Sport-Lexikon (1): Plica-Sehne:Die Schleimhautfalte

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Der FC Bayern muss vier Wochen ohne Arjen Robben auskommen. Welch ein Ärger: Seine malade Sehne im Knie hat keinerlei Funktion - sie tut einfach nur weh.

Carsten Eberts

Es gab Zeiten, da war eine Knieverletzung schlimm, eben weil sie eine Knieverletzung war. Man sprach von lädierten Menisken, gerissenen Kreuzbändern, zum Karriereende hin von schmerzhaften Knorpelschäden. Typische Fußballerverletzungen eben, unter denen sich jeder etwas vorstellen kann, die nicht weiter hinterfragt wurden. Denn: Knie = schlimm.

Heute - das lehrt nun der Fall Arjen Robben - sind Knieverletzungen viel komplizierter. Aus einem einfachen Grund: Sie klingen komplizierter. Michael Ballack verpasste bei der WM 2006 etwa das Spiel um Platz drei wegen einer entzündeten Sehne des Musculus semimembranosus, was unglaublich fatal klingt. Früher hätte einfach seine Kniekehle geschmerzt. Sebastian Deisler sagte selbige WM gleich ganz ab, nicht weil er sich seinen Knorpel im Knie verletzte, sondern gleich ein ganzes Stück "absprengte". Abseits des Knies erstaunte der damalige Karlsruher Mike Franz, der im Herbst 2008 wegen eines Fersenödems monatelang pausieren musste. Dass ein solches Ödem existiert und einem Verein sogar den Abstieg bescheren kann, wussten auch die Karlsruher bis dahin nicht.

Nun also Robben: Vier Wochen Pause wegen einer Verletzung der inneren Plica-Sehne im rechten Knie. Auch Schleimhautfalte genannt.

Sein Trainer Louis van Gaal hatte noch mit der Möglichkeit eines Kreuzbandrisses schwarzgemalt. Er wird nun froh sein, dass Robben nur mit diesem Schleimhautdings zu kämpfen hat, von dem noch kein Mensch gehört hat. Durch jedes menschliche Knie verlaufen drei dieser Schleimhautfalten - über, auf und unter der Kniescheibe. Die mittlere (Plica mediopatellaris) ist besonders groß und damit reizbar. Klemmt sie sich zwischen Kniescheibe und Oberschenkel ein, wie durch Arjen Robbens ungelenke Drehbewegung kurz vor der Halbzeitpause, muss zwangsläufig operiert werden.

Zwei Möglichkeiten nennt der Münchner Orthopäde und Sportmediziner Ralf Linke: eine Operation mit einer motorgetrieben Fräse oder die harmlosere Variante mittels elektrothermischer Sonde, also mit Strom. "Die OP dauert nicht länger als 10 oder 15 Minuten", sagt Linke. An schrittweisem Aufbau der Beweglichkeit und Belastbarkeit des Knies kommt der Holländer trotzdem nicht drumherum. Und das dauert nunmal zwei bis vier Wochen. Das wissen auch der Frankfurter Alexander Meier, Romeo Castelen vom HSV oder Ex-Bayer Willy Sagnol. Auch ihnen ist die Schleimhautfalte ein Begriff.

Das Ärgerlichste an Robbens Verletzung ist, dass die Plica-Sehnen im Knie keinerlei Funktion haben. Ein Kreuzband gewährleistet gemeinsam mit Menisken, Seitenbändern und Muskeln die Stabilität im komplizierten Konstrukt Knie. Die Schleimhautfalte hingegen braucht kein Mensch. Sie kann einfach entfernt werden, ist so etwas wie ein evolutionsgeschichtliches Relikt. Ralf Linke erklärt eine gängige Theorie, wonach sich das Knie im Mutterleib nicht am Stück, sondern in verschiedenen Kammern entwickelt. Die Seitenwände dieser Kammern bilden sich jedoch meist nicht vollständig zurück, sondern hinterlassen solche Schleimhautfalten. Die sind vollkommen nutzlos, können nur verdammt weh tun.

Und bestätigen dem FC Bayern, dass Neuzugang Robben in der Tat ein verletzungsanfälliger Spieler ist.

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