Superclasico:Die Copa versinkt im Strudel aus Filz und Gewalt

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Mittlerweile ist unklar, ob das Rückspiel zwischen River Plate und Boca Juniors überhaupt stattfinden wird. (Foto: REUTERS)
  • Das Rückspiel der Copa Libertadores - dem Äquivalent zur Champions League in Südamerika - zwischen den Rivalen River Plate und Boca Juniors wurde schon zweimal verlegt.
  • Hooligans griffen am Samstag den Boca-Bus an, zwei Spieler wurden verletzt.
  • Die Stadt scheint mit der Organisation überfordert - und nun findet auch noch der G-20-Gipfel statt.

Von Peter Burghardt

Man kann Argentiniens Regierung nun wirklich nicht vorwerfen, dass sie sich nicht für Fußball interessiert. Der Multimillionär Mauricio Macri war Präsident des Klubs Boca Juniors, ehe er Bürgermeister von Buenos Aires und Staatschef wurde, ohne Fußball wäre der Unternehmersohn kaum Politiker. "Alles, was ich von der Politik weiß, habe ich vom Fußball gelernt", soll Macri mal gesagt haben - beim Kampf gegen Armut und Inflation hat ihm sein Fachwissen eher nicht geholfen. Zum obersten Geheimdienstler ernannte er einen Kumpel, der in seiner Zeit bei Boca Spielerberater war. Die Nähe von Fußball und Politik dürfte eine Erklärung dafür sein, wieso es ein zweimaliger Weltmeister gerade einfach nicht schafft, dieses Endspiel zu organisieren.

Pobre Argentina, armes Argentinien. Die Welt sieht verblüfft dabei zu, wie das Reich der verpassten Möglichkeiten daran scheitert, das Finale der Copa Libertadores auszuspielen. Das Hinspiel um Südamerikas Champions League zwischen den Stadtrivalen Boca Juniors und River Plate fiel erst wegen Regens aus und endete dann 2:2. Das Rückspiel wurde nun am Wochenende nach stundenlangem Chaos und Krawall zweimal abgesagt, weil River-Hooligans den Boca-Bus mit Steinen beworfen hatten und die Polizei Pfefferspray hinterher schickte. Mehrere Profis sind verletzt, Bocas Pablo Pérez schwer am Auge. Nachdem es also misslungen war, ein Match anzupfeifen, obwohl nicht mal gegnerisches Publikum ins Stadion darf, soll Gastgeber Macri nun ab Freitag Gäste wie Donald Trump und Wladimir Putin zum G-20-Gipfel empfangen. Wie geht die Farce weiter?

Superclásico River vs Boca
:"Sie zwingen uns zu spielen"

Steine gegen den Boca-Bus, Tränengas gegen die Fans: Nach schlimmen Ausschreitungen wird der Superclásico in Argentinien auf unbestimmte Zeit verschoben - zuvor soll Fifa-Boss Infantino die Spieler gedrängt haben, trotzdem aufzulaufen.

Von Boris Herrmann

Was das Spiel betrifft, so tagt an diesem Dienstag in Paraguay der obskure südamerikanische Fußballverband Conmebol. Die Fronten: River will die Partie so bald wie möglich nachholen, nach G 20. Und zwar wie geplant daheim im Stadion Monumental alias "cancha de River" (River-Stadion), das nebenbei bemerkt auch Schauplatz der Folter-WM '78 war. Boca dagegen will den Pokal ohne weiteres Match in der feindlichen Betonschüssel, angesichts des Angriffs kein völlig abwegiger Gedanke.

So irritierend wie nach dem Bombenattentat auf den BVB-Bus im April 2017, als die Dortmunder trotz Trauma und Wunden tags darauf antreten mussten, müsste ja theoretisch nicht immer entschieden werden. Praktisch sind die Conmebol-Funktionäre aber bestimmt für eine Neuansetzung im Dezember. Ganz im Sinne von Schein, Geld und Fifa-Infantino, der die Partie angeblich schon samstags vor seinen Augen durchpeitschen wollte.

Der River-Überfall auf den Boca-Bus gilt als Racheakt wegen einer Razzia

Rivers Präsident Rodolfo D'Onofrio wirft Bocas Präsident Daniel Angelici vor, sein Wort zu brechen, weil er erst eine Erklärung zugunsten eines Ersatztermins unterzeichnet hatte. Dies sei ein "Pacto de caballeros", ein Ehrenmännerpakt, das klingt nicht zufällig nach Filmen mit Paten. Es versteht sich von selbst, dass beide Herren Geschäftsleute sind - mit, genau, besten Kontakten zur Politik. Angelici ist ein Zar des Glücksspiels und bei Boca Nachfolger des heutigen Staatsoberhaupts Macri. Er gilt als politischer Strippenzieher und kennt Entscheider der Justiz.

Das ist unter anderem praktisch, wenn es um Verbrechen der Hardcore-Fans namens Barras Bravas geht. Bei Boca heißen sie La 12, die Zwölf, bei River Borrachos del Tablón, die Besoffenen von der Theke. Mord, Erpressung, Prügel und Deals mit Drogen, Tickets oder Trikots, gehört alles zum Programm. Der Politik (und den Vereinsfunktionären) sind die Kriminellen aus der Kurve im Zweifel als Claqueure und Stimmeneintreiber zu Diensten, natürlich nicht gratis. Die mafiöse Gewalt in Argentiniens Fußball ist endemisch. Schlägertrupps des Zweitligisten All Boys wollten kürzlich das gegnerische Team in deren Kabine vermöbeln, die Polizei floh.

Der River-Überfall auf den Boca-Bus gilt der Stadtverwaltung nun als Racheakt wegen einer Razzia, bei der gefälschte Eintrittskarten und viel Bargeld erbeutet wurden. Die Polizei? Konnte Boca wenige Tage vor G 20 nicht nur nicht schützen, sie leiteten die Spieler sogar in den Hinterhalt. Inmitten von Verschwörungstheorien und Argentiniens Gesamtsinnkrise blüht immerhin auch der Spott, da sind Argentinier unschlagbar. "G 20 ohne auswärtige Präsidenten!", lautet eine Empfehlung im Netz - eine Anspielung auf das argentinische Verbot, auswärtige Anhänger in die Stadien zu lassen. Oder: "Trump und Putin fragen, ob man G 20 auch in Uruguay machen kann."

Das wundervolle Buenos Aires hat jetzt nicht nur die breiteste Straße, den breitesten Fluss, das beste Fleisch. Die Metropole ist nicht nur Heimat von Fußballgott Maradona und Papst Franziskus. Sie ist ab sofort auch die Stadt des längsten, vielleicht unendlichen Finales.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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