Rosberg im Qualifying vor Hamilton:Mit "Wunder-Runden" auf die Pole

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Holt sich im letzten Rennen in Abu Dhabi die Pole Position: Nico Rosberg (Foto: dpa)

Nico Rosberg entzaubert in der Qualifikation beim Saisonfinale in Abu Dhabi seinen Rivalen Lewis Hamilton mit unwirklichen Rundenzeiten und setzt ihn im WM-Finale unter Druck. Selbst Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda ist erstaunt.

Von René Hofmann, Abu Dhabi

Niki Lauda wollte seinen Augen kaum trauen. "Eine unglaubliche Leistung", lobte der Chef des Aufsichtsrats des Formel-1-Teams von Mercedes seinen Angestellten Nico Rosberg nach dessen Fahrt auf die Pole Position beim Großen Preis von Abu Dhabi, dem letzten Rennen der Formel-1-Saison 2014, das an diesem Sonntag um 14 Uhr gestartet wird. "Wunder-Runden" fand der dreimalige Weltmeister Lauda, habe der Zweite der WM-Wertung auf den Yas Marina Circuit gezaubert.

Mit dem Auftritt entzauberte Rosberg für einen Moment auf jeden Fall seinen Teamkollegen Lewis Hamilton, der mit 17 Punkten Vorsprung ins Finale geht. Der Brite war in den ersten beiden Qualifikationsdurchgängen schneller als Rosberg gewesen. Im entscheidenden aber unterlief ihm im ersten Versuch, die schnellste Runde des Abends zu drehen, ein Fehler. Hamilton verbremste sich, sein linker Vorderreifen rauchte kurz heftig. Die Rauchzeichen verunsicherten den 29-Jährigen offenbar. Beim nächsten Versuch blieb er 0,386 Sekunden hinter Rosberg. Fast vier Zehntelsekunden - in der Formel-1-Zeitrechnung ist das ein gewaltiger Rückstand.

"Heute hat er ein wenig Nerven gezeigt"

"Das ist gut gelaufen", fand Rosberg folglich auch, nachdem er seinen Renningenieur, der ihm am Funk die frohe Nachricht übermittelt hatte, schon angewiesen hatte, er solle doch bitte ein wenig euphorischer sein. Mit Blick auf Hamilton meinte Rosberg: "Heute hat er ein wenig Nerven gezeigt. Vielleicht zieht sich das ja durch bis morgen." Williams-Fahrer Valtteri Bottas, der als Dritter nicht einmal zwei Zehntelsekunden langsamer als Hamilton war, bot Rosberg an: "Ich bezahl' Dir einen Wellness-Abend! Damit du morgen in absoluter Top­-Form bist."

Wenn Rosberg gewinnt und Hamilton lediglich Dritter wird, ist Rosberg zum ersten Mal Weltmeister. Trotz der guten Startposition und der doppelten Punkte, die es beim Finale gibt, bleibt er auf Hilfe angewiesen. Hamilton hatte viel Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Er versuchte, sich in Einsilbigkeit zu retten. Er plane nichts anderes zu machen, als bei jedem anderen Rennen: Viel mehr war aus Hamilton nach der Qualifikation nicht herauszubekommen. Immerhin aber gratulierte er Rosberg zu dem Etappensieg: "Er hat einen guten Job gemacht."

Rosberg schiebt sich nach vorne

Rosberg gegen Hamilton: Der Zweikampf, der sich nun 18 Rennen lang hochgeschaukelt hat, war auch zuvor schon jedes Mal in den Mittelpunkt gerückt, wenn die Ampel am Ende der Boxengasse auf Grün gesprungen war. Am Freitag, in den ersten zwei Trainingsfahrten, war jeweils Hamilton die Bestzeit geglückt. Beim ersten Auftritt war er 0,133 Sekunden schneller gewesen als Rosberg, beim zweiten 0,083. Rosberg hatte zweimal vorgelegt, Hamilton hatte zweimal gekontert. Beim Training am Samstagvormittag hatte Rosberg sich dann in Front geschoben: Fast vier Zehntelsekunden blieb er vor Hamilton. Auf der Strecke begegnen sich die beiden meist auf Augenhöhe. Doch das Duell wird nicht nur dort ausgetragen.

"Er hat alles zu verlieren, ich habe alles zu gewinnen": Mit diesem Spruch hat Rosberg gleich zum Start ins Wochenende versucht, allen Druck Hamilton zuzuschieben. Dem ist der Vorsatz, sich bei diesem Grand Prix maximal zu konzentrieren, deutlich anzumerken. Hamilton ist ohne jede familiäre Unterstützung angereist, nur ein paar Freunde sitzen auf der Tribüne. Sonnenbrille - und den Blick unter der übergroßen Schildkappe fest auf den Boden geheftet - so schreitet er stets zur Arbeit.

Selbst am Freitag schritt Hamilton so in die Box, als auf dem Weg dorthin plötzlich Applaus für ihn aus dem Paddock Club aufbrandete, von dem aus die solventen Fans in Abu Dhabi einen guten Blick ins Fahrerlager haben. Als Rosberg wenig später kam, gab es auch für ihn Applaus. Rosbergs Reaktion: Er blieb stehen, hob beide Arme und winkte mit einem breiten Lächeln freundlich zurück. Wenn der Eindruck nicht täuscht, genießt er die Alles-oder-nichts-Situation tatsächlich mehr als Hamilton.

"Hoffentlich kann er heute Nacht schlafen"

Auch davon, dass direkt hinter dem Mercedes-Pavillon eine Yacht ankert, die auf den Namen des langjährigen BBC-Moderators Murray Walker getauft ist und auf der unter nicht wenigen Großbritannien-Flaggen nicht wenige Hamilton-Fans oft laut feiern, zeigt Rosberg sich wenig beeindruckt. Demonstrativ absolviert er auf der Mole direkt vor dem Boot regelmäßig sein obligatorisches Aufwärmspielchen: Fußball.

Global betrachtet hat Hamilton die größere Anhängerschaft. Zu Beginn der Autogrammstunde am Yas Marina Circuit gab es am Donnerstag viel Beifall für den Champion des Jahres 2008. Als Rosberg auf die Bühne trat, ertönten auch Pfiffe. Doch selbst davon ließ Rosberg sich nicht aus der Spur bringen. Als ihm das Mikrofon gereicht wurde, um ein paar Worte zu sagen, begrüßte er die Menge so freundlich wie Talkmaster Thomas Gottschalk stets die Treppe zur Wetten-Dass...?-Show herunterkam. Noch prächtiger gelaunt verabschiedete Rosberg sich am Samstagabend: "Ein toller Tag." Niki Lauda sorgte sich unterdessen um Hamilton: "Hoffentlich kann er heute Nacht schlafen."

Nicht gut lief es am Samstag für Sebastian Vettel. Bei seinem letzten Rennen für Red Bull wurde er wie sein australischer Teamkollege Daniel Ricciardo disqualifiziert - wegen eines irregulären Frontflügels. Beide müssen nun aus der letzten Reihe starten.

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