Schweizer Skirennfahrerin Lara Gut:Endlich wieder 17

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"Ich fahre momentan einfach richtig gut Ski": Die Schweizerin Lara Gut. (Foto: dpa)

Als Jugendliche war Lara Gut die große Skihoffnung der Schweiz, es folgten die Vereinnahmung der Öffentlichkeit und Rückschläge. Erst jetzt löst die 22-Jährige die Versprechen ihres Talents ein und fährt allen davon. Wesentlichen Anteil daran hat ein Trainer, der diskutiert anstatt zu befehlen.

Von Christian Andiel, Beaver Creek

Es hat gedauert, denn es waren einige Steine, die auf dem Weg nach oben beiseite geschafft werden mussten. Der Auftritt von Lara Gut bei den Skirennen in Beaver Creek am vergangenen Wochenende aber hat deutlich gemacht, dass die Schweizerin nun dort angekommen ist, wo man sie wegen ihres grandiosen Talents früher erwartet hatte: in der Weltspitze.

"Bitte nicht übertreiben", sagt Lara Gut, "ich fahre momentan einfach richtig gut Ski."

Dass sie das kann, weiß die Sportwelt seit der WM 2009 in Val d'Isère. Da fuhr sie als 17-Jährige rotzfrech zweimal auf den zweiten Platz, die Schweizer Medien haben sie sogleich zum Star erhoben, das bot sich ja an: Ein junges Mädchen, das in vier Sprachen fließend parlierte und mit ihren langen blonden Haaren auf Marketing- und Sponsorenexperten einen gewissen Reiz ausübte. "Ich war überhaupt nicht auf diesen Hype vorbereitet", sagt Lara Gut.

Sportliche Rückschläge folgten schnell, die Vereinnahmung von Lara Gut in der Schweizer Öffentlichkeit und vor allem in den Boulevardmedien war fast schon grotesk. Sie versuchte sich zu wehren, weigerte sich, allen Unfug an Fotoideen umzusetzen und jede Einladung anzunehmen, fortan galt sie als "schwierig", als "Zicke". Die selbstbewusste junge Frau gab nicht nach, sie zog sich immer mehr zurück, im vergangenen Sommer sagte sie in einem Interview über ihre Präsenz bei Facebook und Twitter: "Damit habe ich die Kontrolle darüber, was veröffentlicht wird."

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Die Lara Gut des Skiwinters 2013/14 erinnert wieder an die strahlende, lachende 17-Jährige von damals. Wesentlichen Anteil daran hat der Österreicher Hans Flatscher, einst auch Abfahrtstrainer der deutschen Männer. Er ist seit Frühjahr 2012 Cheftrainer des Schweizer Frauenteams, er hat eine Blockade gelöst, die das Gebilde beinahe zum Stillstand gebracht hatte.

Die beiden Jahre zuvor war Mauro Pini Frauenchef, er hatte einst Lara Gut als Privattrainer an die Spitze gebracht, ihr Vater und er sind zusammen aufgewachsen, als Pauli Gut Fußballtrainer war, hat Pini bei ihm gespielt. Doch die erneute Zusammenarbeit war ein Desaster. "Mauro ist ein guter Privattrainer, aber er ist kein guter Cheftrainer", sagte Lara Gut nach seiner Ernennung zum Chefcoach. Das saß.

Was folgte, waren Streitigkeiten um das Privatteam von Gut, um die mangelnde Einbindung ins Gesamtteam, es gab dazu Auseinandersetzungen mit dem Verband, weil Lara Gut ihre eigene Kleiderkollektion zeigen wollte statt die offiziellen Swiss-Ski-Modelle zu tragen, als Höhepunkt ließ Pini die Fahrerin für zwei Rennen sperren. Es war eine einzige Keiferei, die am Ende nur Verlierer gebar. Pini verlor seinen Job, Lara Gut tat sich nach ihrer Hüftluxation im Herbst 2009 schwer bis zum Comeback ein Jahr später. Was einst als Wintermärchen begonnen hatte, drohte zum Drama eines begabten Kindes zu werden. Doch dann kam Flatscher.

Er kennt sich aus mit Privatteam-Konstruktionen: Er ist der Ehemann von Sonja Nef, der Schweizer Riesenslalomweltmeisterin von 2001, und als sie davor nach einer schweren Knieverletzung den Anschluss nicht mehr gefunden hatte, setzte Flatscher durch, dass Nef mit einem Privattrainer abseits des Teams arbeiten konnte. Sehr schnell setzte er sich nun mit der Familie Gut zusammen, klärte die Zuständigkeiten, er diskutierte statt Vorgaben zu machen.

Der Clan akzeptierte sein Fachwissen, Lara Gut freute sich über seine Sozialkompetenz, und als sie 2013 in Schladming WM-Silber im Super-G gewann, sprang sie Flatscher lachend in die Arme. Sie fühlt sich in ihrem aktuellen Umfeld sichtbar wohl, aber sie hat auch einen Reifeprozess durchgemacht: Sie hat gelernt, dass Talent allein nicht reicht, mit einem eigenen Konditionstrainer hat sie ihre Physis gestärkt.

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"Lara ist eine der wenigen Frauen, die die gleichen Radien beim Schwung fahren können wie die Männer", lobt Trainer-Altmeister Karl Frehsner. Und: Sie mischt sich mittlerweile stark in den Bau ihrer Ski ein: "Ich sage, was ich will und am Schluss sage ich auch, mit welchem Ski ich fahre."

Pauli Gut hatte von Anfang an betont, dass es Rückschläge geben wird, und dass dies zur Entwicklung einer Persönlichkeit gehöre, dass die Tochter alles selbst erleben und erarbeiten muss. Aber die Öffentlichkeit hört so etwas nicht gern, wenn das Versprechen von Erfolgen und Medaillen so lautstark schon in ganz jungen Jahren gegeben wird. Jetzt löst Lara Gut das Versprechen ein, und wer sagt, das sei ja schon ein wenig spät, der sei daran erinnert: Lara Gut ist erst 22.

© SZ vom 03.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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