Schladming:Slalom? Party des Jahres!

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Unter infernalischem Lärm auf Platz zwei: Österreichs Skiheld Marcel Hirscher. (Foto: AP)

Mit 45 000 Zuschauern ist der Nachtslalom in Schladming das größte Rennen des Skisports. Dabei wurden die Veranstalter anfangs ausgelacht.

Von Matthias Schmid, Schladming

Den Abgesandten der "Höhlengruppe" geht vor dem Start des Nachtslaloms der Glühwein aus. Hektisch rufen die Verkäufer hinter der Theke andere Vereinsmitglieder an und bitten sie, unbedingt für Nachschub zu sorgen. Die Höhlenmenschen des Österreichischen Alpenvereins, Sektion Schladming, haben ihren Stand bestens positioniert, direkt am Wetzlarplatz im Zentrum des Skiorts, wo die größte Bühne und das Public Viewing aufgebaut sind, und sich die Menschen mit ihren Körpern gegenseitig vor- und zurückschieben wie sonst nur auf dem Oktoberfest in München.

Der Wetzlarplatz ist während des Nachtslaloms die Wiesn des Skisports, ein riesiges Volksfest, eine einzige Partymeile mit Fress- und Trinkbuden, mit fröhlichen Menschen, die singen und tanzen und gerne Glühwein trinken. "Es ist die geilste Party des Jahres", schreit ein Zuschauer im Biene-Maja-Kostüm.

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Es soll nicht sein für Felix Neureuther beim Nachtslalom in Schladming: Wie im Vorjahr scheidet er im zweiten Lauf aus. Für die anstehende WM kann er daraus aber Positives gewinnen.

Die meisten der Besucher verkleiden und maskieren sich, sie kommen am Dienstagabend als Superman, Marcel Hirscher oder Terminator und eben als Biene Maja. Sie kommen mit der Schule, mit dem Kegelverein oder alleine. Die meisten marschieren vom Wetzlarplatz hinüber zum Flutlicht-Rennen, nicht wenige feiern aber vor allem sich selbst und schaffen es vermutlich nicht mehr zum Nachtslalom, weil sie bereits am frühen Nachmittag, Stunden vor dem Start, ernsthafte Probleme mit dem aufrechten Gang haben. Fast so, als würde ein starker Sturm durch die engen Gassen toben.

Der Schladminger Nachtslalom lockt mittlerweile mehr Zuschauer an als die gefährlichste Abfahrt der Welt in Kitzbühel. Das Rennen bringt dem oberen Ennstal viel Geld ein, es hat sich seit der Premiere vor zwanzig Jahren zu einem wesentlichen Wirtschaftszweig entwickelt, die Verantwortlichen erwirtschaften mit dem Sportereignis einen Umsatz von 12,8 Millionen Euro. Die Einschaltquoten im Fernsehen liegen zwischen 1,4 und 1,8 Millionen Zuschauern und schaffen es in Österreich regelmäßig auf die Liste der zehn reichweitestärksten Sendungen des Jahres.

Die Zuschauer klettern sogar auf Dächer, um besser zu sehen

Fast 45 000 Menschen füllen am Dienstagabend das Stadion an der Talstation der Planai, normalerweise wohnen im Ort Schladming gerade 6800. Viele Gäste stapfen den Zielhang hinauf, um vom Pistenrand die Geschwindigkeit der Rennläufer besser miterleben zu können. Andere wiederum klettern nebenan auf das Dach des Gasthofs Tenne und schauen von der installierten doppelstöckigen Tribüne von weit oben hinab zu den Protagonisten.

Die meisten von ihnen hätten sich gewünscht, dass der heimische Skiheld Marcel Hirscher den letzten Slalom vor der Weltmeisterschaft gewinnt. Doch Henrik Kristoffersen ist am Ende 0,09 Sekunden schneller als Österreichs Liebling. "Ich bin aber näher an Henrik herangerückt", bekennt Hirscher, es ist schon der fünfte Slalom-Sieg des Norwegers in diesem Winter.

Die Strecke mit dem langen und steilen Schlusshang verlangt auch den besten Skirennläufern alles ab. Schladming ist für sie das wichtigste Rennen im Weltcup-Kalender, nur Olympia und Weltmeisterschaften zählen mehr als ein Sieg hier. Die Fahrer lieben vor allem die besondere Atmosphäre, die Leidenschaft des Publikums, weil nirgendwo anders mehr Besucher sind und so einen infernalischen Lärm erzeugen, den man noch am Tag danach in den Ohren hat.

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Dass es diesmal das letzte Slalom-Rennen vor der WM in St. Moritz (6. bis 19. Februar) ist, wertet es zudem sportlich auf. Was Felix Neureuther danach freilich völlig anders sieht: "Das Ergebnis sagt für die WM gar nichts aus", sagt er, nachdem er im zweiten Durchgang eingefädelt und anschließend einige Meter auf einem Ski die Piste hinuntergerutscht war. Er muss das so deuten, weil er von seinem besten Niveau weit entfernt ist, viel weiter als er sich eingestehen will. Deshalb spricht er auch viel lieber über Schladming, als über seine Leistung. "Es ist ein Traum, hier Ski zu fahren. Man muss sich ja nur mal umschauen wie viel hier los ist. Für diese Begeisterung macht man das alles."

Dabei hatten viele in Österreich vor der Premiere im Jahre 1997 die Einführung eines Rennens unter Flutlicht für eine Schnapsidee gehalten. Wer sollte sich schon ein Skirennen mitten in der Nacht anschauen, motzten die Kritiker und erinnerten an die ersten Fluchtlichtrennen zu Beginn der Neunzigerjahre, als in Schladming die US-Profitour (mit einem Gastfahrer namens Hermann Maier) Station machte. Der Österreichische Ski-Verband protestierte dagegen. Nur Hans Grogl, ein Lehrer, bewies Weitsicht und erkannte fast als einziger das Potenzial dieses Wettbewerbs. "Man hat uns gesagt, dass wir alleine im Zielraum stehen würden", erzählt Grogl, der heute als Chef des Organisationskomitees dem Rennen vorsteht.

Seine Landsleute in der Steiermark wollten ihm diese Idee eines Wochentagrennens unter Fluchtlicht ausreden. Doch dann strömten 25 000 Menschen zur Premiere an die Planai und bejubelten den Sieg von Alberto Tomba. Das Rennen passte wohl optimal zum Biorhythmus des lebenslustigen Italieners, der keine Party ausließ. Auch im Jahr darauf gewann er das "Night Race" unterhalb des Dachsteins.

Ob sich Stefan Luitz am Dienstag noch unter das Festvolk am Wetzlarplatz mischen würde? Der Allgäuer beendet das Rennen jedenfalls als bester Deutscher auf dem 14. Rang. Die Stimmung imponiert dem 24-Jährigen, er ist zum ersten Mal in Schladming dabei. "Ich wollte den Zuschauern unbedingt eine gute Show liefern", sagt Luitz nach dem Rennen, um nachzuschieben: "Das ist mir gut gelungen. Die Atmosphäre war unglaublich."

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