Schwimmen: Britta Steffen:Die Katzenfrau

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Harmonie, Glück und noch ein Weltrekord im neuen Anzug: Britta Steffen wundert sich, dass man beim Rennen nun ihren "Hintern" sieht und freut sich über Fabelzeiten.

Josef Kelnberger

Britta Steffen ging auf der Suche nach sich selbst ins Internet. Sie gab auf youtube.com die Suchworte Britta und Steffen ein und fand ein Video ihres Weltrekordrennens vom Donnerstag. Ein Detail verblüffte sie: Während ihres gesamten Rennens sah sie "meinen Hintern" aus dem Wasser ragen. Die Erklärung lag auf der Hand. In ihrem neuen Schwimmanzug liegt sie sehr viel höher im Wasser als im alten Modell, ein eindeutiger Vorteil und mit Sicherheit eine Erklärung für ihre unverhoffte Zeit von 52,85 Sekunden im Vorlauf über 100 Meter Freistil.

"Ich fühle mich frei wie nie zuvor": Olympiasiegerin Britta Steffen. (Foto: Foto: dpa)

Dann gab Britta Steffen auf google.de die Suchworte Britta und Steffen ein und klickte die Berichte über ihr Weltrekordrennen an. Sie erschrak ein wenig. Mit ihren eigenen Zitaten untermauert las sie, der Schwimmsport gehe an diesen neuen Anzügen und diesen Weltrekorden kaputt. Sollte sie im Finale am Samstag noch einmal Weltrekord schwimmen, würde sie die Sache relativieren und davon sprechen, der Anzug sei lediglich "das i-Tüpfelchen" auf ihre hervorragende Gesamtverfassung, nahm sich Britta Steffen vor.

Die Suche nach dem Gleichgewicht treibt Britta Steffen an. Gleichgewicht zwischen Inhalt und Verpackung, zwischen Leistung und Anzug, zwischen Druck und Entspannung, zwischen Sport und Studium, vor allem: zwischen Körper und Geist. "Bei mir ist alles harmonisch", solche Sätze hört man nun von ihr, "ich fühle mich frei wie nie zuvor."

Mit ihren zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in Peking hat sie sich einen Lebenstraum erfüllt. Die 100 Meter Freistil unter 53 Sekunden zu schwimmen war ein weiterer, und diesen Lebenstraum konnte sie sich am Samstag im Finale zum zweiten Mal erfüllen. 52,56 zeigte die Uhr diesmal an, wieder Weltrekord. Auf einer "Woge des Glücks" sei sie geschwommen, sagte Britta Steffen, aber auf der Woge des Glücks spürte sie diesmal auch Schmerzen.

"Es muss weh tun"

Trainer Norbert Warnatzsch hatte ihr aufgetragen, das Rennen schneller anzugehen als im Vorlauf. Britta Steffen liebt es, die Rennen von hinten zu gewinnen, so wie in Peking, wo sie nach den ersten 50 Metern als Letzte anschlug. "Schweineglück" sei es gewesen, sagt sie nun, dass sie auf den letzten Zentimetern noch an der Australierin Libby Trickett vorbeiziehen konnte.

Sie will fortan mutiger losschwimmen, aber das Problem ist eben, das Gleichgewicht zu finden. "Man weiß nicht: Wie geht es einem hinten raus?" 51 Hundertstel lag sie am Samstag bei der Wende unter ihrer Zeit aus dem Vorlauf, das war nun zu schnell, am Ende musste sie sich quälen und verlor ein wenig an Zeit. Am Donnerstag hatte ihre Physiotherapeutin bei der Massage noch gefragt, ob sie denn überhaupt ein Rennen geschwommen sei, sie sei so locker. Diesmal hatte das Rennen weh getan. "Es muss weh tun", sagt Britta Steffen, "sonst freut man sich nicht richtig."

Nun will Britta Steffen sich einen weiteren Lebenstraum erfüllen, Weltmeisterin war sie noch nie. Ende Juli beginnen die Titelkämpfe in Rom, und vorsichtig, wie sie ist, hat sie vor den Meisterschaften in Berlin, zugleich Qualifikationswettkampf, noch keine Pläne für die WM-Vorbereitung geschmiedet. Sie wollte sich nicht unter Druck setzen. Für den September hat sie bereits ein Flugticket nach Brisbane gekauft. Sie will dort für einige Wochen mit der australischen Kollegin Cate Campbell trainieren und vor allem an ihrem Englisch feilen.

An diesem Montag schreibt sie erst einmal eine Klausur zum Thema Marketing. Steffen hat zu Jahresanfang ihr Studium - Wirtschaftsingenieurswesen an der Technischen Fachhochschule Berlin - wieder forciert, weil sie sich nicht ausgelastet fühlte. Sie tat das gegen den Rat von Norbert Warnatzsch, aber nun fühlt sie sich bestätigt: "Körper und Geist sind im Gleichgewicht." Außerdem hat sie zusammen mit ihrem Freund ein Grundstück im Südosten von Berlin gekauft, sie werden ein Haus bauen.

Noch ein Grund, warum Harmonie herrscht in Britta Steffens Leben. Die letzten Wochen Richtung Weltmeisterschaften werden nun zu einer neuen Herausforderung. "Ich werde Favoritin sein", weiß sie, "da kann ich noch einmal ein bisschen wachsen." Sie will die Rolle als weitere Probe für ihr inneres Gleichgewicht annehmen, zusammen mit ihrer Psychologin, die sie schon bei den Olympischen Spielen in Peking beriet.

Der neue Adidas-Anzug, ach ja, der sei nur das "i-Tüpfelchen" auf ihre großartige Form, sagt Britta Steffen. Stolz ist sie aber doch, mit dem Hightech-Teil ausgestattet worden zu sein. Sie sagt, sie fühle sich darin wie die Schauspielerin Halle Berry in dem Film Catwoman - wie die ursprünglich so schüchterne Angestellte, die in ihrem zweiten Leben als Katzenfrau im schwarzglänzenden Anzug über Dächer und an Wänden hoch läuft und lässig mit ihrer Beute spielt. Alles in allem liegt es also wohl an einem inneren Zustand von Harmonie und Glück, dass Britta Steffen zurzeit so hoch im Wasser liegt.

© SZ vom 29.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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