SpVgg Greuther Fürth:Der Tellerwäscher

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Gegen Mönchengladbach statt gegen Großgründlach: Dickson Abiama (rechts) in einem Testspiel im Zweikampf mit Oscar Wendt. (Foto: Wunderlimago images/Beautiful Sports)

Nachdem Dickson Abiama aus Nigeria nach Franken kam, hat er in Mögeldorf in der Kreisklasse Fußball gespielt. Das war 2018. Jetzt trifft er für den Zweitligisten Fürth.

Von Sebastian Leisgang

Peter Hahn wusste es von Anfang an. Er wusste es schon damals, vor drei Jahren, als die SpVgg Mögeldorf gegen Mannschaften wie den ASN Pfeil Phönix und die Sportfreunde Großgründlach spielte, Kreisklasse Nürnberg/Frankenhöhe, Staffel 4, weniger als hundert Zuschauer, fernab des Fußballs, in dem es professionell zugeht. Hahn aber erkannte schon in diesen Tagen das Große im Kleinen: dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis dieser Junge mit der Nummer 11 Großes vollbringen wird, wenn ihm Mögeldorf zu klein geworden ist.

"Man hat sofort gesehen, was Dickson kann", sagt Hahn heute und meint: Man hat sofort gesehen, dass dieser Dickson schon bald nicht mehr gegen Pfeil Phönix und Großgründlach spielen wird.

Es ist ein warmer Tag, Dickson Abiama, 21, sitzt in einem großen Raum im ersten Stock des Fürther Ronhofs. Er hat gerade einen Videodreh hinter sich, jetzt fällt die Mittagssonne hinter ihm auf den Stadionrasen und beleuchtet ihn wie eine Bühne. Abiama trägt ein graues Trainingsshirt, das mehr ist als ein graues Trainingsshirt. Es ist, wie das Wappen der SpVgg Greuther Fürth zeigt, der Beleg, dass Hahn Recht behalten hat: Abiama spielt bald, wenn alles gut geht, gegen Fortuna Düsseldorf und den Hamburger SV.

"Bis jetzt ist alles super gelaufen", sagt Abiama und erzählt dann seine Geschichte, die gerade deshalb eine gute ist, weil sie eine Tellerwäscher-Geschichte ist. Weil sie warm ist, obwohl sie doch mitten im unterkühlten Fußballbetrieb spielt.

Bis vor gut vier Jahren lebte Abiama bei seinem Onkel und seiner Tante in Lagos, der größten Stadt Nigerias, zeitweise auch bei seiner Oma und seinem Opa. 2016 zog er dann zu seinen Eltern, die schon seit Jahren in Deutschland wohnen und arbeiten. In seinen ersten Wochen in Mögeldorf kannte er niemanden, tagsüber saß er meistens zu Hause, abends ging er alleine auf den Bolzplatz, schoss mit einem Ball gegen eine Wand, übte Finten.

Nach einigen Wochen ging er zur SpVgg Mögeldorf zum Training, empfahl sich im Nachwuchs für die erste Mannschaft und schoss dann, in seinem ersten Jahr bei den Männern, 27 Tore. Es zog ihn in die Landesliga zur SG Quelle Fürth, dann zum SC Eltersdorf in die Bayernliga und nun also, im Sommer 2020, zur Spielvereinigung. In zwei Jahren aus der Kreisklasse in die zweite Bundesliga: Es ist ein aufsehenerregender Aufstieg, den Abiama hingelegt hat.

Azzouzi erkennt "eine gewisse Demut und Bescheidenheit", die Nachwuchsspielern oft fehle

Ein Anruf bei Rachid Azzouzi, dem Fürther Geschäftsführer, der Abiama zu dem Schritt in den professionellen Fußball verholfen hat. Was macht den Jungen aus? Wie gibt er sich in der Kabine? Und wie hat er sich in den ersten Wochen an der Seite von gestandenen Spielern wie Branimir Hrgota, Havard Nielsen und Julian Green geschlagen? Azzouzi nutzt die Gelegenheit, um Abiama als Beispiel für die gute Fürther Arbeit der vergangenen Jahre heranzuziehen. Der Angreifer habe sich vor Angeboten kaum retten können. Dass er sich letztlich für die Spielvereinigung entschieden habe, dokumentiere, dass Fürth wieder auf dem rechten Weg sei, sagt Azzouzi, und spricht dann über dieses Testspiel vor gut einem Jahr, bei dem Abiama für Eltersdorf gegen Fürth getroffen und damit auf sich aufmerksam gemacht hat. "Ich war bei diesem Testspiel nicht dabei", erzählt Azzouzi, "aber ich habe danach von mehreren Seiten gehört, dass da ein Junge dabei war, der es gut gemacht hat."

Azzouzi sagt: gut gemacht. Er meint aber: derart gut gemacht, dass er nicht viel Zeit vergehen ließ, ehe er Kontakt mit Eltersdorf aufnahm und das ernsthafte Fürther Interesse an Abiama hinterlegte. Im Winter flog der Nigerianer schließlich mit ins Trainingslager nach Belek, später trainierte er gelegentlich mit. Inzwischen hat Abiama, der Junge aus Mögeldorf, einen Vertrag bis 2022 unterschrieben und ist ein fester Teil des Fürther Kaders.

"Dickson fordert null Komma null ein, gibt aber immer alles", sagt Azzouzi. Und, das ist ihm besonders wichtig zu betonen: "Ich erkenne bei ihm eine gewisse Demut und Bescheidenheit, die den Jungs im Nachwuchsleistungszentrum oft fehlt, weil sie zu schnell hochgejubelt werden." Abiama aber sei ein sehr zurückhaltender junger Mann, reserviert, ungemein strebsam und ehrgeizig. Und, was ihn auf dem Feld ausmacht: "Dickson spielt sehr intuitiv, er ist ein richtiger Straßenfußballer."

Ob Abiama also auch dann eine Option ist, wenn der Ernstfall eintritt? Wenn es um Punkte geht und die Gegner Fortuna Düsseldorf und Hamburger SV heißen? "Es gibt kein Limit - in keine Richtung", sagt Azzouzi, "bei uns zählt der Name nichts, nur das, was ein Spieler abliefert. Und das ist bis jetzt ordentlich." In den Testspielen gegen Unterhaching, Regensburg und den österreichischen Erstligisten Altach hat Abiama getroffen, am Samstag spielt Fürth gegen den Oberligisten Meinerzhagen. Es ist das erste Pflichtspiel der Saison, DFB-Pokal, Runde eins. Eine Stunde vor dem Anstoß wird der Spielberichtsbogen auf der Pressetribüne verteilt werden. Darauf, das ist nun abzusehen, dürfte auch der Name des Jungen aus Mögeldorf zu finden sein: Dickson Abiama.

© SZ vom 10.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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