Schalke 04:Rekordverdächtig schlecht

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Das vertraute Bild dieser Saison: Schalkes Torwart (diesmal Ralf Fährmann) ist (nieder)geschlagen, der Gegner (diesmal Freiburg) darf jubeln. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Beim 0:4 in Freiburg präsentiert sich Schalke 04 einmal mehr in dieser Saison wie ein Absteiger. Trotzdem schenkt SC-Trainer Christian Streich den Knappen seine Sympathien.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Am Ende eines Nachmittages, an dem es nun wirklich gar nichts Positives über den FC Schalke 04 zu berichten gab, sorgte ein Journalist aus dem Westen für den Beweis des Gegenteils. Denn die Frage an SC-Trainer Christian Streich, ob der die Gelsenkirchener denn vermissen werde, wenn sie in der kommenden Saison zweitklassig spielen, beantwortete dieser mit einer ausführlichen Sympathiebekundung: "Schalke 04 hat man gerne, egal, was da für ein Theater ist. Das ist ein ganz großer Verein mit ganz großer Geschichte. Wenn sie absteigen sollten, wünsche ich ihnen von ganzem Herzen, dass sie gleich wieder zurückkommen."

Schon vor der Partie hatte Freiburgs Trainer den Gelsenkirchenern das größte Kompliment gemacht, das sie in dieser völlig vermurksten Saison bezogen auf deren Kerngeschäft gehört haben dürften. Schalke, so Streich, habe sich in den Partien gegen Leverkusen und Augsburg als "richtige Bundesligamannschaft" präsentiert.

Am Samstag, bei der Schalker 0:4-Niederlage bestätigte sich diese Einschätzung allerdings nicht ansatzweise. Stattdessen zeigte Schalke allerlei, was man bei ernstzunehmenden Bundesligamannschaften nicht sehen würde. Problemlos konnte Freiburg beispielsweise vom Mittelfeld aus Diagonalpässe über 40 Meter spielen, ohne dass ein Gegenspieler im Weg gestanden hätte. Das Vergnügen, als einzelner Spieler eine Fünferkette in hochgradige Verwirrung zu stürzen, ist Spielern wie Roland Sallai oder Lucas Höler in ihrer Bundesligakarriere bisher jedenfalls noch nicht oft vergönnt gewesen. Beim Führungstreffer hatte Baptiste Santamaria nach einem technischen Bock von Stambouli an der Mittellinie jede Menge Platz für eine scharfe Hereingabe, die Höler dankbar über die Linie drückte (7.).

Nach einem Elfmeter, den Sallai zum 2:0 verwandelte (22.), durfte der anwesende Bundestrainer Joachim Löw noch ein paar weitere Freiburger Chancen bestaunen, ehe er in der Halbzeit seinen Platz auf der Tribüne verließ. Vielleicht, um aus dem warmen Funktionsgebäude heraus den einseitigen Fortgang der Partie zu verfolgen.

Doppeltorschütze Günter zeigt seine gute Erziehung

Die Frage, welchen Schalker oder Freiburger Nationalmannschaftskandidaten der Bundestrainer beobachten wollte, beantwortete sich dann möglicherweise in der zweiten Halbzeit, in der Löw nicht mehr gesehen ward: Freiburgs Kapitän Christian Günter, von Berufs wegen Linksverteidiger, erklärte sich vollends zum Regenten über die Schalker Hälfte und beschloss, angesichts der ausbleibenden Gegenwehr im 231. Bundesligaspiel seine Ligatore sieben und acht zu schießen.

Beim ersten trabte er viele, viele Meter, ohne dass ein Gegner Einwände geltend gemacht hätte, zog der Umstände halber aus 15 Metern ab und traf (50.). Und weil das so gut geklappt hatte, wiederholte er das Ganze beim 4:0 gleich noch mal - diesmal allerdings wuchtiger und aus 20 Metern (74.). Seine gewagte Behauptung, dass das Spiel "vielleicht nicht so aussah, aber ein hartes Stück Arbeit" gewesen sei, bewies dann die gute Erziehung des 28-Jährigen.

Freiburgs Florian Müller blieb jedenfalls bis zur 85. Minute beschäftigungslos, erst dann hatte Schalke die erste und einzige echte Torchance durch Huntelaar. Seine Freizeit konnte der Torwart dazu nutzen, den Vorderleuten beim Spielaufbau "Zeit, Zeit" zuzurufen. Und die hatten sie mangels Gegenwehr ja auch. Umgekehrt bestand der Schalker Spielaufbau - falls man die wackeligen Ballstafetten überhaupt so nennen kann - vor allem aus Fehlpässen.

Damit, dass Schalke einen derart desaströsen Auftritt hinlegen würde, war nicht unbedingt zu rechnen gewesen. Der Abstieg scheint schließlich seit langem unausweichlich zu sein. Und dass am vergangenen Wochenende mit dem zweiten Saisonsieg ein Erfolgserlebnis gefeiert wurde, fast wie ein Titelgewinn, hätte schließlich sogar für ein wenig Selbstbewusstsein sorgen können.

Das alles hatte offenbar auch Trainer Dimitrios Grammozis gehofft, der seine Ratlosigkeit nach dem Spiel in dürre Worte kleidete. Er sei "schon verwundert über die Art und Weise, wie wir uns präsentiert haben." Da fragt man angesichts so vieler indiskutabler Schalker Leistungen seit Beginn der Corona-Pandemie: Wie viele Spiele seiner Mannschaft (zwei Siege in den vergangenen 45 Liga-Partien, Torverhältnis in dieser Saison 18:75) hat der neue Trainer wirklich bis zum Ende gesehen?

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