Schach:Eklat am Brett

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Schachspieler Amin Tabatabaei: Seit 2021 spielt er auch in der Bundesligamannschaft des FC Bayern München. (Foto: Robin Rudel/Imago)

Der iranische Schachspieler Amin Tabatabaei tritt nicht gegen seinen israelischen Gegner an. Die Verweigerung bringt den FC Bayern München in eine Zwickmühle.

Von Christoph Leischwitz

Es lief recht gut für Mohammad Amin Tabatabaei beim internationalen Schachturnier in Barcelona. Gegen einen indischen und einen rumänischen Konkurrenten wurde der iranische Großmeister der Favoritenrolle gerecht und gewann seine Partien. Tabatabaei ist erst 21 Jahre alt, möglicherweise steht ihm noch eine beachtliche Karriere bevor. Im Tableau des Weltschachverbands Fide findet sich Tabatabaei mit einer Elo-Zahl von 2662 aktuell auf Rang 86. Seit Ende vergangenen Jahres spielt er für den FC Bayern in der Bundesliga, zuvor war er für den Münchner Ligakonkurrenten SC 1836 aktiv.

Doch beim Turnier in Barcelona, wo er an Position zehn gesetzt war, machte Tabatabaei nicht mit Zügen am Brett auf sich aufmerksam - sondern vor allem durch Nichterscheinen. Denn er trat gegen den israelischen Kontrahenten Netanel Levi nicht an und verlor deshalb als einziger Favorit einen Punkt. Zwar war Tabatabaei nicht im Namen des FC Bayern nach Spanien gereist, sondern als iranischer Staatsbürger; trotzdem ist die Schachabteilung in München aufgrund dieses Vorfalls in eine politische Zwickmühle geraten. Denn zum einen wird die Abteilung nun nach den politischen Hintergründen des Schritts gefragt. Zum anderen hat der FC Bayern München in den vergangenen Jahren verstärkt seine jüdische Vergangenheit betont - und müsste sich eigentlich gezwungen sehen, jeglichen Antisemitismusverdacht schnellstmöglich auszuräumen.

Auf Anfrage äußerte sich der FC Bayern jedoch nicht zu Tabatabaeis Entscheidung, den Israeli alleine am Tisch zu lassen. Der Klub wolle zunächst selbst mit dem Spieler sprechen, hieß es. Allerdings dürfte eine Stellungnahme auch danach auf sich warten lassen. Denn selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Tabatabaei so handelte, weil er Angst vor Repressalien von der iranischen Staatsregierung hat, könnte es den Großmeister und seine Familie in Gefahr bringen, wenn der FC Bayern dies öffentlich machte.

Es gehört zur iranischen Staatsräson, Israel das Existenzrecht abzusprechen. Damit einher geht, dass iranische Athleten nicht gegen Sportler aus Israel antreten sollen. Unbestritten ist deshalb, dass iranische Sportler stets unter Druck stehen, sobald ihnen israelische Gegner zugelost werden. Bei den Olympischen Jugendspielen 2010 trat ein iranischer Taekwondo-Kämpfer nicht zum Finale an, angeblich wegen einer Verletzung. Für Schlagzeilen sorgte der Ringer Saeid Mollaei, als er 2019 absichtlich ein WM-Halbfinale verlor, um einem Finale gegen einen Israeli aus dem Weg zu gehen. Vor diesem Kampf habe ihn das heimische Sportministerium angerufen und gedroht, berichtete er später. Mollaei kehrte Iran den Rücken, nahm die mongolische Staatsbürgerschaft an und ist mittlerweile für ein Turnier nach Israel gereist.

Die aktuelle politische Lage in Iran dürfte die Situation für Sportler noch verschlechtern, wie sich zum Beispiel bei der Fußball-WM in Katar zeigte: Medienberichten zufolge haben die iranischen Nationalspieler im zweiten Vorrundenspiel die Hymne wieder mitgesungen, weil ihnen und ihren Familien Konsequenzen angedroht worden seien.

In drei Wochen stehen für den FC Bayern die nächsten Spieltage in der Schach-Bundesliga an, die Mannschaft hatte vergangenes Jahr zwei Iraner verpflichtet. Ob Mohammad Amin Tabatabaei weiter nach Deutschland reisen und für die Bayern antreten wird, ist unklar. Es ist nicht einmal bekannt, ob diese Frage aktuell diskutiert wird.

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