Schwimmerin Ruta Meilutyte:Doping-Kritikerin selbst unter Verdacht

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Flott im Becken: Ruta Meilutyte 2015 in Kasan. (Foto: Clive Rose/Getty Images)
  • Schwimm-Olympiasiegerin Ruta Meilutyte aus Litauen galt als scharfe Doping-Kritikerin, nun droht ihr selbst eine Sperre.
  • Binnen zwölf Monaten soll sie drei unangekündigte Kontrollen verpasst haben.
  • "Es ist sehr enttäuschend", klagt der Präsident des litauischen Verbandes.

Von Saskia Aleythe

Die Welt war für Ruta Meilutyte dann eine andere. Der Moment, in dem es passierte, ist sehr gut dokumentiert: 30. Juli 2012, Meilutyte springt im Olympia-Finale über 100 Meter Brust ins Londoner Becken. Tauchen, ziehen, tauchen, Wende, letzte Züge, Anschlag: Olympiasiegerin mit 15 Jahren. Erschütterung in ihrem Gesicht, Staunen auf den Tribünen: Wer ist denn die? Das Teenie-Mädchen, das damals kaum jemand kannte, ist dann noch Weltrekorde geschwommen und zu weiteren Medaillen. Doch ob sie dazu auch in der nächsten Zeit Gelegenheit bekommt, ist fraglich: Der Litauerin droht eine Sperre wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Richtlinien. Ausgerechnet ihr, der Anti-Doping-Kämpferin?

Litauens Schwimm-Verband hat die Nachricht auf seiner Homepage verbreitet: Meilutyte habe am 22. April und 19. August 2018 sowie am 28. März 2019 unangekündigte Dopingkontrollen verpasst. Drei Verstöße innerhalb von zwölf Monaten sind zwar keine positive Probe, aber eben doch ein Vergehen. Die 22-Jährige hat nach Aussage des Verbandes bereits die Verantwortung übernommen. Ihre angegebenen Aufenthaltsorte hatte sie nicht eingehalten und Änderungen auch nicht im ADAMS-System der Welt-Anti-Doping-Agentur eingetragen.

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"Es ist sehr enttäuschend, dass so eine Regelverletzung von jemandem kommt, der diese Daten seit 15 Jahren erheben muss", sagte Emilis Vaitkaitis, Präsident des litauischen Verbandes, "eine Athletin, die unzählige Male getestet wurde und sich immer laut für sauberen Sport ausgesprochen hat." Meilutyte könnte nach der Anhörung vom Schwimm-Weltverband Fina nun für ein bis zwei Jahre gesperrt werden, was nicht nur für die anstehende WM im Juli in Gwangju (Südkorea) relevant wäre, sondern auch für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Viel gefährlicher ist die Geschichte aber für ihre Reputation: Was hat man nun zu halten von der Frau, die bislang zu den größten Rivalen von Dopingsündern gehörte?

"Ich finde, Julija hätte hier nicht antreten dürfen"

Gezwungenermaßen musste sich Meilutyte immer wieder mit ihnen auseinandersetzen: Mit der Russin Julija Jefimowa lieferte sie sich die erbittertsten Kämpfe. Um Rekorde, Medaillen und auch die Methoden, wie diese zu erringen seien. Jefimowa war 2013 auf ein anaboles Steroid positiv getestet worden, tauchte dann aber mit verkürzter Sperre pünktlich zur Schwimm-WM 2015 wieder auf. Und sprach live ins ZDF-Mikrofon, was sie von Dopingsperren hält: "Ich vergleiche das immer mit dem Autofahren. Wenn Sie einen Führerschein haben, fahren sie irgendwann auch mal zu schnell, dann bekommen sie ein Knöllchen."

Was Meilutyte dann erst so richtig aufbrachte: "Ich habe sie immer respektiert, aber jetzt sehe ich sie nicht mehr als aufrichtige Konkurrentin an." Bei den Olympischen Spielen 2016 positionierte sie sich noch deutlicher: "Ich finde, Julija hätte hier nicht antreten dürfen. Wie jeder andere Athlet, der positiv auf Doping getestet wurde. Es fühlt sich nicht gut an, wenn saubere Athleten gegen Betrüger antreten."

In Rio war das Misstrauen unter den Athleten so groß wie vorher noch nie: Jefimowa gewann über 100 Meter Brust Silber hinter der Amerikanerin Lilly King, die ihr den Handschlag verweigerte und sich ebenfalls öffentlich gegen ihren Start aussprach. Die Fina und der Internationale Sportgerichtshof Cas hatten Jefimowa erst kurzfristig zugelassen - trotz Erkenntnissen zum russischen Staatsdoping und neuen Auffälligkeiten: Jefimowa war im Januar 2016 positiv auf Meldonium getestet worden, was mit Jahreswechsel auf die Verbotsliste gekommen war. Unklarheiten darüber, wie lange Meldonium im Körper nachgewiesen werden kann, verhinderten eine lebenslange Sperre der Russin.

Abseits dessen musste Meilutyte auch ihre ganz eigenen Kämpfe führen: Im September 2015 brach sie sich den Ellbogen, in Rio reichte es nur zu einem siebten Platz. Und auch der frühe Olympiasieg hat seine Spuren hinterlassen. 2018 machte Meilutyte bekannt, dass sie an Depressionen leide, allzu hoch sei der Erwartungsdruck, immer weiter gewinnen zu müssen. Darüber nicht mehr nachzudenken, könnte ihr nun erst mal abgenommen werden.

© SZ vom 09.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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