Roy Hodgson und Crystal Palace:Vater Roy wird's schon richten

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Drei Siege, ein Unentschieden: Mit dem 0:0 gegen Everton hat Roy Hodgson einen Konkurrenten auf Distanz gehalten. (Foto: Colorsport/Imago)

Mit 75 Jahren ist Roy Hodgson der älteste Trainer in der Geschichte der Premier League. Das hält ihn nicht davon ab, Crystal Palace vor dem Abstieg zu retten. Danach soll aber wirklich Schluss sein. Wieder mal.

Von Sven Haist, London

Bei seinem Abschied nach vier Jahren als Trainer von Crystal Palace im Sommer 2021 kündigte Roy Hodgson an, nach keinem neuen Klub mehr Ausschau zu halten. Doch er sagte auch, er könne eine Rückkehr in die Premier League nie gänzlich ausschließen - weil sein Beruf ein "sadistisches Vergnügen" sei. Schon ein halbes Jahr später kehrte Hodgson beim FC Watford auf die Trainerbank zurück, obwohl sich der Verein in einer fast aussichtslosen Lage befand, an der er letztlich nichts mehr ändern konnte.

Für Hodgson war es der erste Abstieg in seiner langen Karriere. Danach sagte er, er könne sich zwar vorstellen, dem Fußball weiter verbunden zu bleiben, aber "sicher nicht" als Coach. Das misslungene Intermezzo in Watford sei sein "Abgesang" gewesen. Trotzdem wollte er sich mit dieser Niederlage nicht so recht abfinden - weshalb er vor einem Monat im stattlichen Alter von 75 Jahren abermals ein Engagement beim in Abstiegsnot geratenen Crystal Palace eingegangen ist, vorerst bis Saisonende.

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Die Zusage bei seinem Jugendverein als Nachfolger des geschassten französischen Welt- und Europameisters Patrick Vieira wirkte wie ein Freundschaftsdienst für den Klubvorsitzenden Steve Parish. Aber Hodgson, der nahe des Stadions Selhurst Park in Croydon südlich der Themse aufgewachsen ist, tat sich damit auch selbst einen Gefallen: Denn er baut seinen stolzen Rekord als ältester Premier-League-Trainer aus. In dieser Statistik liegt er vor Granden wie Bobby Robson und Sir Alex Ferguson, die mit 71 Jahren ihr letztes Erstligaspiel absolviert hatten. Die Zeitung Times schrieb, dass es neben der romantischen Seite dieser Zusammenarbeit "ebenfalls um sein Ego" gehe, weil er sich unbedingt mit einem Erfolg verabschieden wolle. Und nun sieht es tatsächlich aus, als würden sich beide, Hodgson und Crystal Palace, gegenseitig retten.

Nach drei Siegen zum Auftakt unter Hodgson hielt der Londoner Vorstadtklub am Samstag beim 0:0 gegen den FC Everton, der auf dem ersten Abstiegsplatz steht, einen Konkurrenten auf Distanz. Der Vorsprung beträgt weiter neun Punkte, und mit 37 Zählern ist zuletzt ohnehin keine Mannschaft mehr gescheitert. Um den Turnaround nach zuvor zwölf sieglosen Matches zu schaffen, spielte Hodgson sowohl seine Verbundenheit zum Verein aus als auch seine Lebensleistung. In einem halben Jahrhundert betreute er 16 verschiedene Klubs und vier Nationalteams. Er wurde schwedischer und dänischer Meister, trainierte Weltmarken wie Inter Mailand und führte Fulham als Außenseiter ins Europa-League-Finale 2010 - nachdem er den Verein vor dem Abstieg bewahrt hatte.

Ebenjene Höhen mischten sich immerzu mit Tiefen. Hodgsons Karriere schien wie das echte Leben zu sein. Dies machte ihn in der schrillen Premier League angenehm nahbar. Zu den Enttäuschungen gehörten die rasch vollzogene Entlassung in Liverpool, die unüberlegte Episode in Watford - und vor allem das blamable Aus mit England gegen Island bei der EM 2016, das seinen Ruf in der Heimat ramponierte. Damals hatte er sich eine legendäre Bootsfahrt auf der Seine in Paris gegönnt, anstatt sich am selben Tag im Stadion auf den möglichen nächsten Gegner vorzubereiten.

Die "Times" nennt Hodgson einen "liebevollen Elder Statesman"

Diese Erfahrung, quasi alles schon einmal erlebt zu haben, überzeugte Palace-Boss Parish, Hodgson nochmals zu verpflichten. Der Grandseigneur beruhigte sofort das nervöse Klubumfeld, das bei einem Abstieg einen Millionenverlust fürchtete, und übertrug seine Gelassenheit auf die Spieler. Dabei profitierte er davon, die Mannschaft einst größtenteils selbst zusammengestellt zu haben. So setzte Hodgson auf den von ihm geholten und von Vorgänger Vieira wenig beachteten Offensivspieler Eberechi Eze. Prompt hat dieser seitdem drei Tore erzielt. In unsicheren Zeiten, kommentierte die Times, würden sich Klubs in England oft nach einer Vaterfigur sehnen - und Hodgson käme eben jenem Profil des "liebevollen Elder Statesman" am nächsten. Bloß: Wie geht es für Palace nach der Saison weiter?

Die österreichische Zeitung Kurier vermeldete vor wenigen Tagen, der Österreicher Adi Hütter - zuletzt von 2018 bis 2021 bei Eintracht Frankfurt und anschließend für eine Saison bei Borussia Mönchengladbach tätig - übernehme den Verein im Sommer. Hütter, 53, betonte mehrmals, die Premier League sei sein "großes Ziel". Dieser Darstellung widersprach Palace-Chef Parish vehement, indem er auf Twitter versicherte, ihn verblüffe "die absolute Gewissheit", mit der "solches Zeug" verbreitet werde. Denn er, Parish, habe Hütter "nie getroffen oder gar angestellt".

Schon zwei Mal versuchte der konservativ geführte Klub mit Vieira und zuvor dem Niederländer Frank de Boer, mal nicht auf Trainerveteranen zu setzen. Die früheren Spielergrößen sollten dem Team einen modernen Ballbesitzfußball verpassen und wurden durch Hodgson ersetzt. Für ihn wäre der Ligaerhalt mit Crystal Palace ein versöhnlicher Abschluss seiner Karriere - wobei man bei ihm ja nie wissen kann.

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