Spielvereinigung Greuther Fürth:Die Gerupften vom Parkplatz

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Aufbruch! Für Justin Hoogma (von links), Nils Seufert, Branimir Hrgota und Adrian Fein begann die Saison mit einer Pokalniederlage gegen Babelsberg (Foto: Wolfgang Zink/imago images/Zink)

Trotz einer Pannenvorbereitung will sich Aufsteiger Fürth weder von der eigenen Historie verrückt machen lassen noch von all den Prognosen, die den Außenseiter bereits vor dem ersten Spieltag abschreiben.

Von Thomas Gröbner, München/Fürth

Es ist ja sinnvoll, nochmal dorthin zu gehen, wo Wunder zum Kerngeschäft gehören. Nach dem ersten wundersamen Aufstieg in die Bundesliga 2012, "da sind die Grenzen zwischen Himmel und Erde durchlässig geworden", erinnerte sich Dekan Jörg Sichelstiel. Kleeblatt-Fahnen wehten auf dem Fürther Friedhof, "viele Menschen sind zum Grab gegangen und haben der Verstorbenen gedacht", sagte er den Fürther Nachrichten.

Auch diesmal sucht man die Nähe zum Himmlischen, man weiß in Fürth, dass mit irdischen Mitteln alleine kaum die Klasse zu halten ist. Vor dem Bundesliga-Auftakt gegen Stuttgart wurde dem Kleeblatt in der Kirche St. Michael in Fürth deshalb ein Gottesdienst gewidmet. Mittelfeldspieler Hans Nunoo Sarpei las Psalmen vor, der Stadionsprecher Julian Pecher klimperte "Halleluja". Man wird den Beistand nötig haben, das gilt als gesichert in der Branche.

Denn der Spielvereinigung ist in allen Prognosen ein Abstiegsplatz reserviert, das Kleeblatt gilt als abgeschrieben schon vor dem ersten Anstoß. Konfrontiert mit solchen düsteren Weissagungen, lässt sich Trainer Stefan Leitl auf der Pressekonferenz vor dem Auftakt am Samstag nur ein Schmunzeln entlocken: "Ich bin jetzt seit 2019 hier", sagt Leitl, "und vor jeder Saison waren wir ein klarer Abstiegskandidat." Die Frage ist ja, wie man es angeht, dieses Abenteuer. Die Antwort könnte lauten: Bloß keine großen Sprünge machen. Damit der mögliche Absturz leichter abzufedern ist.

2012 trug der Zauber des Anfangs das Team in die Bundesliga. Und diesmal?

Die große Euphorie, die unter Mike Büskens 2012 um sich griff, ist so diesmal nicht zu spüren am Laubenweg. Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger kam damals eingeflogen aus der USA, die bayerische Politprominenz warf sich grün-weiße Schals um, getragen wurde alles vom Zauber der ersten Male. Aber die Utopie wurde schnell eingeholt von der Realität, damals wie heute begann die Erstliga-Saison mit einer Pokal-Pleite gegen einen unterklassigen Gegner. In der Gegenwart gegen den Viertligisten Babelsberg, damals immerhin gegen einen Drittligisten, Offenbach. Zum Start folgte ein tapfer erkämpftes 0:3 gegen den FC Bayern München inklusive des historischen ersten Eigentors der Fürther. Besser wurde es nicht mehr, das Abenteuer Bundesliga ging auf dem letzten Platz ohne einen Heimsieg zu Ende. Der wird ihnen auch am Wochenende nicht vergönnt sein - schließlich starten sie auswärts, in Stuttgart (15.30 Uhr).

Große Namen unter den Zugängen sucht man vergebens

Der VfB dort ist nicht nur Gegner, sondern auch Vorbild, sagt Leitl, auch wenn er finanziell besser ausgerüstet ist. "Sie sind den Weg in der zweiten Liga über die jungen Spieler gegangen", ergänzt mit drei, vier erfahrenen Männern, dazu "Potentialspieler". Stuttgart drang so zuletzt bis auf Platz neun vor. Gegen den VfB gelte es nun, schnell das Tempo der Bundesliga aufzunehmen, fordert Leitl. Der Druck des Wettbewerbs soll die Spieler ins Bundesligaformat pressen. Über nennenswerte Erfahrung in Liga eins verfügt nämlich nur Kapitän Branimir Hrgota.

Denn Sportchef Azzouzi wollte die Aufstiegsmillionen nicht in Beine investieren, und so hat Fürth bisher zurückhaltend am Transfermarkt operiert und keinen Cent Ablöse bezahlt. Große Namen sucht man vergeblich unter den Zugängen: Gideon Jung (ablösefrei vom HSV) und Justin Hoogma (Leihe aus Hoffenheim) verstärken den Abwehrverbund. Im Mittelfeld soll Adrian Fein zusätzliche Stabilität bringen, nach Leihen nach Regensburg, zum Hamburger SV und Eindhoven reichte der FC Bayern ihn nun nach Fürth. Dazu kommen Nils Teufert (Bielefeld) und Max Christiansen (Mannheim). Pech hatte Stürmer Jessic Ngankam (ausgeliehen von Hertha BSC): Der 21-Jährige riss sich jüngst das Kreuzband und wird lange ausfallen.

Auch die Vorbereitung war durchsetzt von Pleiten, Pech und Pannen. Im Trainingslager mussten sie auf dem Parkplatz trainieren, weil in Tirol die Trainingsplätze abgesoffen waren, es gelang kein Testspielsieg und dann ging die Generalprobe im Pokal in die Hose. Es wirkt fast so, als käme der Bundesliga-Start für das gerupfte Kleeblatt zu früh. Drei U21-Europameister musste Fürth an die Konkurrenz abgeben, darunter Linksverteidiger David Raum (zu Hoffenheim), der beste Vorlagengeber der zweiten Liga (15 Assists): in Verteidiger Paul Jaeckel (Union Berlin) und Anton Stach (Mainz) gingen zwei weitere juvenile Stützen.

Die guten Nachrichten: In Havard Nielsen, Marco Meyerhöfer und Luca Itter sind wichtige Bausteine wieder einsatzfähig, zählte Leitl auf. Und dann sagte er, ganz so, als müsse er es nochmal allen und sich selbst versichern: "Wir werden alles dafür tun, um in dieser Liga zu bleiben." Alleine schon um der Genugtuung willen, jene zu widerlegen, die Fürth schon abgeschrieben haben.

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