ATP-Turnier in Hamburg:Fast zu früh im Umkleideraum

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Tommy Haas, weiterhin in Hamburg dabei. (Foto: dpa)

Nach einem Zittersieg am Tag zuvor begeistert Tommy Haas das Hamburger Tennis-Publikum und zieht locker ins Viertelfinale des ATP-Turniers am Rothenbaum ein. Dennoch bleibt die Frage: Erwarten die Hamburger mehr von Haas, als dieser geben kann?

Von Carsten Eberts, Hamburg

Bälle, T-Shirts, Handtücher - alles musste raus. Aus vollen Händen verschenkte Tommy Haas den Inhalt seiner Sporttasche, die Kids hinter seiner Bank nahmen die Devotionalien gierig an. Ehe sich der Deutsche noch komplett entblößen konnte, begann glücklicherweise der Arena-Sprecher, Haas einige Nettigkeiten ins Mikro zu entlocken. Haas erfüllte seine Aufgabe, das Hamburger Publikum verabschiedete seinen Liebling mit sehr warmem Applaus.

Tommy Haas war zufrieden mit sich, und er zeigte es. Nur eine Stunde und 16 Minuten hatte er beim 6:2, 6:4 gegen den Argentinier Carlos Berlocq benötigt, am Ende sogar ein wenig geschludert, sonst wäre das Match noch schneller erledigt gewesen. "Ich war nervös", gestand Haas und erklärte, er habe sich beim Zwischenstand von 5:1 im zweiten Satz bereits im Umkleideraum gewähnt: "Das darf natürlich nicht passieren."

Zielstrebig und gierig hatte sich Haas über weite Strecken seines Achtelfinales präsentiert. Das tat nicht nur ihm selbst, sondern auch dem Hamburger Publikum gut. Noch tags zuvor gegen Blaz Kavcic hatte der Deutsche einen seltsamen Auftritt hingelegt. Haas spielte zeitweise fahrig, brachte kaum einen ersten Aufschlag ins Feld. Doch er motzte nicht wie sonst, sondern starrte emotionslos umher. Im dritten Satz führte Haas 4:1, Kavcic glich zum 4:4 aus, wollte das Spiel endgültig kippen. Das frühe Aus drohte, ehe sich die deutsche Nummer eins doch noch berappelte.

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Er ist das Stehaufmännchen des Tennissports: Tommy Haas galt lange als einer der talentiertesten Spieler auf der Welt - doch immer, wenn es für ihn lief, verletzte er sich. Aufgeben wollte Tommy Haas nie, auch mit mittlerweile 35 Jahren hat er nicht genug. Seine Karriere in Bildern.

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Anschließend sagte Haas einen Satz, den man bei seinem erklärten Lieblingsturnier kaum erwartet hätte. Für ihn wäre eine Niederlage kein Problem gewesen, befand Haas, "dann hätte ich nach drei Monaten auf Europatour nach Hause fliegen können". Erwarten die Hamburger etwa mehr von Haas, als dieser wirklich zu geben vermag?

Vor einem Jahr hatte Haas' Renaissance begonnen. Nach seinem Sieg über Roger Federer in Halle bekam er eine Wildcard für den Rothenbaum, stürmte in seiner Geburtsstadt überraschend bis ins Finale. Er hatte damals eine "unvergessliche Woche", sagt Haas selbst; eine Woche, in der er auch den Glauben an seine eigene Leistungsfähigkeit zurückerlangte. Anschließend ging es weiter nach vorne, bis auf Platz elf der Weltrangliste. Mittlerweile ist Haas 35 Jahre alt. Und spielt besseres Tennis als je zuvor.

Wie stark Haas derzeit auftreten kann, zeigte er während der ersten anderthalb Sätze gegen Berlocq. Der Argentinier wetzte, rannte, ächzte, stöhnte (laut!), brachte sogar einige Schmetterbälle zurück. Doch am Ende hatte er keine Chance. Mit seinen platzierten Grundlinienschlägen filetierte Haas das Spiel seines Gegners, trieb den Argentinier mit Stopp-Bällen in den Wahnsinn. "Heute habe ich zeitweise richtig gutes Tennis gespielt", befand Haas. Das klang deutlich optimistischer als nach dem Zittersieg gegen Kavcic.

Im Viertelfinale am Freitag trifft Haas nun auf den Italiener Fabio Fognini. Mit dem hat er noch eine Rechnung offen, schließlich besiegte Fognini den Deutschen vor zwei Wochen in Stuttgart. Kann sich Haas revanchieren, ist er seinem großen Ziel, dem Finale gegen Roger Federer, ein Stück näher. Federer siegte am Donnerstagabend 6:4, 6:3 gegen den Tschechen Jan Hajek. Auch er steht nun im Viertelfinale.

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