Sport und Terror:Der Fußball wird es überleben

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Thomas de Maizière und Reinhard Rauball auf der Pressekonferenz am Dienstag in Hannover - der Fußball werde sich verändern, findet der Interimspräsident des DFB. (Foto: REUTERS)

Dass der Fußballbetrieb sich durch die Terror-Ereignisse dramatisch verändern wird, ist eine unbegründete Annahme. Die Geschichte zeigt, dass es immer weitergegangen ist.

Kommentar von René Hofmann

Als am 11. September 2001 bei Terroranschlägen in den USA mehrere tausend Menschen ums Leben kamen, reagierte der Sport auf eine sehr eigene Weise. Die europäische Fußball-Union ließ am Abend ihre Champions-League-Partien anpfeifen, als sei nichts gewesen: The Games must go on! Das sture Festhalten an den gewohnten Mustern zog viel Kritik auf sich. Fußball zu spielen, während die Trümmer des World Trade Centers noch rauchten - das ging vielen zu weit.

Die Frage, wie der Sport auf den Terror reagieren sollte, stellte sich nach den Anschlägen am Freitag in Paris erneut. Die französische Nationalelf beschloss zügig: Wir spielen am Dienstag in London gegen England, jetzt erst recht. Die deutsche Auswahl zeigte sich zögerlicher. Erst am Sonntag reifte ihr Entschluss, am geplanten Test am Dienstag in Hannover gegen die Niederlande festzuhalten. Eine übereilte Entscheidung kann den Beteiligten niemand vorwerfen; dass einige das Freundschaftsspiel anschließend mit einer besonderen Symbolik aufluden, mag mancherorten Befremden hervorgerufen haben.

Andererseits: Was hätten die Fußballer denn sonst tun sollen? Die Partie war nach den Schüssen und Explosionen in Paris für sie natürlich eine besondere. Und die Überhöhung des Spiels war ihnen ja auch aus Berlin diktiert worden: Von dort wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einigen ihrer wichtigsten Minister zu einer Fan-Reise aufbrechen.

Ein Zeichen gegen den Terror. Ein Fanal für die Freiheit. Eine Demonstration der Spielfreude. Die Partie war vielfach aufgeladen worden. Vor allem deshalb war die Absage ein solcher Wirkungstreffer. "Mein Eindruck ist, dass der Fußball in Deutschland mit dem heutigen Tag in vielen Facetten eine andere Wendung bekommen hat", hat Reinhard Rauball, der Interims-Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, in Hannover gesagt. Das klang dramatisch.

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Der Klassiker gegen die Niederlande sollte ein Symbol für die Freiheit werden - das Gegenteil war der Fall. Die Folgen für die Weltmeister sind unabsehbar.

Es klang wie: Ab heute ist nichts mehr, wie es war. Die Wortwahl ist verständlich. Sie war geprägt von den Eindrücken, unter denen Rauball stand: Zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen war die bedeutendste Fußballmannschaft des Landes unmittelbar mit dem Terror konfrontiert worden und ihre Fans waren keine zwei Stunden vor dem Anpfiff eilig aus der Arena geschickt worden. Wirklich treffend aber waren Rauballs Worte nicht.

Dieser Dienstag markiert einen Wendepunkt: Zum ersten Mal wurde ein sportliches Großereignis in Deutschland wegen einer Terrordrohung abgesagt. Eine ganz neue Zeitrechnung aber bedeutet das nicht. Die begann 1972, bei den Sommerspielen in München, als Palästinenser ins Olympische Dorf kletterten, israelische Athleten als Geiseln nahmen und töteten. Damals wurde der Sport tatsächlich erstmals das Opfer eines Terroraktes. Die Sicherheitsvorkehrungen bei den Olympischen Spielen änderten sich daraufhin, die Spiele selbst aber gibt es immer noch. Auch Fußball vor einem großen Publikum wird es weiter geben. Das Spiel ist so faszinierend, dass es auf Dauer kaum zu stoppen ist. Der Sport ist damit schon groß genug. Eine weitere Bedeutungssteigerung braucht er nicht.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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