Geschichte des Rugby:Gentlemen, die sich raufen

Mit England steht jenes Land im WM-Finale, in dem das moderne Rugby erfunden wurde. Die Geschichte der Sportart ist eng mit dem Fußball verknüpft. Eine historische Reise in Bildern.

Von Tim Brack

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(Foto: imago sportfotodienst)

Noch heute kursiert in England das Sprichwort: "Football is a game for gentlemen played by hooligans, and rugby union is a game for hooligans played by gentlemen." Dieser Satz wird vermutlich häufiger von Rugby spielenden Engländern zitiert, schmeichelt er ihnen doch mehr als den Fußballern. Er zeigt aber auch, dass die beiden Sportarten eine besondere Beziehung verbindet. Wer die Ursprünge des modernen Rugby sucht, der muss sich zwangsläufig mit dem Fußball beschäftigen. Die beiden Sportarten haben dieselben Wurzeln. (Bild: Zeichnung um 1870)

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Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte gewissermaßen Anarchie, was das Fußballspiel betrifft. Was ist erlaubt? Was verboten? Darüber gab es unterschiedlichste Auffassung, je nach Standort. Am Ende spielte jeder so, wie er es für richtig hielt. Rugby wurde, glaubt man der Legende, aus diesem Chaos heraus geboren. William Webb Ellis soll 1823 während einer Partie, die seine Mannschaft zu verlieren drohte, den Ball in die Hand genommen und ihn über die Torlinie getragen haben. Ihm gelang sozusagen der erste Try und rugby football war geboren. Wie viel Wahrheit in dieser Legende steckt, ist fraglich, denn auch zuvor wurde der Ball schon bei Varianten des Spiels in die Hand genommen. Die Erzählung war aber so gelungen, dass sie sich festsetzte in den Köpfen. Der Pokal der Rugby-Union-Weltmeisterschaft ist bis heute nach Webb Ellis benannt.

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Der junge William Webb Ellis wurde zwar in Manchester geboren, ging aber an einem anderen Ort zur Schule: Rugby. In der Stadt in der Mitte Englands steht heute eine Statue von ihm. Sein Schuldirektor war Dr. Thomas Arnold, einer der einflussreichsten Erzieher des viktorianischen Zeitalters. Arnold war davon überzeugt, dass zur Erziehung auch Leibesertüchtigung gehört. An seiner Schule ließ er deswegen eine Art von Fußball spielen - die Webb Ellis eben auf seine Weise interpretiert haben soll. (Symbolbild aus dem Jahr 1935)

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Die Linie zwischen Fußball und Rugby verlief aber lange nicht trennscharf, das änderte auch der balltragende Webb Ellis zunächst nicht. Der Fußball mit all seinen Strömungen wurde immer beliebter an Schulen und Universitäten, Vereine gründeten sich. Damit stieg auch das Bedürfnis nach einem einheitlichen Regelwerk. 1863 riefen Vertreter von sieben Fußballmannschaften in einem Londoner Pub den Verband Football Association (FA) ins Leben. Die Sinnhaftigkeit des Reglements, das in der Folge beschlossen wurde, zweifelten aber einige Vertreter an. Hitzig diskutiert wurde unter anderem über die Legalität von Tritten gegen das Schienbein oder das Handspielverbot. Einigen konnten sich die Parteien nicht, es kam zum Bruch. Die Verfechter des Rugby traten aus der Vereinigung aus. Ab diesem Zeitpunkt entwickelten sich Rugby und Fußball getrennt weiter. (Symbolfoto aus dem Jahr 1959)

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Anfang 1871 gründete sich die Rugby Football Union (RFU), im selben Jahr fand auch das erste Länderspiel zwischen England und Schottland in Edinburgh statt. Das Duell wurde zum jährlichen Ereignis ausgerufen. Auf dem Bild ist eine Szene vom 20-jährigen Jubiläum zu sehen.

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Weil man sich im Rugby so schön uneins sein kann, gab es schon bald den nächsten Streit. In der RFU wollten manche den Amateurgedanken bewahren, andere in der Vereinigung setzten sich für eine Professionalisierung ein. 1895 spalteten sich 21 Vereine ab, vor allem aus den Arbeitervierteln Nordenglands, und formten sich zur heutigen Rugby Football League. Die Abtrünnigen verpassten sich auch ein anderes Regelwerk, weswegen heute zwischen Rugby League und Rugby Union unterschieden wird. Die RFU blieb 100 Jahre stur, was die Amateurfrage angeht, erst 1995 erlaubte sie die Professionalisierung.

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Ob nun Rugby League oder Rugby Union, die Sportart diffundierte durch das englische Commonwealth in die Welt hinaus (im Bild: Südafrika gegen ein Team der englischen Midlands). Vor allem Neuseeland, Südafrika und Australien taten und tun sich hervor, sind bis heute die einzigen Nationen neben England, die die Rugby-Union-WM gewinnen konnten.

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(Foto: imago/ZUMA Press/Keystone)

Australien gilt bis heute als eine Hochburg von Rugby League. Der erzieherische Nutzen des Sports war auch so mancher Nonne in den 1960ern bekannt (im Bild). Rugby League unterscheidet sich von Union in ein paar Punkten: Es treten 13 Spieler pro Team an, bei Rugby Union sind es 15. Der Platz bei Rugby League ist schmaler, es darf höher getackelt werden - und der Ballbesitz wird nach einem Tackle nicht umkämpft, stattdessen bekommt die angreifende Mannschaft den Ball zurück. Erst nach dem sechsten Tackle wechselt der Ballbesitz.

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Schon 1925 versuchten die Neuseeländer bei ihrem zweiten Duell mit England, ihre Gegner mit dem Haka einzuschüchtern. Ihr Kriegstanz brachte zumindest Glück, die All Blacks gewannen. Ein Sieg gegen das "Mutterland des Rugby" war für die Neuseeländer keineswegs eine Seltenheit, sondern vielmehr die Regel - weswegen Englands Sieg im diesjährigen Halbfinale als Überraschung gewertet werden darf. Rugby ist in Neuseeland fester Bestandteil der Kultur, die Nationalmannschaft ist mit drei Weltmeister-Titeln die erfolgreichste Nation.

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(Foto: imago sportfotodienst)

In Südafrika nimmt Rugby eine besondere geschichtliche Rolle ein. Aufgrund der Apartheid waren die Springboks, wie Südafrikas Rugby-Team heißt, lange Zeit isoliert. Die Nationalmannschaft bestand fast ausschließlich aus weißen Spielern. Präsident Nelson Mandela unterstützte das Team trotzdem öffentlich vor der WM 1995 im eigenen Land, von den beiden Turnieren zuvor war Südafrika aufgrund der Apartheit ausgeschlossen gewesen. Mandela erkannte, dass Rugby zur Einigung des gespaltenen Landes beitragen könnte. Die Springboks kamen ins Finale von Johannesburg, in dem sie Neuseeland besiegten. Der Moment, in dem Mandela Mannschaftskapitän Francois Pienaar den Webb Ellis Cup übergibt, gehört zu einer der ikonischsten Szenen im Sport.

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(Foto: Getty Images)

24 Jahre später hat wieder eine südafrikanische Mannschaft die Chance, sich zum Weltmeister zu küren. Nach dem Sieg gegen Wales im Halbfinale wartet im Endspiel England.

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