Ski alpin:Kristoffersen stemmt sich gegen das System

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Der beste Slalom-Fahrer des Winters: der Norweger Henrik Kristoffersen. (Foto: AFP)

Als "Untalentierter" ging der Norweger oft eigene Wege. Jetzt dominiert er den Slalom-Weltcup - und streitet sich mit dem eigenen Verband vor Gericht.

Von Johannes Knuth, Adelboden

Zur Sache mit der Kuhglocke hat der Skirennfahrer Henrik Kristoffersen dann auch noch ausführlich Stellung bezogen, natürlich, es ist ja eine der wichtigsten behördlichen Pflichten eines Adelboden-Siegers: Was er mit der Kuhglocke anstellen wird, die sie im Berner Oberland jedem Podiumsteilnehmer vermachen.

Kristoffersen berichtete, dass er das gute Stück wohl nach Salzburg verschiffen werde, er hat dort vor Kurzem eine Residenz bezogen mit einer geräumigen Terrasse, das sei doch ein guter Ort für sein neues Präsent, beschloss Kristoffersen: "Da kann ich die Nachbarn mal richtig aufwecken." Und so plauderte der Norweger am Sonntag munter weiter über seinen Sieg im Slalom, bis irgendwann die Rede auf den Zwist mit seinem Verband kam.

Kristoffersen dimmte eilig seine Stimme herunter, dann sagte er, dass er dazu nicht mehr allzu viel sagen möchte. Nur so viel: "Die Situation ist sicherlich nicht optimal und so, wie es sein sollte."

Die alpine Skiszene bekommt in diesen Tagen quasi zwei Henrik Kristoffersens zu sehen. Der eine herrscht über die Slalomwelt, wie schon in der Vorsaison. Adelboden war sein dritter Saisonsieg, der 13. im Weltcup insgesamt. Zur Erinnerung: Kristoffersen ist 22. Marcel Hirscher, der am Sonntag Dritter geworden war mit mehr als zwei Sekunden Abstand, beschloss umgehend Gegenmaßnahmen, "ich muss im Training am Slalomschwung arbeiten", sagte er, "für Henrik muss das ja wirklich langweilig werden." Was umso bemerkenswerter ist, weil es in diesen Tagen noch den anderen Kristoffersen gibt: der sich im Hintergrund weiter gegen das System stemmt, seit Monaten.

Kristoffersen hatte im November auf den Slalom in Levi verzichtet, freiwillig, "weil er vom Kopf her nicht bereit war, skizufahren". Er wollte vor einem Bezirksgericht in Oslo erzwingen, dass er sofort mit einem privaten Sponsor auf seinem Helm werben darf. Der Antrag verpuffte. Über die Frage, ob der Verband im Recht ist oder Kristoffersen, wird in diesen Tagen aber noch immer verhandelt, und die Antwort darauf könnte den norwegischen Sports nachhaltig erschüttern.

Die Norweger haben die Werbeflächen auf ihrer Ausrüstung an Sponsoren des Verbandes vermietet, auch die Fläche auf dem Helm. Letztere spielt bei den Besten schon mal Hunderttausende Euro ein, pro Saison, die meisten Alpinen dürfen sie selbst vermarkten. Nur halt nicht bei den Norwegern. Das akzeptiert Kristoffersen nicht. Er hat zwar das Athletenpapier seines Verbandes unterzeichnet, aber nur widerwillig, sonst dürfte er im Weltcup gar nicht fahren. Kristoffersen verweist auf Aksel Lund Svindal: Der erfolgreichste norwegische Skirennfahrer wirbt seit 2010 für einen eigenen Sponsor (der auch Kristoffersen das vieldiskutierte Angebot unterbreitet).

Der Verband führt nun aus, dass er damals einwilligte, weil es ihm finanziell schlechter ging und Svindal damals Geld aus dem Privatdeal an den Verband abzweigte. Heute, sagt die Verbandsführung, sei das Budget größer, 40 statt einst 15 Millionen, weshalb man keine Ausnahmen mehr gestatte. Was Kristoffersens Lager mit dem Hinweis kontert, dass er ebenfalls Geld für den Verband abzweigen würde, wie Svindal. Er wolle nur das gleiche Recht.

Als der Verband den Wunsch im November abwies, kam es zu Kristoffersens Klage, und ob sein Kampf nun nobel ist oder egoistisch, ist Ansichtssache.

In Norwegen schlägt Kristoffersen in der Frage noch immer viel Ablehnung entgegen, von Fans, Experten, ehemaligen Rennfahrern. Kaum etwas ist dem Verband so heilig wie der Teamgedanke, das Kollektiv zählt mehr als das Individuum, nur so funktioniere die Kultur, wonach die Älteren die Jüngeren einlernen und ihr Wissen weitergeben. Er könne verstehen, dass Kristoffersen sein Recht einfordere, sagt Christian Mitter, der Cheftrainer der Alpinsparte, "das muss man akzeptieren". Aber man spürt, das Mitter wegen der Klage auch mit Enttäuschung beladen ist, das sei Sakrileg, "absolut", sagt er. Wenn auch eines, das nur bedingt überrascht.

Kristoffersen wurde in seiner Jugend weniger von der Mannschaft geprägt, wie seine Kollegen Kjetil Jansurd und Aleksander Kilde, sondern vom Vater. Lars Kristoffersen war Skirennfahrer, er lernte seine Söhne früh auf dem kleinen Hang in der Nachbarschaft ein, und wenn er Henrik sah, dachte er sich: "Ist der ungeschickt"; so hat er es zuletzt der NZZ erzählt. Henrik Kristoffersen flog damals wenig Lob zu, er trainierte also mehr als die anderen, zweimal am Tag, schon als Zehnjähriger.

Kleiner Kulturkampf in Norwegen

Sein Vater habe ihn gepusht, aber immer fair, sagte Kristoffersen in Adelboden, getragen vom Gedanken, es eines Tages doch zu schaffen, als Untalentierter. Auch deshalb sei er aufgestiegen, ins Skigymnasium, in den Europacup, in den Weltcup. Der Vater blieb eine wichtige Bezugsperson. "Ich bin oft ein bisschen gegen den Strom geschwommen. Wenn man besser sein will als die anderen, kann man nicht genau das gleiche tun", so sieht Kristoffersen das.

Es ist auch ein Kulturkampf, der sich in Norwegens traditionell erfolgreicher Alpinsparte abspielt, kurz vor den Januarklassikern, einen Monat vor der WM. Mitter betont, dass im Alltag wieder Ruhe eingekehrt sei. Er könne auch trennen zwischen dem Henrik Kristoffersen, der gegen den Verband klage, und dem Kristoffersen, der im Slalom dominiere. "Solange er schnell Rennen fährt, ist das kein Problem", sagt Mitter. Nur der Vater, der müsse gerade "ein bisserl Abstand halten". Und wenn der Verband den Rechtsstreit bald verliert? "Das wäre eine ganz neue Situation", sagt Mitter, für die Skirennfahrer und den gesamten norwegischen Sport.

© SZ vom 10.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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