Baseballspieler Shohei Ohtani:Wie Torjäger und Torwart in einem

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Shohei Ohtani ist ein Phänomen im Baseball - und eines Tages um 700 Millionen Dollar reicher. (Foto: Orlando Ramirez/USA Today Sports via Reuters)

Man ist im Profisport irre Summen gewohnt, nun kommt eine astronomische dazu: Der japanische Baseballer Shohei Ohtani wechselt zu den Los Angeles Dodgers, für mehrere Hundert Millionen Dollar. Das Verrückte: Ohtani ist jeden Cent wert.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es kommt auf die Details an bei diesem Monstervertrag, deshalb kann man zwar sagen: Dies ist der lukrativste Einzelkontrakt der Sportgeschichte - doch es ist noch mehr. Der japanische Baseballprofi Shohei Ohtani, 29, wird bei den Los Angeles Dodgers in den kommenden zehn Spielzeiten 700 Millionen Dollar erhalten. Das sind mehr als die 674 Millionen, die Lionel Messi vom FC Barcelona einst bekam. Mehr als die 679 Millionen für Kylian Mbappé, sollte der bis 2025 in Paris bleiben. Mehr als der US-Rekord, den Quarterback Patrick Mahomes gehalten hatte (450 Millionen für zehn NFL-Spielzeiten von den Kansas City Chiefs). Mehr auch als der bisherige Rekord der nordamerikanischen Baseballliga MLB: Mike Trout verdient in zwölf Spielzeiten 426,5 Millionen bei den Los Angeles Angels - jenem Klub, bei dem Ohtani die vergangenen sechs Jahre gespielt hatte.

Man ist im spätkapitalistischen Profisport daran gewöhnt, ob nun in den USA oder im europäischen und arabischen Profifußball, dass mit Summen um sich geworfen wird, als wäre es Monopoly-Spielgeld- und meist nur schulterzuckend gefragt wird: Okay, ist der das wert?

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Bei Ohtani lautet die Antwort, sportlich wie finanziell: Ja, ist er! Im Grunde bekommen die Dodgers in dieser Sportart, die hochgradig auf Spezialisten ausgelegt ist, zwei Profis: einen der besten Schlagmänner der Liga und einen der besten Werfer - oder wie es Robert Whiting, Autor zahlreicher Bücher über Baseball in Japan, ausdrückt: "Er ist größer und kräftiger als die meisten Amerikaner. Er kann einen Ball mit dem Schläger 150 Meter weit knüppeln oder ihn mit 160 km/h werfen."

Vornehmlich beherrschen Baseballer entweder das eine oder das andere - und selbst dann nicht jeweils auf diesem exorbitanten Niveau. Es mag sich verrückt anhören, aber im Gesamtpaket verhält es sich bei Ohtani wirklich so, als wäre ein Fußballprofi gleichzeitig einer der besten Torjäger und einer der besten Torverhinderer.

Kleine Einschränkung: Ohtani ist kürzlich am Ellenbogen seines Wurfarms operiert worden, er wird 2024 also nicht als Pitcher auftreten. Es könnte sein, dass er danach als "Relief Pitcher" spielen wird, also als Werfer, der gegen Spielende kommt, um etwa einen Vorsprung zu halten. Ein Risiko, das die Dodgers eingehen, zumal sich auch Chancen bieten. Experten schätzen zum einen, dass der Verein etwa 20 Millionen Dollar mehr pro Saison einnehmen dürfte, weil japanische Firmen - Baseball ist Nationalsport in Japan - Werbebanden im Dodger Stadium mieten könnten. Zum anderen lassen sich die 700 Millionen in Wahrheit so aufdröseln, dass sie gar keine 700 Millionen sind.

Ohtani kriegt die 700 Millionen - aber er kriegt sie nicht jetzt und nicht über die vereinbarten zehn Jahre

Ja, Ohtani kriegt den Betrag - aber er kriegt ihn nicht jetzt und nicht über die vereinbarten zehn Jahre hinweg, sondern über einen viel längeren Zeitraum: Nur zwei der 70 Millionen Dollar Jahresgehalt überweisen ihm die Dodgers bis 2034, den Rest erhält er danach, bis ins Jahr 2043. Das ist laut MLB-Tarifvertrag legal und üblich, wie etwa die Verträge von Ohtanis künftigen Kollegen Freddie Freeman und Mookie Betts zeigen: Gehalt wird bisweilen bis weit übers Ende der Laufzeit hinaus bezahlt, also rechnet man gewöhnlich um, was diese Summen heute wert wären. Freeman kriegt etwa 162 Millionen für sechs Jahre, der sogenannte "Present Day Value" bei der Unterschrift vor zwei Jahren lag bei 148 Millionen. Bei Betts: 365 Millionen für zwölf Jahre; der "Present Day Value" lag bei 306,7 Millionen.

Die genauen Details von Ohtanis Vertrag werden derzeit noch verhandelt; es ist davon auszugehen, dass der "Present Day Value" bei 500 Millionen liegen dürfte - unvorstellbar viel Geld. Und trotzdem bleiben die Dodgers handlungsfähig, da sie dank komplizierter Umschichtungen in die Zukunft unter der ligaweiten Gehaltsobergrenze pro Klub bleiben.

Warum Ohtani diesem Konstrukt zugestimmt hat? Nun, er wollte die Quadratur des Kreises. Selbstredend stellt er sich gerne in diesen monsunartigen Geldregen, gleichzeitig scheint er ein Interesse daran zu haben, seinem neuen Verein Spielraum zu ermöglichen - anders als der mittlerweile verstorbene Basketballprofi Kobe Bryant, der unbedingt der bestbezahlte NBA-Akteur sein wollte und seine Los Angeles Lakers mittellos bei der Verpflichtung namhafter Unterstützer machte. Zum Ende von Bryants Karriere waren die Lakers somit nicht mehr konkurrenzfähig.

"Zuallererst will er gewinnen", sagt jetzt eine Person aus dem Umfeld Ohtanis - denn genau das hat er bislang zu selten getan. Er hat nie die Playoffs erreicht, die Angels haben in all den Spielzeiten mit ihm mehr Partien verloren als gewonnen - auch, weil sie aufgrund der Verträge für Bekanntheiten wie Mike Trout und Ohtani (aktuelles Jahresgehalt 30 Millionen) kaum noch Spielraum für andere Akteure hatten. Den haben die Dodgers nun wegen der ausgebufften Struktur des Vertrags. Und natürlich gelten sie damit beim Blick in die Glaskugel des US-Baseballs als Titelfavorit - was so ein monströser Deal alles bewirken kann.

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