Speerwerfen:Drei Deutsche jagen eine Goldmedaille

Lesezeit: 3 min

Medaillenträume: Die Speerwerfer Johannes Vetter, Thomas Röhler und Andreas Hofmann (von links). (Foto: dpa)
  • Johannes Vetter, Thomas Röhler und Andreas Hofmann führen die Jahresbestenliste der Speerwerfer an. Sie gelten als Favoriten auf den WM-Titel in London.
  • Doch hinter dem Trio lauern etliche Athleten, die ebenfalls gewinnen können.
  • "Um aktuell im Speerwerfen zu gewinnen, muss man weit werfen", sagt Olympiasieger Röhler.

Von Joachim Mölter, London

Falls Thomas Röhler nicht weiß, was er mal machen soll nach seiner Sportkarriere: Politiker ist eine Option. Der Speerwurf-Olympiasieger aus Jena kandidiert derzeit bei der Wahl zur Athleten-Kommission des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, die noch bis zum Ende der WM in London dauert; das ist schon mal ein prima Probelauf. Röhler kann ja nicht nur den 800 Gramm schweren Speer weit werfen. Er ist, wie er selbst sagen würde, "andererseits" auch in der Lage, Pro und Kontra zu analysieren, verschiedene Perspektiven einzunehmen und alle Aspekte zu berücksichtigen, um zu einem ausgewogenen Urteil zu gelangen und das dann auch noch geschliffen zu formulieren.

Wenn der 25-Jährige zum Beispiel über den Anlauf beim Speerwerfen referiert, unterscheidet er fein zwischen "maximal schnell" und "optimal schnell". Das erste ergibt keinen Sinn in seiner Disziplin, das zweite ist ein fließender Prozess, "denn die Technik muss ja auch noch realisiert werden", erklärt Röhler, "und dafür wird das Zeitfenster umso kürzer, je schneller ich anlaufe". Andererseits: "Wenn's klappt, fliegt der Speer weiter - das ist halt das Risiko." Und das gilt es abzuwägen, wenn die Speerwerfer am Donnerstag (ab 20 Uhr/MESZ) zur Qualifikation und dann am Samstag (21.15 Uhr) zum Finale antreten.

Leichtathletik-WM
:Ich? Weltmeister?

Die anderen bibbern, Karsten Warholm fühlt sich wohl: In der Londoner Kälte gewinnt der Norweger WM-Gold über 400 Meter Hürden. Und reagiert mit Witzen über seine Heimat.

Von Saskia Aleythe

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat das Risiko zunächst mal minimiert, als seine drei Speerwerfer am Montag in London eingeschwebt sind: Weil im Teamhotel ein Virus umging und etliche Athleten lahmlegte, wurden Thomas Röhler, Johannes Vetter (Offenburg) und Andreas Hofmann (Mannheim) umquartiert. Diese drei führen die Weltjahresbestenliste an, Vetter mit seinem deutschen Rekord von 94,44 Metern vor Röhler mit seiner zwischenzeitlichen DLV-Bestmarke von 93,90 vor Hofmann mit 88,79. Jeder für sich ist eine Medaillenhoffnung - es darf bloß keiner krank werden.

Der DLV könnte ein paar vorzeigbare Erfolge gebrauchen; in der ersten WM-Hälfte ließ nur die Siebenkämpferin Carolin Schäfer (Frankfurt) Silber in die Schmuckschatulle einfließen. Es gab zwar respektable Leistungen, aber die Halbzeitbilanz des DLV lässt sich so ausdrücken, wie es die Speerwerferin Katharina Molitor nach ihrem Wettkampf am Dienstagabend getan hat: "Ich bin weder glücklich noch unglücklich. Es war einfach okay." Die Titelverteidigerin hatte in der Qualifikation Saisonbestleistung erzielt mit 65,37 Meter; im Finale kam sie auf 63,75, ihre zweitbeste Weite dieses Sommers. "Irgendwie ist es falsch rum gelaufen", fand die 33-Jährige: "63 Meter in der Quali und 65 im Finale wären optimal gewesen." So rum hätte es für Bronze genügt, andererseits reichte es nur zu Platz sieben.

"So viele Medaillen wie möglich" sind das Ziel

Nun sollen ihre männlichen Kollegen die Bilanz aufwerten. Der Bundestrainer Boris Obergföll sagte schon vor der WM, das Ziel sei, "so viele Medaillen wie möglich" zu gewinnen, er glaubt aber auch: "Drei werden es nicht sein." Röhler weiß, dass sich die Erwartungen der Öffentlichkeit an den Vorleistungen orientieren; "andererseits", gibt er zu bedenken - und er benutzt dieses Wort tatsächlich oft -, "müssen wir uns bewusst sein, dass der Rest der Welt genauso motiviert antritt wie wir".

Die Werfer unterscheiden generell zwei Arten von Wettkämpfen: die einen auf offenen Wiesen, wo sie bei günstigen Winden auf Weitenjagd gehen können; die anderen in geschlossenen Arenen, wo sie eher Siege und Platzierungen anvisieren. "London ist ganz klar ein Gewinn-Wettkampf", sagt Thomas Röhler. Andererseits: "Um aktuell im Speerwerfen zu gewinnen, muss man auch weit werfen. Das Feld ist so eng zusammen."

Auch wenn Vetter und Röhler die 90-Meter-Marke in diesem Jahr deutlich übertroffen haben - so weite Würfe sind selten. Und hinter Hofmann und seinen 88,79 folgt ein halbes Dutzend Werfer im Abstand von weniger als einem Meter. Olympiasieger Röhler hat diese Konkurrenz zu spüren bekommen in diesem Jahr, bei der Team-EM in Lille unterlag er dem Tschechen Jakub Vadlejch und dem Griechen Ioannis Kiriazis, weil sein Speer immer wieder von Windböen zur vorzeitigen Landung gezwungen wurde.

Dieses Problem wird er in London nicht haben, auch mit dem bei einer WM gewöhnlich harten Bahnbelag sollte er zurechtkommen, anders als bei den Meetings in Offenburg oder Monaco, als ihm der weiche Untergrund das kräftige Abstemmen vor dem Abwurf erschwerte. Andererseits: Mit äußeren Bedingungen zurechtzukommen, gehört halt zu einer Freiluft-Sportart dazu. Röhler mag das ja auch. "Das ist wahrscheinlich wie bei einem Piloten", glaubt er, "für den ist das Fliegen auch eine Herausforderung, wenn ein bisschen Sturm und Regen dazukommt."

Wie auch immer die Bedingungen sein sollten bei dieser WM - die deutschen Speerwerfer haben für alle Fälle einen Mann: Einerseits den schlanken Röhler, der seine Kraft aus der Anlaufgeschwindigkeit generiert, andererseits die Wuchtbrumme Hofmann, "der Mächtige", wie Röhler sagt, "der mit dem wenigsten Anlauf am weitesten kommt von allen". Und zwischendrin, zwischen einerseits und andererseits, ist Vetter, der sich selbst als "Zwischending" bezeichnet, einen "Mix aus technischer Feinheit und Power". Damit sind alle Aspekte abgedeckt, die der DLV zu einem ausgewogenen Ergebnis im Speerwerfen braucht.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Stabhochsprung
:Die Tränen des Renaud Lavillenie

Der Stabhochsprung-Weltrekordler wurde bei Olympia in Rio als Zweiter ausgepfiffen. In London bei der WM gewinnt er Bronze und wird gefeiert. Das rührt den Franzosen.

Von Saskia Aleythe

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: