Eigentlich hatte es so ausgesehen, als sei das Schlimmste überstanden. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, Vereinsarzt des FC Bayern München, erklärte noch vor einer Woche, die Entzündung bei Arjen Robben sei "absolut ausgeheilt". Er meinte die Schambeinentzündung, mit der sich der Niederländer seit Ende August plagt.
Robben schmollte anschließend. Nicht wegen der Verletzung, sondern weil er seiner Meinung nach zu spät eingewechselt wurde in der Champions League. Im letzten Bundesligaspiel des FC Bayern in Hoffenheim kam er dann nach der ersten Hälfte, spielte 45 Minuten durch, schlecht zwar, aber ohne dass anschließend von gesundheitlichen Problemen die Rede gewesen wäre. Es schien, als wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis der 27-Jährige wieder in der Startelf des FC Bayern steht.
Doch die Krankengeschichte des Arjen Robben gerät immer mehr zur unendlichen Geschichte. Am Donnerstag brach er vorzeitig seinen Aufenthalt bei der niederländischen Nationalmannschaft ab und kehrte nach München zurück, um sich beim deutschen Fußball-Rekordmeister wegen erneuter gesundheitlicher Probleme behandeln zu lassen. Nach 20 Minuten Training mit der Nationalmannschaft waren erneut Probleme an der Leiste aufgetaucht.
Sofort nachdem er wieder in München gelandet war, fuhr Robben, wie so oft in den vergangenen Monaten, zu Müller-Wohlfahrt in die Praxis. Und dort wurde nach der Untersuchung entschieden: Es muss operiert werden. Robben kam sofort unters Messer. "Auf dem Boden einer Schambeinentzündung hat sich in den vergangenen Tagen eine weiche Leiste entwickelt", erklärte Müller-Wohlfarth. Diese weiche Leiste sei erfolgreich operiert worden, er gehe davon aus, dass Robben in voraussichtlich zehn Tagen ins Training zurückkehren könne, teilte der Mediziner weiter mit, der seinen Patienten noch vor wenigen Tagen für gesund erklärt hatte.
Der Begriff "weiche Leiste" wird benutzt, um einen unklaren Schmerzzustand in der Leistenregion zu beschreiben. Meist ist mit der umgangssprachlich auch Sportlerleiste genannten Erscheinung eine beginnende Veränderung der Stabiltät in der Bauchdecke gemeint, eine Vorstufe zu einem Leistenbruch. Mittels einer Operation soll die Leistengegend wieder stabilisert werden.
Verletzungen an der Leiste kommen speziell bei Fußballern häufig vor. Und sie sind gefürchtet, weil sie so hartnäckig sind, so schwer zu behandeln. Selbst der Bayern-Doc bekam die Entzündung bei Robben bislang nicht in den Griff.
"Wir tun gut daran, dass wir jetzt auch Arjen Robben stärken in einer Situation, die sicherlich im Moment nicht so angenehm für ihn ist", sagte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.
Robben selbst macht sich mittlerweile Gedanken um seine Karriere. Er sagte in der vergangenen Woche, dass seine erneuten Probleme etwas seien, "worüber ich mir Sorgen mache. Ich weiß nicht, woran ich bin. Ich muss auf jeden Fall dafür sorgen, dass die Verletzung nicht chronisch wird".
Wie wichtig Robben für die Bayern sein kann, hatte er in der vergangenen Rückrunde bewiesen. In 14 Spielen gelangen ihm damals 12 Treffer und 10 Torvorlagen.
Ribéry spielt. Kroos spielt. Müller spielt. Und Arjen Robben? Der bleibt freiwillig draußen. Freiwillig? Nicht ganz. Sein Trainer Jupp Heynckes hat natürlich die Hände im Spiel.
Arjen Robben hat seit Jahren mit Verletzungen zu kämpfen, in England wurde er deshalb als "Mann aus Glas" bezeichnet. Eine Übersicht:
2004: Nach seinem Wechsel vom PSV Eindhoven zum FC Chelsea erleidet Robben in einem Vorbereitungsspiel gegen den AS Rom einen Bruch des rechten Mittelfußes.
2005: Der Bruch des rechten Mittelfußes ist gerade verheilt, da erleidet Robben im Frühjahr 2005 einen Bruch des linken Mittelfußes.
2006: Im Dezember laboriert Robben an Oberschenkelproblemen.
2007: Achillessehnenbeschwerden: Im Januar muss Robben in einem Spiel gegen den FC Liverpool vom entnervten Chelsea-Coach Jose Mourinho nach 20 Minuten vom Feld genommen werden. Im März muss sich Robben einer Knieoperation unterziehen. Nach seinem Wechsel zu Real Madrid erleidet Robben im Oktober einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel.
2008: Nach einem Foul von Huelvas Quique Alvarez fällt Robben im März mit einem Bänderriss im linken Sprunggelenk aus. Nach der EURO 2008 laboriert er an Leistenbeschwerden. Im November wird erneut ein Muskelfaserriss festgestellt.
2009: Im März und April verletzt sich Robben erst an der rechten, dann an der linken Wade. Nach seinem Wechsel zum FC Bayern laboriert er Ende September an Problemen an der Schleimhautfalte im rechten Knie und fällt zwei Wochen aus. Im November muss er erneut eine Pause einlegen.
2010: Unmittelbar vor der WM 2010 erleidet Robben im Testspiel der Niederlande gegen Ungarn zum fünften Mal in seiner Karriere einen Muskelfaserriss. Bei der WM spielt er trotzdem noch.
2010/2011: Nach seiner Rückkehr von der WM wird bei Robben ein Muskelriss diagnostiziert. Er fällt für die gesamte Hinrunde aus. Erst am 18. Spieltag feiert er sein Comeback - und spielt danach eine überragende Rückrunde.
2011: In der Saison-Vorbereitung erleidet Robben beim Audi-Cup im Juli einen Kapselriss im rechten Sprunggelenk. Nach dem Einsatz im ersten Saisonspiel macht sich zunehmend eine Schambeinentzündung bemerkbar. Am 7. Oktober wird Robben an der Leiste operiert.
(sid)