In der wunderschönen untergehenden Sonne von Lappland zeigte sich die Grausamkeit dieser Sportart in Reinform: Die slowakische Skirennläuferin Petra Vlhova sah unbesiegbar aus, sie musste nur noch den Steilhang samt Ausfahrt für ihren zweiten Slalomsieg innerhalb von 24 Stunden bewältigen. Und sie schlängelte sich durch den Kurs wie an einem Faden gezogen, so eng umfuhr sie die Kippstangen. Und dann wurde es zu eng, so eng, dass der eine Ski die Stange an der falschen Seite umfuhr. Ein Schrei des Entsetzens ging durch den Zielhang. Aus und vorbei.
Am Fuße dieses Zielhangs stand am Sonntag Lena Dürr. Ihr, der besten deutschen Slalomfahrerin dieser Zeit, kam das Ausscheiden der Favoritin entgegen, weil sie so noch vom eher undankbaren vierten Rang auf den Podestplatz drei rutschte. Doch nun, da die Slowakin den Hang hinabrutschte, tat sich die Germeringerin Dürr schwer mit dem Freuen. "Das ist erst mal natürlich ein blödes Gefühl, wenn man profitiert von dem Fehler anderer", sagte sie hinterher dem Bayerischen Fernsehen. Sollte sie nun jubeln oder nicht? Irgendwann zuckte Dürr mit den Schultern und hielt lächelnd ihre Slalomskier in die Luft.
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Platz zwei am Samstag, Platz drei am Sonntag: "Perfekter Start" in Levi, so lautete Dürrs eigene Analyse. Und auch wenn keine ihrer insgesamt vier Fahrten in Finnland tatsächlich als perfekt durchgehen dürfte, musste man schon genauer hinsehen, um etwas zu bemängeln. Überhaupt: Vor einem Jahr war sie noch mit zwei vierten Plätzen im Gepäck nach Hause gefahren, nun geht es am Montag als Zweite der Slalom-Wertung im Weltcup und Vierte der (noch sehr jungen) Gesamtwertung zurück nach Oberbayern.
Der Perfektion am nächsten kommt derzeit die Slowakin Vlhova, das zeigte sich in Levi trotz ihres Einfädlers im zweiten Lauf des zweiten Slalomtags. Zuvor hatte sie in allen drei Läufen die Bestzeit erschaffen, am Samstag hatte sich der Rückstand der Zweiten Dürr auf nahezu eineinhalb Sekunden summiert. Eine gar nicht so kleine Slalomwelt liegt da zwischen der 28-jährigen Olympiasiegerin und dem Rest der Slalomkonkurrenz. Hinter Dürr (1,41 Sekunden zurück) kam die frühere Weltmeisterin Katharina Liensberger aus Österreich (1,55) als Dritte ins Ziel.
Mikaela Shiffrin gewinnt ihren 89. Weltcup
Dem souveränen Auftakt folgte das sonntägliche Drama, an dem sich erkennen lässt, warum Vlhova so viel schneller ist. Keine ist mit der Ski-Kante so nah dran an den Stangen. Und weniger Weg bedeutet am Ende nun mal eine schnellere Zeit.
Während Dürr am Sonntag ihre Skier noch in den lappländischen Abendhimmel reckte, fuhr Vlhova in ihrem Rücken mit hängenden Schultern durchs Ziel. Sie machte dort Halt, wo sie eigentlich stehen hätte sollen, und empfing den Trost der Siegerin, einer Frau namens Mikaela Shiffrin, die mit einer Mischung aus Mitleid und Verdatterung unter ihrem Skihelm hervorschaute, ehe sie ihren 89. Weltcupsieg bejubeln durfte. So richtig freuen konnte sich nur die Frau neben Shiffrin, Leona Popovic; für sie war es erst die zweite Podiumsplatzierung ihrer Karriere - zwölf Hundertstel vor Dürr und 18 hinter Shiffrin.
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Popovic ist eine von nicht wenigen jüngeren und durchaus talentierten Skifahrerinnen aus dem kroatischen Team. Am Tag vor ihrem 26. Geburtstag beschenkte sie sich nun mit zwei Fahrten, die durch ihren kraftvoll-dynamischen Fahrstil bestachen. Anders als Dürr oder Shiffrin, zwei sehr gefühlvollen Skifahrerinnen, bewegt sich Popovic wie eine Boxerin durch die Stangen, als würde sie den Kurs k.o. schlagen wollen. Hinter der Ziellinie boxte sie die am Griff geschonten Stöcke aneinander, Mike Tyson hätte es nicht eindrucksvoller vollbracht.
Aus deutscher Sicht war es für nicht wenige Fahrerinnen ein schwierigerer Kampf. Mit der Weltcupausbeute hinter der 32-jährigen Dürr wird es, nun ja, dürr. Andrea Filser (Wildsteig), Weltcupdebütantin Elina Lipp und Jessica Hilzinger (beide Oberstdorf) verpassten beide Finalläufe. Emma Aicher (Mahlstetten) zeigte an zwei Tagen ordentliche erste Läufe (Rang 18 und 20), schied jedoch am Samstag nach einem Fahrfehler im Finaldurchgang aus, ehe sie am Sonntag eine nicht restlos stabile zweite Fahrt hinlegte und am Ende auf Rang 23 landete.
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Dürr ist nach der erfolgreichen Vorsaison weiter ganz vorne dabei
Aicher und die Skiboxerin Popovic könnten theoretisch am Montag sogar gemeinsam Geburtstag feiern, die auf den Tag sechs Jahre jüngere Aicher wird 20. Sonderlich in Feierlaune sei sie allerdings nicht, erklärte Aicher. "Ich bin zufrieden, dass ich jetzt zumindest ins Ziel gekommen bin, aber skifahrerisch kann ich noch einiges verbessern", sagte sie, ehe ihr doch noch ein Grinsen entwich - anlässlich der für kommendes Wochenende angesetzten Abfahrtsläufe in Zermatt. "Ich freu mich, mal wieder Speed zu fahren", erklärte sie. Falls - anders als wetterbedingt dieses Wochenende bei den Männern - tatsächlich gefahren wird.
Lena Dürr indes wird erwartungsgemäß nicht nach Zermatt fahren, sie beschränkt sich ja auf den Slalom - und dürfte nun wissen, wo sie steht: Nämlich nach wie vor weit vorne in der Weltspitze, nachdem sie in der Vorsaison ihren ersten Slalom-Weltcup sowie mit WM-Bronze ihre erste Slalommedaille gewonnen hatte. "Es ist ja immer etwas komisch, in die neue Saison zu starten", sagte sie. Levi verlasse sie nun mit der Erkenntnis, dass sie sich im flachen Teil des Hanges weiter oben schwerer tat als später im Steilstück. "Im Flachen, das ist einfach grade noch nicht so meins", erklärte sie. Die schlechte Nachricht für sie: Auch der Hang von Killington/USA - die nächste Station der Slalom- und Riesenslalomfahrerinnen - hat ein flaches Stück. Die gute: Steil wird es auch.