Tennis:Federer löst eine Debatte aus

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Wohlfühltennis in West-Australien: Roger Federer und Belinda Bencic gewinnen den Hopman Cup. (Foto: Will Russell/Getty)

Der Schweizer Tennisprofi fordert einen Zusammenschluss der Frauen- und Männerverbände - die Reaktionen sind gemischt: Nadal springt ihm bei, Kyrgios giftet.

Von Gerald Kleffmann, München

Am Dienstag herrschte noch Ausgelassenheit, als sich Roger Federer und Rafael Nadal auf der Social-Media-Plattform Instagram zum Dialog trafen. Es wurde gewitzelt und gelacht. Als der Spanier meinte, er habe seit Indian Wells, dem im März kurzfristig abgesagten Turnier, keinen Schläger angefasst, freute sich Konkurrent Federer: "Gut, dann kannst du kein Tennis mehr spielen!" Wie Millionen schaute auch Andy Murray zu, und als sich Nadal unbeholfen hinsichtlich seiner Internet-Fähigkeiten anstellte, kommentierte der Schotte schriftlich: "Er kann 52 Mal die French Open gewinnen, aber nicht mit Instagram umgehen."

Kaum waren diese Kalauer übermittelt, änderte sich die Stimmung. Am Mittwoch veröffentlichte Federer, der exzellent mit modernen Medien umgeht, Botschaften auf Twitter. Kurze nur, aber sie könnten die Tennislandschaft verändern wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr.

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Federer schwebe, so schrieb er, "ein Zusammenschluss zwischen der WTA und der ATP" vor, dazu postete er ein Emoji mit zwei Händen, die ineinander greifen. Er bezog sich auf die Vereinigungen professioneller Tennisspieler, der Frauen (WTA)- sowie der Männer (ATP)-Tour, die seit ihren Gründungen 1973 und 1972 separat agieren. "Es ist für Fans verwirrend, dass es verschiedene Ranglistensysteme gibt, verschiedene Logos, verschiedene Internetseiten, verschiedene Turnierkategorien", meinte Federer. "Bin ich der Einzige, der sich fragt, ob jetzt nicht die Zeit wäre, dass sich das Männer- und das Frauentennis zusammenschließen?"

Als Erster springt Kollege Nadal Federer bei

Es war absehbar, dass die Stimme des 20-maligen Grand-Slam-Siegers, der die größte Strahlkraft im Tennis, womöglich sogar im globalen Sport besitzt, eine Debatte auslösen würde, wie es sie zu dem Thema lange nicht gab. Überwiegend erhielt Federer volle Zustimmung, wobei der 38-Jährige sicher wusste, dass längst an Annäherungen der beiden Touren gearbeitet wird. Als Erster sprang ihm Nadal bei, der es großartig fände, "aus dieser weltweiten Krise mit der Einheit des Männer- und Frauentennis" hervorzugehen. Viele Spielerinnen wie Simona Halep und Petra Kvitova folgten.

Der Tennissport ist seit Jahrzehnten von Kämpfen der Institutionen geprägt, im Monetären wie im Marketing. Gleiches Preisgeld gibt es nicht überall. Und während die ATP Tour recht simpel verkauft wird mit klaren Turnierkategorien wie den 1000ern und 500ern (so viele Punkte erhält der Sieger), präsentiert die WTA etwa ihre hochwertigsten Events kryptisch als "Premier Mandatory Tournaments". Noch unübersichtlicher wird die Gemengelage, weil auch der Internationale Tennis-Verband ITF (für Davis Cup und Fed Cup zuständig) und die vier Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York ihre Eigeninteressen stur verfolgen. Federer, nebenbei, ist nicht nur selbstlos, sondern auch Geschäftsmann.

Mit seinem Team-Showkampf, dem Laver Cup, ist er seinen eigenen Weg an den anderen Organisationen vorbei gegangen. Beim sportpolitischen Vereinigungskampf gab es zudem sicher andere, die sich stärker eingesetzt hatten als der 38-Jährige. Aber um endlich etwas anzuschieben, ist Federers Weckruf so wichtig wie kein anderer. Tennis habe die Gelegenheit, übermittelte prompt Andrea Gaudenzi, der neue ATP-Chef, eine "Einheit" zu erzeugen. Steve Simon machte als WTA-Vorsitzender deutlich, dass man schon längst in "regelmäßigem Austausch" sei und gerade die "jüngsten Wochen" besonders erfreulich gewesen seien.

An Federers Vorstoß gab es, trotz inhaltlicher Bejahung, auch Kritik. Billie Jean King, die die WTA mitbegründete und seit jeher für die Rechte der Frauen eintritt, erinnerte süffisant daran: "Das ist mein Reden seit den frühen Siebzigerjahren. Eine Stimme, Frauen und Männer zusammen, das ist schon lange meine Vision für das Tennis. Die WTA für sich alleine war immer nur der Plan B." Giftig reagierte Profi Nick Kyrgios, der schrieb: "Hat irgendjemand die Mehrheit der ATP gefragt, was sie von einem Zusammenschluss mit der WTA hält und ob es gut ist für uns?" Tags darauf twitterte er: "Wir sollen uns nicht zusammentun!" Die Frage, was wem nutzt, dürfte letztlich darüber entscheiden, wie ein Bündnis entstehen könnte.

"Spieler werden sich fragen, verliere ich jetzt Geld an die Frauen?", orakelt Dirk Hordorff, der Vizepräsident des Deutschen Tennis-Bundes. Er mahnt: "Ein Zusammenschluss ist sinnvoll, aber er muss so aussehen, dass sich beide Lager hochziehen und nicht runter." Hordorff, der auch seit Ewigkeiten in Gremien der Tour mitmischt, schwebt schon ein Konstrukt vor: ATP und WTA firmieren zu einer Einheit, die sich gemeinsam vermarktet - etwa bei TV- oder Sponsorenrechten -, aber unter dem Dach der ITF. Wobei er den Weltverband für dringend renovierungsbedürftig hält. "Die dortige Führungsstruktur muss endlich professionalisiert werden, Entscheidungen sollten nicht von 80-Jährigen getroffen werden, die in den Gremien wie Touristen sitzen", sagt Hordorff, der aber weiß: "Die Profi-Touren brauchen den Weltverband."

Denn der ist für die gesamte Basis verantwortlich, den Nachwuchs, die Jugend, die Amateure, das Heranführen neuer Profis. Auch die Grand Slams sieht Hordorff in der Pflicht, "nicht nur Almosen aus ihren Gewinnen an die ITF abzuführen", die bekanntlich im dreistelligen Millionenbereich liegen. So vieles ist miteinander verwoben. Umso verzwickter sind die Macht- und Positionskämpfe.

"Man hat ja aufgrund der Corona-Pause Zeit, alle diese Themen anzugehen", hofft der DTB-Vize, der überdies für eine starke Person nach außen plädiert. Als US-Präsident Donald Trump jüngst die Vertreter des amerikanischen Sports traf, waren alle Profiligen dabei, nur Tennis nicht. "Wer hätte auch kommen sollen - jemand von der ATP, der WTA, der ITF?", fragt Hordorff. Er fordert umso mehr die Besetzung eines "Commissioner of Tennis". Der ideale Kandidat für diese Rolle wäre sicher einer wie Federer, doch noch ist der ja Tennisprofi. Was er mit ein paar Tweets bewirken kann, hat er aber gerade wieder bewiesen.

© SZ vom 24.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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