SSV Jahn Regensburg:Keine ruhige Minute

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Alte Stärken: Erik Wekesser (Mitte) und seine Kollegen vom SSV Jahn praktizierten ihren Stil der effektiven Zerstörung des gegnerischen Spiels. (Foto: dpa)

Die Regensburger setzen den HSV das gesamte Spiel lang unter Stress. Ihre mutige Taktik scheint erst zu scheitern, bringt dann aber noch einen Punkt.

Von Johannes Kirchmeier

Die Zuschauer im Stadion raunten dann natürlich, als der Regensburger Abwehrspieler Marcel Correia sein eigentliches Habitat verließ und plötzlich den Konter seines Teams einleitete. Das Raunen war ein untrügliches Zeichen dafür, dass gleich etwas ganz Großes passieren könnte. Der Zweitliga-Fußballer Correia also rannte am Samstagnachmittag in dieser 69. Minute beim Stand von 1:0 in Richtung des Strafraums des Hamburger SV, er passte den Ball wie ein Spielmacher in den Lauf von Erik Wekesser, der ihn sogleich scharf vors Tor flankte, wo allerdings sein Sturmkollege Marco Grüttner daran vorbeirutschte. Grüttner sprang auf, schüttelte das Tornetz heftig durch und schrie es an. Er wusste, dass er mit seiner misslungenen Rutscher einen perfekten Angriff zu einem fast perfekten gewandelt hatte.

Nach der Partie waren sich der HSV-Trainer Dieter Hecking und Jahn-Coach Mersad Selimbegovic einig: Hätte Grüttner da das Tor getroffen, dann wäre es "schwer geworden" für die Hamburger. Die Aussagen waren mit aller gebotenen Vorsicht formuliert. Sie stehen aber schon gleichbedeutend dafür, dass das Spiel entschieden gewesen wäre. Sechs Minuten nach der vergebenen Chance drehte dann allerdings der wachgerüttelte Hamburger SV das Spiel zum 2:1, die Partie endete 2:2.

Ein Sieg für den Außenseiter Regensburg wäre durchaus verdient gewesen, denn der Jahn hatte den HSV nahezu 90 Minuten lang gar nicht Fußball spielen lassen - wie schon in der Vorsaison, als er 5:0 und 2:1 gewann. "Das war zusammen mit dem Bochum-Spiel (3:1, d. Red.) unsere beste Saisonleistung", sagte Sebastian Stolze, Torschütze zum 1:0. So weit wollte Selimbegovic nicht gehen, aber als immerhin starke Leistung schätzte auch er das Spiel ein. Die Regensburger waren wieder so "unangenehm", wie es Correia von seinen Mitspielern vor der Partie gefordert hatte.

Nach 18 Minuten stand es beispielsweise schon dreimal 2:0 für die Regensburger: in der Eckenstatistik, der Gelbe-Karten-Statistik und bei Lattenschüssen (wenngleich einer davon nach einem Abseitspfiff revidiert wurde). Die Daten stehen dafür, dass der SSV es nach schwereren Wochen und vier Niederlagen in fünf Ligaspielen am Festtag gegen den HSV in der ausverkauften Arena wieder geschafft, sich auf seine Stärken zu besinnen. "Ich glaube, der HSV hatte heute keine einzige ruhige Minute", fand Grüttner. Dieser dauerhafte Stress, den die über den Platz wieselnden und jagenden Jahn-Spieler verursachten, führte dazu, dass die Regensburger vom Anpfiff an den HSV forderten. Grüttners erster Schuss fand ja schon in der ersten Minute an die Querlatte, nach 25 Minuten schickte der unzufriedene Hecking bereits vier mögliche Einwechselspieler zum Aufwärmen.

Der Jahn spielte in etwa so wie in den vergangenen zwei Jahren, als er unter dem Trainer Achim Beierlorzer und Selimbegovic noch als Assistent die Liga durchweg überraschte. Der Auftritt darf daher zumindest als Indiz dafür gelten, dass auch der unerfahrene Selimbegovic durchaus keine schlechte Wahl von Geschäftsführer Christian Keller war. Auch weil er letztlich sogar noch mit einer eigentlich diskutablen Entscheidung richtig lag: Um einen zweiten Treffer zu erzwingen, bot er in den letzten 20 Minuten drei Stoßstürmer auf. Erst ging das schief, da der HSV nach zwei schnellen und fein ausgespielten Gegenstößen durch Sebastian Nachreiners Eigentor (72.) und Aaron Hunt (75.) in Führung ging. Doch zum Schluss traf dann eben noch der eingewechselte Stoßstürmer Andreas Albers unter großem Jubel zum 2:2 (85.). "In den letzten Wochen hat es immer geheißen, wir waren drauf und dran, etwas zu holen, hatten aber am Ende keine Punkte. Deshalb ist es natürlich schon wichtig, auch für die Moral", sagte Grüttner.

Nun bleibt nur das Problem, dass dieser Stil der effektiven Zerstörung des gegnerischen Spiels sich nicht gegen jeden Gegner so gut eignet wie gegen die ballbesitzliebenden Hamburger. Zuletzt beim 1:2 in Dresden hat er sich etwa als deutlich weniger wirkungsvoll herausgestellt, der Jahn ist mit acht Punkten aus acht Spielen nicht im Soll. Auch daher warnte Selimbegovic wohl am Tag nach dem Achtungserfolg davor, sich zu lange über das Erreichte zu freuen: "In jedem steckt noch ein bisserl mehr. Da müssen wir in dieser Woche hart arbeiten." Bei Holstein Kiel soll am Sonntag endlich der erste Regensburger Sieg seit dem ersten Spieltag gegen den VfL Bochum her.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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