Schweden:Auf der Suche nach dem Geist von Milano

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Auf dem Weg zur WM hat Schweden die Niederländer und Italien eliminiert. Nun sucht das Team jedoch nach seiner Form. Das trostlose 0:0 im Test gegen Peru offenbart die alten Probleme.

Von Johannes Kirchmeier, Göteborg/München

Andreas Granqvist hat wieder volles Haar. Na ja, zumindest bis auf die altersüblichen Geheimratsecken. Der 33-jährige Innenverteidiger der schwedischen Fußball-Nationalmannschaft war ja im November 2017 nach der WM-Qualifikation kahl geworden. "Ich hatte den Jungs in der Kabine gesagt, dass ich mir eine Glatze schneiden lasse, wenn wir die WM erreichen", berichtete er nach dem entscheidenden Sieg in den Playoffs gegen Italien in Mailand.

Doch die gute Nachricht für Granqvist ist auch eine schlechte Nachricht für die Schweden. Denn so sehr Granqvist die Haare wuchsen, so sehr ist inzwischen Gras gewachsen über diesen historischen Abend von Milano. Die Mannschaft, die erst die Niederlande und dann Italien in der Qualifikation ausschaltete und damit dafür gesorgt hat, dass die Ausnahmeathleten Arjen Robben und Gianluigi Buffon ihre letztmögliche WM als Profikicker gemeinsam oder einsam vor dem Fernseher anschauen müssen, sucht kurz vor dem WM-Start noch nach ihrer Form. Wie ihr Gruppengegner in Russland, das DFB-Team.

2018 gelang erst ein Länderspieltor

Beim letzten Testspiel in Göteborg trennten sich die Schweden am Samstagabend vor 32 000 Zuschauern torlos von Peru. Und im Grunde war das nur ein Beweis mehr für ein bisher verkorkstes Jahr. Erst ein Tor gelang den Schweden in Bestbesetzung 2018 in vier Spielen, davon konnten die Skandinavier keine einzige Partie gewinnen. Nach dem Test gegen Dänemark vor einer Woche hatte der in Leipzig angestellte Schwede Emil Forsberg noch Hoffnung gemacht: "Wir haben noch viel im Tank. Keine Sorge, auch das Spiel nach vorne kommt noch."

Schwedens Sebastian Larsson (l.) gegen Perus Yoshimar Yotun. (Foto: Carl Sandin/Bildbyra/ZUMA Press/dpa)

Angesprochen gefühlt haben sich dabei am Samstagabend aber eigentlich nur Forsbergs Kollegen Ola Toivonen und Viktor Claesson. Erst flitzte Toivonen nach starkem Pass von Albin Ekdal in den Strafraum, wurde allerdings noch vom peruanischen Torwart Pedro Gallese abgedrängt (10. Minute). Kurz darauf spielte der rechte Mittelfeldspieler Viktor Claesson im Strafraum Toivonen herrlich frei. Lediglich dessen notorische Abschlussschwäche verhinderte das 1:0, Toivonen erzielte in dieser Saison kein einziges Ligator für den FC Toulouse. Kurz vor der Halbzeit scheiterte Claesson per Seitfallzieher an Gallese.

Das Bemühen war schon erkennbar, dass es dieses Mal klappen sollte mit einem Tor, es war ja auch ein ganz besonderer doppelter Probelauf. Im Göteborger Ullevi-Stadion spielte vor allem Schweden Fußball, Peru, das den Gastgebern als Blaupause für den Gruppengegner Südkorea diente, lauerte auf Kontersituationen. Und die Arena, die architektonisch eine Welle nachahmt und daher ganz eigene Licht-Schatten-Verhältnisse kreiert, schien den Schweden als Blaupause für das Fischt-Stadion in Sotschi zu dienen, in dem Sverige am Mittsommerabend am 23. Juni auf das deutsche Team trifft.

Die Haare sind zurück: Andreas Granqvist (l.) gegen Andre Carrillo. Granqvist hatte sie nach der erfolgreichen WM-Qualifikation abrasiert. (Foto: Carl Sandin/ZUMA Press/dpa)

Bis dahin dürfte der Angriff, der in der zweiten Hälfte für gar keine gefährliche Szene mehr sorgte, das größte Problem für die Schweden werden. In der WM-Vorbereitung bat Nationaltrainer Janne Andersen sein Team jüngst sogar auf einen Bogenschießstand, um die Zielfertigkeiten zu trainieren. Doch auch das half letztlich nichts.

Die Abwehr ist der letzte Trumpf - aber ob das reicht?

Der einst so formidable Mittelstürmer Zlatan Ibrahimovic wurde ja nicht mehr nominiert: "Die besten Spieler der Welt sind alle da. Zlatan ist nicht da... er sollte da sein. Aber er ist nicht da", sagte er jüngst in Ibrahimovic-Art in Los Angeles, wo er bei MLS-Klub Galaxy spielt. Man hört die Enttäuschung heraus, doch hat das Team gerade ohne Ibrahimovic sein erstes WM-Turnier seit zwölf Jahren erreicht. Daher sehen sie in Schweden trotz der der dürftigen Vorleistungen das Kollektiv immer noch als große Chance für die WM. Der Zusammenhalt hat ja erst den Geist von Milano geweckt.

Ähnlich, aber doch ganz anders ist es übrigens bei den Peruanern. Da ist der Stürmer von Weltformat dabei, was allerdings nicht weniger umstritten ist: Der Ex-Münchner José Paolo Guerrero bestritt in Göteborg das zweite Spiel nach der durch ein Schweizer Bundesgericht aufgeschobenen Dopingsperre. Gegen Saudi-Arabien traf er beim 3:0 noch zweimal, dieses Mal nahm ihn der 1,92 Meter hohe Verteidiger Granqvist vollends aus der Partie. Wenn sie in der Nationalhymne vom fjällhohen Norden singen, dann darf man das schon ein bisschen auch auf Granqvist beziehen. Und die Abwehr um ihn hat ja auch gegen Italien kein Gegentor zugelassen. Damals hat den Schweden ja ein Tor in zwei Spielen gereicht - was bei der WM freilich nicht der Fall sein dürfte.

© SZ vom 10.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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