Sieben Kurven der Formel 1:Russell bereitet Mercedes Kopfzerbrechen

Der Hamilton-Ersatz zeigt sein Talent, Ocon weint vor Freude und Perez steht nach 190 Rennen endlich ganz oben: In Bahrain gibt es zahlreiche Überraschungssieger. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

George Russell

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(Foto: Getty Images)

Er ist der heimliche, der eigentliche Sieger. "Ein Star ist geboren", bescheinigt auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff seinem Ersatzpiloten. George Russell wird schon lange als Talent gehandelt, nur kann er seine Fahrkünste beim Hinterbänkler Williams nicht zeigen. Im Siegerpfeil von Lewis Hamilton aber schon. Diese einmalige Chance nutzte der 22-Jährige. "Pass mir auf mein Auto auf", hatte ihm Hamilton noch mit auf den Weg gegeben, und das tat er auch - indem er gleich am Start allen davonfuhr. Und auch, als ihn das Reifenchaos an der Mercedes-Box die Führung gekostet hatte, setzte er eiskalt an, sich den unglaublichen Triumph zurückzuholen. So lange, bis ein schleichender Plattfuß ihn zum dritten Mal in die Boxengasse zwang. Der neunte Platz ist kein Trost, wohl aber die Tatsache, dass jeder Teamchef, der im nächsten Jahr einen Job zu vergeben hat, den Briten auf seiner Liste haben wird. George Russell rollte sich nach den dramatischen 87 Runden auf dem Rasen vor dem Mercedes-Pavillon zusammen und ließ sich auf den Rücken fallen. "Es tut wirklich verdammt weh", sagte er darüber, dass ihm der Sieg unter dem Flutlicht in Bahrain gleich mehrfach gestohlen wurde. Ein Anruf bei den Eltern, eine Umarmung mit Renningenieur Peter Bonnington, und dann eine Botschaft an Toto Wolff, die von der ganzen Kaltschnäuzigkeit Russells zeugt: "Ich bin doch irgendwie glücklich. Ich bin stolz. Und ich hoffe, dass ich Toto Wolff für die Zukunft etwas Kopfzerbrechen bereite." Sein Förderer weiß: "Das ist nicht das Ende, sondern der Anfang eines Märchens."

Sergio Perez

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(Foto: Getty Images)

Nach 190 Rennen endlich ganz oben, die grausame Statistik des am längsten sieglosen Formel-1-Piloten abgelegt. Der Mexikaner kann sein positives Drama kaum fassen, stammelt nur: "Ich hoffe, dass das kein Traum ist." Die Zweifel sind nachvollziehbar: nach dem Crash in der ersten Runde war sein Racing-Point-Mercedes Letzter, niemand konnte den rosaroten Triumph ahnen, der auch für Sebastian Vettels neues Team der allererste war. Bei allem Pech für George Russell ist Perez ein verdienter Sieger. Für ihn ein perfektes Bewerbungsschreiben. Der 30-Jährige fährt, seit er für 2021 aussortiert ist, vielleicht seine stärkste Saison. "Was jetzt passiert, liegt nicht in meinen Händen, aber ich würde gern weiterfahren", bekräftigt er in Sakhir. Vielleicht holt ihn Red Bull Racing doch noch als Nummer zwei, oder er kommt als Reservefahrer unter. Der alte Kampfgeist bei "Checo", der wie sein auf Rang drei gelandeter Teamkollege Lance Stroll eine Covid-19-Erkrankung überstanden hat, ist zurück: "Wenn ich nicht nächstes Jahr in der Startaufstellung stehe, dann komme ich 2022 zurück."

Esteban Ocon

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(Foto: Getty Images)

Ein Franzose in einem französischen Rennwagen, das deutet doch darauf hin, dass Esteban Ocon gesetzt sein müsste beim Konzernteam. Zumal, wenn der 24-Jährige als mindestens so großes Talent galt, als er noch zum Mercedes-Nachwuchskader gehörte. Die Saison 2019 musste er mangels eines freien Cockpits aussetzen, im Jahr des Neuanfangs schaffte er es bei der Hälfte aller Rennen in die Punkte, aber nie ganz weit nach vorn. Da können schon Zweifel aufkommen, zumal wenn der künftige Teamkollege Fernando Alonso, der unangenehmste seiner Art, schon an der Boxenmauer lauert. Nachdem er seinen Renault auf Platz zwei über die Ziellinie gebracht hatte, brach Ocon in Tränen aus: "Dieses Gefühl werde ich niemals vergessen." Aller Frust, alle Freude brachen aus ihm heraus. Esteban Ocon glaubt, dass dieser Erfolg seine Kritiker mundtot machen wird: "Deshalb ist dieser Erfolg so unglaublich wichtig für mich gewesen. Es war ein hartes Jahr, harte Arbeit. Wir haben trotzdem an uns geglaubt. Jetzt hat sich das ausgezahlt."

