Ski alpin:Über Rebensburg regnet es Champagner

Lesezeit: 3 min

Sieg in Sölden: Viktoria Rebensburg hat Grund sich zu freuen. (Foto: Dominic Ebenbichler/Reuters)
  • Viktoria Rebensburg saust beim Riesenslalom in Sölden den Gletscher hinunter - so schnell wie keine andere Fahrerin.
  • Nur beim Champagner-Entkorken hat sie dann einen deutlichen Rückstand.

Von Johannes Knuth, Sölden

Viktoria Rebensburg steckte dann ein bisschen in Schwierigkeiten. Von rechts kam Tessa Worley, die Zweite, von links Manuela Mölgg, die Dritte. Nur Rebensburg, die gerade den Riesenslalom von Sölden gewonnen hatte, hatte ihre Schampusflasche bei der Siegerehrung noch nicht entkorkt. "Eigentlich bin ich ja ein Profi", sagte Rebensburg später, bei Familienfesten sei sie stets zuständig, die großen Flaschen zu öffnen. Andererseits lag ihr bis dato letzter Besuch auf der höchsten Erhebung eines Weltcup-Podiums eineinhalb Jahre zurück. Da kommt man bei diesem fröhlich-behördlichen Akt im Ziel schon mal aus der Übung.

Irgendwann, mit handgestoppten 20 Sekunden Rückstand auf die Konkurrenz, kam Rebensburg doch noch ihrer Pflicht nach. Alle bekamen etwas ab, Worley, Mölgg, Rebensburgs Teamkolleginnen, die im Zielraum gewartet hatten, die Betreuer, der neue Cheftrainer Jürgen Graller. Das Personal im deutschen Frauen-Ressort hatte in den vergangenen Jahren nicht allzu vielen Zeremonien beigewohnt, da tat ein Champagnerregen beim ersten Weltcup des Winters ganz gut. Champagner zum Auftakt?

Vieles gelaufen, aber wenig nach Plan

Sie hatten im Deutschen Skiverband vielleicht heimlich gehofft auf diesen "hammermäßigen" Erfolg, wie Rebensburg ihn am Samstag immer wieder klassifizierte. Aber fest eingeplant hatte sie ihn sicher nicht. Da war zum einen Rebensburgs eineinhalbjähriger Sabbatical, sie hatte zuletzt im März 2016 einen Weltcup gewonnen, einen Riesenslalom in St. Moritz. Zwischen damals und jetzt lag zum anderen ein Winter, in dem für die 28-Jährige vieles gelaufen war, aber wenig nach Plan.

Sie brachte anschließend eine gute Vorbereitung hinter sich, anders als in den Wintern zuvor, als sie sich vor Sölden mal verletzte, mal mit der Abstimmung ihres Materials haderte. Aber so ein stimmiger Sommer hat auch seine Tücken, weil der Fahrer unbedingt zeigen will, was er eingeübt hat - auf der schweren Gletscherrampe in Sölden aber "die Gelassenheit bewahren muss", wie Rebensburg sagte. "Von der Anspannung her", fand sie, "war das mit das Extremste für mich."

Ski alpin in Sölden
:"Das ist echt hammermäßig, das wird eine tolle Heimfahrt"

Ein hervorragender Auftakt in die Skisaison: Beim Riesenslalom in Sölden saust Viktoria Rebensburg am schnellsten hinunter.

Sölden hatte die Skiprofis würdig empfangen, eine Schneedecke hatte sich wie Puderzucker über den Gletscher gelegt. Die Windböen, die am Samstag über den Hang rauschten, zwangen die Jury allerdings dazu, den Start nach unten zu verlegen, direkt vor den 65 Prozent steilen Mittelbau. Das trieb dann sogar einige Favoriten in die Verzweiflung. Rebensburg gelang zunächst die beste Darbietung im Steilen, sie warf es dafür in der Ausfahrt zum Flachstück fast aus dem Kurs - dort, wo die Fahrerin ihr Tempo ins Flache retten muss, eine Torfolge über Gut und Schlecht richtet. Trotzdem Platz drei für die Deutsche, nicht mal eine halbe Sekunde trennten sie von der Italienerin Mölgg, der Klassenbesten im ersten Lauf.

