klar. Schon gegen Damir Dzumhur in der dritten Runde folgt der nächste Test. Dzumhur aus Bosnien-Herzegowina ist früher als Junge ein Schauspieler gewesen in zwei anspruchsvollen Filmen (ein Kriegsdrama gewann einen Goldenen Bär). Er ist einer, der läuft und kämpft, bis die Sonne untergeht. Aber so jemanden fürchtet Zverev nicht mehr: "Ich liebe solche Kämpfe wie heute."

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Auch, weil er seinen Ansatz, über solche Duelle zu denken, geändert hat. Früher habe er sich noch mehr die Bedeutung von Grand-Slam-Turnieren vor Augen geführt. Er hat sie als die größten Turniere betrachtet. "Ich will da nicht lügen", gab er zu. Heute sieht er es so: Grand Slams sind große Turniere, genauso wie es Turniere der Masterserie sind, von denen Zverev schon drei gewonnen hat. Mit einem Unterschied: Bei Grand Slams geht es über drei Gewinnsätze, nicht zwei. Wenn man so will, versucht Zverev jetzt sich selbst zu überlisten. Um doch mal den Sprung weiter nach vorne zu schaffen bei Grand Slams.

Ob er sein Tennis genieße, fragte der Engländer im Liverpool-Hemd gegen Schluss, und sogleich grinste der Deutsche. Sofort entwickelte sich wieder ein frotzeliger Dialog.

"Ich liebe es nicht so sehr wie deinen Akzent."

"Ich komme jetzt zu all' deinen Pressekonferenzen."

"Wunderbar."

"Wenn du ins Finale kommst, sorgst du dann dafür, dass ich eine Frage stellen kann, okay. Es wird ja dann voll werden."

"Wenn ich im Finale bin, sorge ich dafür, dass du sehr viele Fragen stellst."

Das ist ja das Schönste an schmutzigen Siegen. Sie machen Spaß.

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