Toto Wolff

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(Foto: REUTERS)

Niederlagen zu erklären, auch darin ist der Weltmeistermacher von Mercedes gut, obwohl er das selten tun muss. Mit einem Desaster der Boxenmannschaft wie am Sonntag, dass den Sensationssieg von George Russell kostete, hatte es der Manager noch nie zu tun. Reifen zu vertauschen in der perfekten Welt der Formel 1, noch dazu beim perfektesten aller Rennställe, so etwas hatte es noch nie gegeben. Das befanden auch die Rennkommissare und verhängten statt einer nachträglichen Disqualifikation deshalb lediglich eine Geldstrafe für den Fauxpas in der zweiten Safety-Car-Phase. Die Erklärung für das Drama, dass auch das Rennen von Valtteri Bottas ruinierte, ist sehr simpel: Die Mechaniker von Russell bekamen den entsprechenden Funkspruch des Einsatzleiters nicht mit, dass ein Sicherheitsstopp eingelegt werden sollte - weshalb die falschen Reifen für das falsche Auto da lagen, aber in der Hektik montiert wurden. Diese fehlten dann dem direkt dahinter wartenden Finnen, der wieder seine alten Pneus aufgesteckt bekam. Der Fehler wurde in der nächsten Runde korrigiert. Ganz Formel-1-unüblich gab es niemanden, der über das Missgeschick bei dem Stopp spotten wollte.

Sebastian Vettel

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(Foto: Getty Images)

Einmal noch, dann ist es geschafft. Nach einem Zwischenhoch in der Türkei ist Sebastian Vettel wieder da angekommen, wo er sich als vierfacher Weltmeister nicht wohl fühlen kann: Im Kampf um einen Ehrenpunkt, um diesen dann aussichtslos zu verlieren, weil er sich nur verteidigen muss, aber nicht angreifen kann: "Im Moment ist es sehr schwer, auf einen grünen Zweig zu kommen." Überhaupt gab es für Ferrari außer dem Titelgewinn von Mick Schumacher in der Formel 2 nichts zu feiern, nachdem der von Rang vier gestartete Charles Leclerc gleich nach dem Start mit einem viel zu aggressiven Manöver sein Rennen ruinierte und das von Max Verstappen gleich mit. Dafür muss der Monegasse beim Saisonfinale in Abu Dhabi um drei Startpositionen zurück. Zum zwölften Rang Vettels in Sakhir trug auch ein weiterer dilettantischer Boxenstopp der Scuderia bei. Der Heppenheimer nahm seine Truppe in Schutz: "Die Jungs tun mir leid. Sie sehen jedes Mal blöd aus, können aber nichts dafür. Unser Auto ist nicht gemacht für Boxenstopps. Da braucht es wahrscheinlich eine Generalüberholung beim Design." Vermutlich nicht nur bei der Ausstattung für den Reifenwechsel.

Valtteri Bottas

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(Foto: Pool via REUTERS)

Die Chance, Lewis Hamilton als Rennsieger zu ersetzen, nicht genutzt - trotz Pole-Position. Abgehängt von einem George Russell, der nur zwei Tage hatte, sich an den Mercedes-Rennwagen zu gewöhnen. Valtteri Bottas kann froh sein, dass er schon einen Vertrag für die kommende Saison hat. Ein achter Platz wie beim zweiten Rennen in Bahrain würde dazu nicht taugen, er reichte ja nicht mal dazu, die Vize-Weltmeisterschaft vorzeitig zu sichern. Sein Teamchef Toto Wolff glaubt, dass bei Bottas nach dem erneut verlorenen Titelrennen gegen Lewis Hamilton, das ja nie ein richtiges Rennen war, die Luft raus ist. Bottas selbst, weiß, wie er jetzt aussieht: "Ich muss ja wirken wie ein kompletter Idiot." Der 31-Jährige setzt darauf, dass es im Team ein paar Leute besser wissen, da sie mehr über die Hintergründe wüssten. Trotzdem muss er mehr denn je um seinen Job zittern, zumindest um den für die Saison 2022.

Lewis Hamilton

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(Foto: AFP)

Der Weltmeister ist einmal nicht da, und schon geht alles schief. So wird es Lewis Hamilton (Archivbild) aus seiner Quarantäne in Bahrain nicht sehen. Er ist zusammen mit seiner Physiotherapeutin Angela Cullen und Manager Mark Hynes nach positiven Covid-19-Tests isoliert und hat nach 265 Einsätzen zum ersten Mal in seiner Karriere ein Formel-1-Rennen versäumt. Mehr ist nicht bekannt, es wurde von "milden Symptomen" berichtet. Wolff sprach am Wochenende aber auch davon, dass es Hamilton nicht gut gehe und der 35-Jährige das Bett hüten müsse. Offenbar hatte sich Hamilton bei einem Aufenthalt in Dubai infiziert. Teamchef Toto Wolff schließt eine Rückkehr Hamiltons beim Saisonfinale am Wochenende in Abu Dhabi dennoch nicht aus. Dazu braucht es einen negativen Test, der bis spätestens Donnerstag vorliegen muss. Der Genfer Romain Grosjean wird das letzte Rennen in jedem Fall verpassen. Nach seinem dramatischen Feuer-Unfall ist der Haas-Pilot in die Schweiz zurückgereist, um sich dort vor allem von den mentalen Folgen seines Crashs zu erholen.

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