Auch die anderen verstrickten sich in Probleme: Mikaela Shiffrin, die favorisierte Amerikanerin, lag bloß zwei Zehntel vor Rebensburg, die Italienerin Sofia Goggia schied aus. Auch die beiden Überraschungsgäste scheiterten an der Versetzung in den zweiten Lauf: Die Schweizerin Lara Gut, die sich erst am Freitag in die Startliste eingetragene hatte, trieb es in der Haarnadel aus dem Kurs. Und Lindsey Vonn, die Expertin fürs Schnelle, die wegen des ausgedünnten Starterfelds ein paar Punkte für einen besseren Startplatz bei Olympia hatte sammeln wollen, war zu langsam. Platz 34.

Dann war es Worley, die Weltmeisterin vom vergangenen Frühjahr, die im zweiten Lauf die Referenz setzte. Rebensburg fuhr wieder auf ihre Weise, leicht in Rücklage, aber technisch sauber und unaufgeregt. Keine schlechte Idee sein auf einem derart steilen Hang. Diesmal saß auch die Ausfahrt ins Flachere - Platz eins, 14 Hundertstelsekunden vor Worley. Zwei standen noch oben, Shiffrin, die sich aber zu sehr ins Risiko warf, von der Linie getragen wurde, Platz fünf. Auch Mölgg leistete sich im Steilen ein paar Unsauberkeiten, das war zu wenig, um ihre drei Zehntel Guthaben zu verteidigen. Die Italienerin wartet weiter auf ihren ersten Sieg im Weltcup, mit 34 Jahren.

"Sie hat einfach Gaudi beim Skifahren"

Rebensburg wiederum pumpte ihren 14. Erfolg nicht mit zu viel Bedeutung auf. "Das ist ein guter Start, aber in vier Wochen geht es erst so richtig los", sagte sie, mit der Nordamerika-Tournee in Killington. Andererseits: Diesmal reiste sie nicht mit einem Gepäck voller Fragen aus Sölden ab, sondern mit vielen Antworten. Zum Beispiel, dass es richtig gewesen war, nach der lauwarmen Vorsaison ihr Training zu intensivieren. Rebensburg trainierte mehr, hospitierte bei der internationalen Konkurrenz - auch in Ermangelung von Widersachern im deutschen Team -, sie trainierte zudem verstärkt Riesenslalom in Europa, anstatt eines der Sommercamps in Südamerika zu besuchen. "Ich glaube, dass sie heuer seit dem ersten Gespräch ein Setup gefunden hat", sagte Graller. Und, noch wichtiger: "Dass sie einfach Gaudi hat beim Skifahren."

Auch Graller erlebte in seinem ersten Rennen als Cheftrainer einen "Start, wie man sich ihn wünscht". Wobei ihm der Auftakt auch daran erinnerte, dass auch er eine Weile benötigen wird, um die Lücke hinter Rebensburg zu schließen, die in den Jahren zuvor aufgerissen ist. Maren Wiesler schaffte es, im Gegensatz zu Jessica Hilzinger und Patrizia Dorsch, zwar in den zweiten Lauf. Dort rutschte sie aber von Rang 25 auf 26. "Da muss ich nicht vier oder fünf Weltcuppunkte retten, dann sollte man attackieren", sagte Graller.

Bleibt noch der Riesenslalom der Männer am Sonntag, wo Felix Neureuther die größten Hoffnungen schultert. Wobei es sein kann, dass er sich mit etwaigen Champagnerritualen gedulden muss. Die Sturmböen sollen in der Nacht an Kraft gewinnen, von 50 auf 100 Stundenkilometer.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ski alpin
:Neureuther ist ein anderer Mensch

Felix Neureuther hat wenig geschlafen, Viktoria Rebensburg viel getüftelt: In welcher Form die beiden besten deutschen Skifahrer in die Saison starten.

Von Johannes Knuth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: