Ski alpin:A Gams dahoam

Lesezeit: 3 min

Bei jeder Abfahrt unter den Top 15: Für Thomas Dreßen ist Konstanz im Moment das Wichtigste. (Foto: Stephan Jansen/dpa)

Thomas Dreßen ist beim Heimrennen in Garmisch-Partenkirchen zufrieden mit Platz sieben. Bundestrainer Berthold verlangt jedoch mehr von seinen alpinen Abfahrern.

Von Saskia Aleythe, Garmisch-Partenkirchen

Thomas Dreßen hatte gleich eine Empfehlung parat. Es geht ja viel um die eigenen Ansprüche in diesen Tagen, und wenn man als gerade erst sieben Tage alter Kitzbühel-Sieger wieder an den Start geht, können sich diese eben recht schnell verändern. Nun also, am Samstagnachmittag in Garmisch-Partenkirchen, wieder eine Abfahrt mit Thomas Dreßen, dieses Mal wird er Siebter, fünf Zehntelsekunden trennen ihn am Ende vom Sieger Beat Feuz aus der Schweiz. Zufrieden, Herr Dreßen? "Ich gehörte geschlagen, wenn ich da nicht zufrieden wäre", sagte Dreßen, er weiß ja: Sowas wie Kitzbühel passiert nicht alle Tage. Was aber doch eine interessante Formulierung war, denn Bundestrainer Mathias Berthold hatte mit dem Wort "zufrieden" nach der Abfahrt so seine Probleme. Sein eigener Anspruch: So etwas wie Kitzbühel wieder hinzukriegen, am liebsten alle Tage.

Die Geschichte wäre freilich hübsch gewesen, hätte Dreßen nach dem ersten deutschen Sieg in Kitzbühel seit 39 Jahren auch den ersten deutschen Sieg in Garmisch-Partenkirchen nach 26 Jahren besorgt. "Wir haben schon bewiesen, dass ganz vorne immer etwas drin ist", sagte Berthold nun. Tatsächlich zeigte neben Dreßen auch Andreas Sander wieder eine starke Leistung und wurde Elfter. "Für mich ist oft ein elfter Platz gut, wenn an dem Tag nicht mehr drin war", führte Berthold weiter aus; aber am Samstag war seiner Meinung nach mehr drin: "Wenn man immer nur sagt: Okay, super Fünfter und heute Siebter, dann ist das nicht der Weg, wie wir weiterkommen." Und Weiterkommen, das wollen sie ja alle - vor allem vor Olympia.

Es kann ziemlich schnell gehen mit den Erwartungen um einen herum, es kann einen Sportler verändern und seinen Fokus, wenn die Aufmerksamkeit plötzlich zu sehr anwächst wie nach einem Kitzbühel-Sieg. Was nun anders sei als frischer Streif-Gewinner, wurde Dreßen in Garmisch-Partenkirchen gefragt. "Anders?", fragte der 24-Jährige zurück in die Runde, die Sonne schien ihm an der Gondel vorbei in den Nacken, "ja, dass a Gams dahoam steht", bayerte er, der Pokal für den Sieger also, und, auch das gab es vorher nicht: "Jetzt hängen mir halt 15 Mikrofone vor der Noasn statt eins." Es war ja nun sein Heimrennen gewesen, seine Heimat Mittenwald ist nur eine halbe Stunde Autofahrt entfernt. Anspannung merkte man ihm trotzdem nicht an, weder im Rennen noch danach.

Einfach so zum nächsten Sieg zu marschieren, hatte er sich für das Wochenende nicht als Ziel auferlegt. "Für mich ist das Wichtigste die Konstanz", sagte Dreßen, was erst einmal langweilig klang, aber eben auch so schwer zu erreichen ist: Bei den Skifahrern liegt ja meist kaum eine Sekunde zwischen dem ersten und dem zehnten Platz. "Ich bin jetzt bei jeder Abfahrt in die Top 15 gefahren", erinnerte er und fuhr dann in seiner unverstellten Art fort: "Die, die jetzt vor mir sind, sind auch keine Nasenbohrer." Das weiß auch Berthold, doch einige Passagen haben ihm bei Dreßen eben nicht so gut gefallen in Garmisch-Partenkirchen. "Er hat relativ schwach angefangen im oberen Teil", sagte Berthold, Dreßen kam nicht auf die nötige Geschwindigkeit. Und überhaupt fand der Trainer: "Es wäre halt schön gewesen, wenn er beim Heimrennen einen optimalen Lauf getroffen hätte." Aber hätte das nicht noch höhere Erwartungen für Olympia geweckt? Auch da hat Berthold eine eigene Sichtweise: "Das ist für den Thomas kein Problem, darauf haben wir die Jungs vorbereitet. Das ist schön, dass wir Aufmerksamkeit bekommen für gute Leistungen."

Mehr Aufmerksamkeit hatte sich Berthold schon in Kitzbühel für Andreas Sander gewünscht, da war sein sechster Platz von Dreßens Triumph überstrahlt worden. Nun startete er wieder flott, eine grüne Zwischenzeit nach der anderen leuchtete bei ihm auf, dann unterlief ihm ein Fahrfehler und bescherte ihm Rang elf. "Wenn der Andi da im freien Fall heute den Schnitzer nicht gemacht hätte, hätte er das Ding gewonnen", glaubte Dreßen, in Bertholds Worten klang da so: "Wenn er es runterbringt, dann scheppert es." Die Hoffnung, dass Sander die fehlerfreie Fahrt ausgerechnet bei Olympia gelingen könnte, verknüpfte Alpin-Sportdirektor Wolfgang Maier mit einer interessanten Rechnung: "Die Olympiaabfahrt ist ja nur 1:30 Minute lang und bis 1:30 war er immer auf Grün gelegen." Josef Ferstl, der sich in den vergangenen Tagen mit einer Grippe geplagt hatte, wurde in Garmisch-Partenkirchen 35., Manuel Schmid 37., Christof Brandner landete auf Rang 41.

Am kommenden Freitag geht es für die Deutschen schon mit dem Flieger nach Pyeongchang, einen deutschen Olympiasieger in der Abfahrt hat es noch nie gegeben. Dass sein Namen zu denen gehört, mit denen dort nun gehandelt wird, weiß Dreßen natürlich. Das Selbstvertrauen aus den letzten Ergebnissen und Lockerheit will er mitnehmen nach Südkorea, "aber wie gesagt: Mit einem kleinen Fehler merkst du, dass du nicht ganz vorne stehst, sondern auf Platz sieben oder zehn oder sonst was", sagte er noch. Was wiederum nicht so klang, als ob man sich um ihn und seine Einschätzungsgabe derzeit sonderlich viel Sorgen machen müsste. Auch nicht nach einem Sieg in Kitzbühel.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: