SpVgg Greuther Fürth:Weniger von wenig

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"Ich habe Verunsicherung und eine gewisse Angst festgestellt. Und irgendwann ist es einfach die Summe." - Rachid Azzouzi. (Foto: Wolfgang Zink/Imago)

Konditionen, die vor der Corona-Krise möglich waren, sind nicht mehr zu halten: Die SpVgg Greuther Fürth kann beim Wettbieten nicht einmal mehr mit Sandhausen mithalten.

Von Thomas Gröbner

Hokuspokusfidibus, dreimal schwarzer Kater, ein wenig mit dem Zauberstab fuchteln, und dann - Applaus, Applaus - einen Mittelstürmer mit eingebauter Torgarantie an den Ohren aus dem Hut ziehen. So könnte man wohl am einfachsten Daniel Keita-Ruel ersetzen. Aber Rachid Azzouzi findet: "Zaubern ist halt schwer." Die SpVgg Greuther Fürth steht vor einer ziemlich verhexten Spielzeit. "Wir brauchen Spieler, die uns besser machen", fordert Trainer Stefan Leitl. Stattdessen werden es weniger. "Mir sind die Hände gebunden", sagt Rachid Azzouzi, das sei auch für ihn als Geschäftsführer Sport "null befriedigend". Denn der vergleichsweise mickrige Zweitliga-Etat muss weiter zusammengekürzt werden, weshalb Fürth beim Werben um Spieler nicht mithalten kann: Marktübliche Angebote machen für neue Stammkräfte? "Stand jetzt" nicht drin, sagt Azzouzi. Beim Trainingsauftakt am Sonntag fehlte dann zum Beispiel Maximilian Wittek (ablösefrei in die Niederlande zu Vitesse Arnheim), Kapitän Marco Caligiuri (kein neuer Vertrag, Karriereende) und Angreifer Daniel Keita-Ruel (ablösefrei zum SV Sandhausen). Eine Achse hat Fürth verlassen; wichtige Fixpunkte im Spiel, die auch in der Kabine zu den Anführern gezählt hatten, fehlen. Transfererfolge? Bisher nichts zu vermelden.

Dafür gibt es die bittere Erkenntnis gratis: Wirtschaftlich kann Fürth nicht mal mehr mit Konkurrenten wie Sandhausen mithalten, die sportlich auf Augenhöhe sind. Siehe Daniel Keita-Ruel, der Angreifer, den Fürth aus der dritten Liga geholt hatte. Eine Option auf Vertragsverlängerung hatte der Verein, doch Konditionen, wie sie vor der Corona-Krise möglich waren, sind für Fürth nicht mehr zu halten. Dabei stand die Verbindung SpVgg und Keita-Ruel exemplarisch für den Fürther Weg, die Nischen und Ecken abzusuchen nach Spielern, an die so recht niemand mehr glauben will. Nach einer Gefängnisstrafe holte Fürth Keita-Ruel aus der dritten Liga, schnell gelang der Durchbruch: 19 Tore in 57 Zweitligaspielen, es schien zu passen. Und trotzdem kamen beide Seiten nun nicht mehr zusammen.

Die Stadt übernimmt die Hälfte der Pacht für das Stadion für zwei Spielzeiten - "ein tolles Signal"

Denn das Zeitfenster für gut dotierte Verträge ist für Profis klein, besonders mit einer Biografie wie jener von Keita-Ruel. Der 30-Jährige wird in Sandhausen wieder mit seinen ehemaligen Trainer Uwe Koschinat arbeiten, unter dem er bereits bei Drittligist Fortuna Köln spielte. Und Azzouzi muss sich wieder auf die Suche begeben. Was die Sache noch schwieriger macht: Auch unterhalb der Bundesliga geht die Schere mittlerweile weit auseinander. Neun Millionen betrug in Fürth der Spieleretat, weniger Geld hatten in der abgelaufenen Saison vielleicht noch Osnabrück und Regensburg zur Verfügung, glaubt Azzouzi. Nun müssen wohl 15 Prozent eingespart werden. Zum Vergleich: Der HSV hantierte zuletzt mit 30 Millionen, was auch diesmal nicht reichte zum Aufstieg.

Weniger von viel ist nicht so schmerzhaft wie weniger von wenig, und so muss Azzouzi in Fürth mal wieder den "Gürtel enger schnallen" und hoffen, dass dabei nicht die Luft wegbleibt. Die Not der Spielvereinigung hat auch die Stadt erkannt: Die Hälfte der Pacht für das Stadion - 440 000 Euro pro Jahr - übernimmt Fürth für zwei Spielzeiten, "ein tolles Signal", darüber freut sich Azzouzi.

Der wirtschaftliche Einschnitt fällt in eine Zeit, in der die SpVgg sich gerade wieder zu einem Team mit fußballerischer Kontur und Identität entwickelt hatte. Lange konnte Fürth sogar Kontakt zu den Spitzenplätzen halten, bis der Einbruch nach der Corona-Pause folgte - und das Kleeblatt zurückfiel auf Platz neun. Nun dürfte es schwierig werden, das Niveau zu halten - geschweige denn, die Entwicklung weiter voranzutreiben. Julian Green, Paul Jaeckel und Maximilan Bauer sollen in Zukunft das Team prägen, dazu sollen vier Zugänge kommen, um die Konkurrenz zu beleben und die Lücken zu stopfen. Die Zeit für Schnäppchen ist noch nicht gekommen, und so versucht Azzouzi, auf Zeit zu spielen. Die Preise dürften im Herbst fallen, je näher das Ende der Transferzeit am 5. Oktober rückt, bis dahin will man in Fürth noch "den ein oder anderen abgeben", um Platz auf der Gehaltsliste zu schaffen. Und um am Ende doch noch eine Überraschung aus dem Hut zu zaubern.

© SZ vom 03.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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