Shohei Ohtani im US-Baseball:Feuerwerk und 16 Millionen Dollar

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Shohei Ohtani ist im US-Baseball eine richtig große Nummer - er besitzt den bestdotierten Vertrag der Sportgeschichte. (Foto: Gary A. Vasquez/USA TODAY Sports via Reuters Con)

Der Skandal um Baseballer Shohei Ohtani von den Los Angeles Dodgers ist viel größer als bisher angenommen, statt um 4,5 geht es um 16 Millionen Dollar Wettschulden. Der Profi gilt als unschuldig, aber es bleiben Fragen - und eine Hoffnung für die Fans.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Am Freitagabend, so verlangt es die Tradition, wird nach Heimspielen des Baseball-Klubs Los Angeles Dodgers ein Feuerwerk gezündet. Die Leute dürfen auf den Rasen, und natürlich ist das Spektakel über dem Stadion und der Skyline der Stadt umso schöner, wenn es etwas zu feiern gibt - und so kam es auch, trotz der 7:8-Niederlage nach Verlängerung gegen die San Diego Padres. Denn Shohei Ohtani hatte getroffen, wie bereits in den sieben Partien davor; gleich zu Beginn der Partie hatte er den Ball auf die Tribüne geknüppelt. Der 29 Jahre alte Japaner ist also genau der Star, den die Dodgers den Fans mit dem bestdotierten Vertrag der Sportgeschichte (700 Millionen Dollar für zehn Spielzeiten) versprochen hatten. Wichtiger war den Anhängern am Freitag jedoch, was Ohtani nicht ist: ein Verbrecher.

"Er ist das Opfer in dieser Sache", sagte US-Anwalt E. Martin Estrada am Freitagnachmittag. Vor zwei Wochen war herausgekommen, dass Ohtanis Jugendfreund und Übersetzer Ippei Mizuhara Spielschulden in Millionenhöhe angehäuft und insgesamt 4,5 Millionen Dollar vom Konto des Baseballprofis an illegale Wettanbieter überwiesen hatte. Die Fragen, natürlich: Hat Ohtani wirklich nicht bemerkt, dass jemand derart viel Geld von seinem Privatkonto aus überweist? Hat Ohtani womöglich selbst auf Sport gewettet, vielleicht sogar auf Partien der Baseballliga MLB oder, schlimmstenfalls, auf eigene Spiele? Was ist los im Umfeld eines Sportlers, dessen Weste davor so blütenweiß war wie sein Dodgers-Trikot am Freitagabend zu Spielbeginn?

Außer Ohtani hatte nur Jugendfreund Mizuhara eine Vollmacht für das Konto

Am Donnerstag stellte sich Mizuhara, der davor abgetaucht war, den Ermittlern - und wie sich herausstellte, ist alles noch viel schlimmer als angenommen: Insgesamt hat Mizuhara 16 Millionen Dollar von Ohtani gestohlen; offenbar mit einem sehr plumpen, genau deshalb aber sehr wirksamen Trick. "Mizuhara war außer Ohtani der Einzige mit Vollmacht für dieses Konto", sagt Estrada: "Er verweigerte allen anderen, also selbst Manager oder Finanzberater, Zugang mit der Begründung, dass Ohtani das Konto als Privatangelegenheit betrachte." Er wickelte Zahlungen an Buchmacher von diesem Konto aus ab, bisweilen ahmte er bei Anrufen bei der Bank gar die Stimme Ohtanis nach. Textnachrichten und Mobilbox-Ansagen zeigen, dass Mizuhara wohl alleine gehandelt hat. Ohtani gilt deshalb als Opfer, ein paar Fragen bleiben dennoch.

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Shohei Ohtani ist der bestbezahlte Spieler der MLB, soll das Gesicht der Liga sein - und steht nun im Mittelpunkt eines mysteriösen Skandals um illegale Wetten in Millionenhöhe und mutmaßlichen Diebstahl.

Von Jürgen Schmieder

Ohtani gilt als Baseball-Besessener, der unbedingt als Bester in die Geschichte eingehen will - auf zwei Positionen gleich. Er ist sowohl einer der zuverlässigsten Schlagmänner als auch der besten Werfer; was so selten ist, als wäre ein Fußballer Torjäger und -hüter gleichzeitig. Er ist bekannt dafür, sein Privatleben privat zu halten, von der Hochzeit mit der einstigen Basketballspielerin Mamiko Tanaka erfuhren selbst Teamkollegen über soziale Medien; sie wussten nicht einmal, dass Ohtani liiert war.

Nur: Ist er wirklich so auf Sport fokussiert, dass er nicht bemerkt, dass 16 Millionen Dollar fehlen? Kann es sein, dass, so steht es in der Anklage gegen Mizuhara, niemand von Ohtanis US-Beratern Japanisch spricht? Dass bei der Bank keiner stutzig wurde?

Ohtani war naiv und hat Fehler begangen, ist wohl aber kein Finanzverbrecher

Das alles ist problematisch, und nach allem, was bekannt ist, muss Ohtani in seinem Umfeld dringend aufräumen - zumal eine Person aus seinem Team ein Interview zwischen Mizuhara und dem TV-Sender ESPN vermittelt hatte - in dem Mizuhara sagt, dass Ohtani von den Spielschulden gewusst und diese wissentlich beglichen habe. Ohtani steht nun da als einer, der sich nicht ums Drumherum kümmerte, weil er naiverweise davon ausging, dass dies schon jemand für ihn tun würde - jemand, der ihn offensichtlich hintergangen hat. Er steht aber nicht mehr da als möglicher Zocker oder gar Verbrecher.

Deshalb betrachten die Dodgers die Leistungen von Ohtani seit Bekanntwerden der Affäre anders - Trainer Dave Roberts sagte am Freitag: "Er hat sich nicht ablenken lassen von all dem Lärm, sondern diesen Test mit wehenden Fahnen bestanden." In den vergangenen acht Partien schaffte Ohtani vier Homeruns sowie eine Trefferquote von sagenhaften 45,7 Prozent. "Man erkennt keine Emotion, der Gesichtsausdruck ist immer gleich", sagt Roberts: "Er ist einfach ein Profi, der nur Baseball spielen will." Dieses stoische Verhalten, das verdächtig rübergekommen war, gilt nun als Symbol, dass Ohtani selbst bei widrigsten Umständen gelassen bleibt und zuverlässig abliefert.

Genau deshalb hatten sie ihn ja vom Stadtrivalen Los Angeles Angels geholt: In den vergangenen zwei Jahren waren die Dodgers jeweils klarer Titelfavorit - jedoch in den Playoffs immer dann gescheitert, als die Umstände widriger wurden. Die Stimmung am Freitagabend im Stadion war genau deshalb trotz der Niederlage so fröhlich: Ohtani geht nicht nur als Opfer aus diesem Skandal heraus; sondern als genau der, den der Verein im Herbst brauchen wird, wenn das Drumherum unerträglich laut wird: einen, der alles ausblendet und in der Lage ist, sich nur auf Baseball zu konzentrieren.

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