Rio 2016:US-Schwimmer starten Olympia mit Carpool Karaoke

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Elizabeth Beisel und Kollegen beim Carpool Karaoke im Rio. (Foto: Youtube-Screenshot)

Michael Phelps und die anderen US-Stars filmen sich selbst im Auto. Sie singen, bestellen Eis, verkleiden sich - ein witziger Moment vor einem Großereignis, bei dem das IOC auf Humorfreiheit setzt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich darf Ryan Lochte in so einem Video nicht fehlen. Profisportler ist der junge Mann ohnehin nur nebenberuflich, auf seiner Visitenkarte müsste als Beruf "coole Socke" angegeben sein. Bei den Olympischen Spielen 2008 nahm er seine Goldmedaille mit einer diamantenbesetzten Zahnspange entgegen. Nach den Wettbewerben sagte er, es sei der größte Fehler seines Lebens gewesen, während der Zeit im Athletendorf liiert gewesen zu sein. Vier Jahre später reiste er als Single an, verpasste ein Treffen mit der damals verletzten Andrea Petkovic ("Meine Top Ten der schönsten Männer bei Olympia? Da kann man Lochte für alle zehn Plätze buchen") und sagte nach nur vier Tagen: "So viele Frauen, so wenig Zeit."

Lochte ist also einer der Darsteller des Videos, in dem die amerikanischen Schwimmer während des Trainingslagers in verschiedenen Autos durch Atlanta fahren - alle Stars sind dabei: Michael Phelps, Missy Franklin, Elizabeth Beisel, Katie Ledecky. Sie bestellen Eiscreme am Schalter eines Schnellrestaurants, sie animieren Leute auf dem Gehsteig zum Tanzen, vor allem aber: Sie singen. "I'm Gonna Be (500 Miles)" von The Proclaimers, "Party in the U.S.A." von Miley Cyrus, die Titelmelodien der TV-Serien Friends und That '70s Show. Irgendwann ruft Phelps' Mutter an, seine Reaktion: "Kann ich Dich zurückrufen? Ich muss gerade im Auto singen."

Carpool Karaoke nennen sie das in den Vereinigten Staaten - und auch wenn wohl jeder schon mal in seinem Fahrzeug bis zur Stimmbandzerrung gesungen hat, stammt die Idee, sich selbst dabei zu filmen und diesen peinlichen Moment selbstironisch zu veröffentlichen, vom britischen Komiker James Corden.

Der begann zunächst in England und sang ein Duett mit George Michael, er hatte die Red Hot Chili Peppers (mit nacktem Oberkörper) und die First Lady Michelle Obama im Auto (sie sang und tanzte zu "All the Single Ladies" von Beyoncé), er ließ Gwen Stefani, George Clooney und Julia Roberts gemeinsam "We Are The Champions" von Queen schmettern. Mit Selena Gomez sang er in einer Achterbahn. Es ist ulkig, bisweilen auch informativ, wenn etwa Obama ihren Secret-Service-Codenamen ("Renaissance") und den ihres Mannes ("Renegade") verrät. Vor allem aber ist es: unterhaltsam.

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Die amerikanischen Schwimmer präsentieren sich nicht so verbissen, wie sie bisweilen dargestellt werden. Sie singen laut und falsch, sie verkohlen sich gegenseitig und auch sich selbst. Sie nehmen das alles nicht besonders ernst.

Am Freitag wurden in Rio die Olympischen Spiele eröffnet, die verbissenen Medaillenzähler fangen jetzt mit dem Medaillenzählen an. Wenn die Spiele beginnen, dann wird es ernst - und mitunter vergessen Veranstalter, Teilnehmer und Funktionäre, dass die Zuschauer oftmals gar nicht Medaillen zählen wollen. Sie möchten auch Außenseiter wie den Schwimmer Eric Moussambani oder den Judokämpfer Ricardo Blas bestaunen. Sie wollen Dramen beobachten und auch mal jemanden beim Scheitern zusehen, weil der Mensch nun mal einen Großteil seines Lebens damit verbringt, zu scheitern.

Vor allem aber möchten sie unterhalten werden. Deshalb sehen sie zu.

Es muss nicht immer alles nach Arbeit und Kampf aussehen bei den Olympischen Spielen, nach humorlosem Training und systematischem Doping, nach Regeln und Verboten. Das Video ist in einer Zeit zu sehen, in der das IOC den Athleten auf sechs Seiten erklärt, was die auf sozialen Medien alles nicht dürfen - und eine Botschaft an die Welt verschickt, in der es die Verwendung von sogenanntem "olympischen Material" ausdrücklich verbietet.

Es darf keine witzigen Memes von ulkigen Momenten geben, keine animierten Gifs, keine Videoschnipsel. Gesendet werden darf nur, was das IOC freigibt, über die vom IOC freigegebenen Kanäle. Humorlos ist das und auch ein bisschen der verzweifelte Versuch, weiterhin die Deutungshoheit über dieses Ereignis zu behalten.

Das Video der amerikanischen Schwimmer ist ein erfrischender Tupfer, ein lockeres Element vor dem Medaillenzählen - von dem es während des Medaillenzählens noch gerne einige geben darf. Ryan Lochte jedenfalls, die coole Socke, schert sich nicht besonders um Verbote, er veröffentlicht auf diversen Kanälen alles, was ihm so passiert. Diesmal übrigens ist Andrea Petkovic nicht verletzt, sie ist in Rio dabei. Das könnte unterhaltsam werden.

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