Frauen-Finale der Australian Open:Tornado auf dem blauen Platz

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Nicht einen Satz im ganzen Turnier gab Aryna Sabalenka bei den Australian Open ab. (Foto: Issei Kato/Reuters)

Titelverteidigerin Aryna Sabalenka gewinnt das Finale gegen Qinwen Zheng aus China. Die Belarussin hat zu ihrer Rolle als Champion gefunden - und im ganzen Turnier keinen Satz abgegeben.

Von Barbara Klimke

Die Weisheit chinesischer Gelehrten ist unendlich, aber Qinwen Zheng, 21, hat am Samstagabend auf Li Na gehört: auf die einzige Tennisspielerin aus dem großen Reich, die vor ihr schon einmal ein Finale in der Rod-Laver-Arena bestritten hatte. Li Na, in Melbourne als Gast geladen, gab ihr einen weniger philosophischen als pragmatischen Rat: "Denk nicht zu viel nach! Immer einfach darauflos!"

Es war bei aller konzeptuellen Schlichtheit vermutlich die einzig angemessene Strategie, um gegen Aryna Sabalenka, 25, aus Minsk, die alte und neue Australian-Open-Siegerin, auf dem Platz bestehen zu können. Sabalenka hat in den vergangenen Jahren das Powertennis, einst eine Serena-Williams-Spezialität, wiederbelebt, sie drischt die Bälle mit maximaler Kraft über das Netz, jeder Schlag mit einer furchterregenden kehligen Klangentwicklung unterlegt. Qinwen Zheng, die in der kommenden Woche erstmals die Top-Ten der Tennisweltrangliste erreichen wird, hielt tapfer dagegen. Sie schlug sechs Asse, 19 direkte Gewinnschläge - und war trotzdem hoffnungslos unterlegen.

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Nach einer Stunde und fünfzehn Minuten, 3:6, 2:6 bezwungen, saß Zheng auf dem Bänkchen am Rand des Spielfelds und vergrub minutenlang das Gesicht in einem weißen Handtuch, während die Lichtkegel der Scheinwerfer auf dem blauen Platz um die strahlende Sabalenka kreisten. Als sie dann bei der Siegerehrung ans Mikrofon gebeten wurde, hatte sie sich gesammelt. Es sei ihr erstes Grand-Slam-Finale gewesen, sagte sie mit konfuzianischer Aufrichtigkeit. "Ich benötige ein bisschen Trost." Sie könne besser spielen und wolle es bei nächster Gelegenheit beweisen.

Zheng verfügt über eine Vorhand mit gefährlichem Spin. Sie hatte kurz vorher, als Sabalenka zum Titelgewinn aufschlug, noch zwei Matchbälle abgewehrt. Beim dritten Matchball rettete sie sich mit einem Stopp, während auf den Rängen die beträchtliche chinesische Zuschauerfraktion rote Fähnchen schwenkte und noch einmal laute Sprechchöre, "Jiayou!" ("Los geht's!"), anstimmte. Den vierten Matchball drosch Sabalenka, inzwischen nervös geworden, selbst in die Maschen, dann erspielte sich Zheng sogar noch einen Breakpunkt. Die Titelverteidigerin warf genervte Blicke um sich und konterte mit einem donnernden Ass. Kurz darauf jagte sie den Ball unerreichbar zum Sieg quer übers Feld. Sie ist nun die Erste, deren Name zweimal nacheinander in die Trophäe graviert wurde, seit Wiktoria Asarenka 2012 und 2013 gewann, die ebenfalls aus Belarus stammt.

Sabalenka hofft auf noch mehr Grand-Slam-Titel

Mit dem riesigen Daphne Akhurst Memorial Cup im Arm dankte Sabalenka ihrer Familie und ihrem langjährigen Trainerteam, bestehend aus Anton Dubrov, der früher ihr Hittingpartner war, und dem Australier Jason Stacy, ihrem Fitnesscoach. Sie haben nicht nur das Aufschlagschlagzittern kuriert, das sie vor dem ersten Australian-Open-Sieg sporadisch befiel, sowie Vor- und Rückhand verbessert, sondern ihr geholfen, das Selbstbewusstsein eines Champions zu verinnerlichen. Früher, so hat Sabalenka einmal erzählt, habe sie sich oft gewundert, wenn wildfremde Menschen sie um Autogramme baten, "ich war doch nur eine ganz normale Tennisspielerin". Jetzt ist sie Grand-Slam-Siegerin, zweimal sogar, und auf einer Mission, wie Jason Stacy sagte: "Ihre Aufgabe auf dem Platz ist es, das Muster vorzugeben, den Rhythmus zu bestimmen und klarzumachen, dass sie antritt, um zu gewinnen, egal was passiert. Sie soll sich nicht mit dem Gestern oder Vorgestern beschäftigen müssen."

Mit dieser Haltung ist Sabalenka, Nummer zwei der Weltrangliste, wie ein Tornado durch das Turnier gerauscht. In der dritten Runde fegte sie in 52 Minuten mit 6:0, 6:0 über die bedauernswerte Lessja Tsurenko hinweg. Sie hat sich nicht beirren lassen und in sieben Matches keinen Satz abgegeben. Auch nicht im Halbfinale gegen Coco Gauff aus den USA, gegen die sie das Finale der US Open im Herbst noch verloren hatte. Und damit soll nicht Schluss sein, sie hoffe, noch ein paar Titel mehr zu gewinnen, hat sie am Samstagabend erklärt.

Qinwen Zheng wird nun in die besten Zehn der Weltrangliste aufsteigen. (Foto: Asanka Brendon Ratnayake/AP)

Die geschlagene Qinwen Zheng war die erste Finalistin seit vier Jahrzehnten, die auf dem Weg ins Finale keine Gegnerin bezwingen musste, die besser als auf Position 50 in der Weltrangliste notiert war - aber das ist nicht ihr anzulasten, sondern dem Turnierverlauf. Sie hat inzwischen wieder ihren früheren Coach Pere Riba an der Seite, der im September noch Coco Gauff auf dem Weg zum Grand-Slam-Sieg in New York begleitete. Wenn sich der Sturm der Emotionen gelegt hat, wird sie begreifen, was sie geleistet hat in diesen beiden Wochen.

Und vielleicht gibt ihr Li Na, die zweimalige Grand-Slam-Siegerin aus China, noch einen weiteren Rat: Denn La Ni hatte 2011 und 2013 zweimal das Finale in Melbourne verloren - ehe sie sich 2014 dann doch noch die Riesentrophäe schnappte.

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