Remis des FC Bayern:"So etwas habe ich noch nicht erlebt"

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Thomas Müller (li.): Festgelaufen im Frankfurter Bollwerk (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der FC Bayern verliert gegen Eintracht Frankfurt beim 0:0 die ersten Punkte der Saison.
  • Frankfurt verteidigt extrem.
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Von Christopher Gerards, Frankfurt

Für einen Menschen, der gerade etwas Wichtiges gelernt hatte, sah Philipp Lahm sehr unglücklich aus. Er schlich durch die Tiefen des Frankfurter Stadions, er lächelte kaum, und als er über die Erkenntnis des Abends sprach, versteckte er seine Hände in den Taschen seiner roten Trainingshose. "Wir standen die letzten Wochenenden da und haben gesagt: unser Gegner hat sehr, sehr defensiv gespielt", setzte Lahm, der Kapitän des FC Bayern, an. Dann sagte er: "Man kann nicht glauben, dass es noch defensiver geht. Aber heute wurden wir eines Besseren belehrt."

Der FC Bayern München kann doch nicht alles gewinnen! - Am Freitagabend verbreitete die Deutsche Presse-Agentur eine Meldung, von der die Republik nicht angenommen hatte, sie allzubald zu lesen. Noch überraschender als das 0:0 des FC Bayern bei Eintracht Frankfurt waren nur seine Umstände. Dieses Nullnull werden sie an den restlichen Standorten der Bundesliga genau verfolgt haben, sie wissen jetzt: In den Tiefen der Lehrbücher schlummert eine Taktik, die selbst den FC Bayern ärgern kann, und Eintracht Frankfurt hat diese Taktik in ihrer radikalsten Form angewandt. Sie lautet: Macht kaputt, was euch kaputt macht, und am Freitagabend zielte sie besonders auf das Münchner Angriffsspiel.

"Natürlich kann der Gegner spielen, wie er will", sagte Bayern-Trainer Pep Guardiola hinterher. Frankfurt habe gut verteidigt, fand Guardiola, aber er fand auch, dass seine Mannschaft genügend Torchancen hatte, um das Spiel zu gewinnen. Tatsächlich kam der FC Bayern im ganzen Spiel aber nur zu drei Begebenheiten, die den Namen Chance verdienten: Erst fing Frankfurts Torhüter Lukas Hradecky einen Kopfball von Arturo Vidal ab (11.). Dann scheiterten Douglas Costa (46.) und Robert Lewandowski (81.) jeweils sehr freistehend, weil sie entweder Torwart Lukas Hradecky anschossen (Costa) oder am Tor vorbei zielten (Lewandowski).

Ansonsten konnte Hradecky nicht über Stress am Arbeitsplatz klagen, das lag an Frankfurts perfidem Plan, er ging so: "Hinten gut stehen und probieren, nichts zuzulassen" - so formulierte es Kapitän Alexander Meier, aber er wusste selbst, dass er in grob unverschämter Weise untertrieben hatte. Die Frankfurter begannen auf dem Papier zwar nur mit vier ausgewiesenen Abwehrspielern, aber in Wahrheit halfen selbst die Außenstürmer in der Abwehr mit.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Arjen Robben kann nicht ungestört arbeiten

Der Niederländer hat mehrere lästige Gegenspieler. Xabi Alonso wird mehrfach verhaltensauffällig. Und Kingsley Coman steckt im Stau. Der FC Bayern beim 0:0 in Frankfurt in der Einzelkritik.

Von Christopher Gerards, Frankfurt

Wann immer Kingsley Coman auf Bayerns rechter Seite dribbeln wollte, verfolgte ihn Haris Seferovic - der spielt sonst im Angriff. Und wenn Coman mal durchkam, stand Bastian Oczipka schon vor ihm und machte die Lücke dicht. Ähnlich erging es Douglas Costa auf der linken Seite, und auch in der Mitte steckte Arjen Robben andauernd im Stau. Lange Bälle von Boateng hinter die Abwehr? Funktionierten nicht, denn hinter der Abwehr lag schon die Torauslinie.

Er sei normalerweise ein Trainer, der offensiv spielen lasse - diesen Satz hat Frankfurts Trainer Armin Veh gesagt, aber an diesem Tag war wenig normal. Der FC Bayern ging mit der Ausgangslage ins Spiel, zehn Bundesligaspiele hintereinander gewonnen zu haben; Eintracht Frankfurt ging mit der Ausgangslage ins Spiel, am Dienstag im DFB-Pokal gegen Erzgebirge Aue rausgeflogen zu sein. Was machte Veh? Er radikalisierte jene Ansätze, die sich die jüngsten Bayern-Gegner Köln und Bremen ausgedacht hatten, ihrerseits ohne Erfolg: Frankfurt versuchte anfangs gar nicht erst mitzuspielen; Frankfurt versuchte, Tore zu verhindern, teils mit sechs Spielern in der Abwehr.

Der Plan funktionierte derart gut, dass die Spieler des FC Bayern hinterher klangen, als verlangten sie nach einer Entschuldigung für die grobe Anmaßung: "Die haben 30 Meter vor dem Tor mit zehn Mann verteidigt. So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagte Jérôme Boateng, der immerhin schon Länderspiele gegen Schottland erlebt hat. Und Arturo Vidal schimpfte bei Sky: "Was Frankfurt gemacht hat, war eigentlich kein Fußball." War es aber wohl.

Der Weltfußballverband hat das destruktive Spiel noch nicht auf den Index gesetzt, und so trieb Bayerns Spieler vermutlich auch ein bisschen die Sorge um, dass der Fall Frankfurt stilbildend sein könnte: die Frankfurter Schule, eine Theorie für aufrechte Revoluzzer, die dem FC Bayern gehörig auf die Nerven gehen möchten. Immerhin Pep Guardiola wirkte hinterher sehr gefasst über das, was er gesehen hatte. Der eine greife lieber weiter vorne an, der andere stelle sich hinten rein, an beides müsse seine Mannschaft sich anpassen, sagte er.

Was weder Guardiola noch einer seiner Spieler explizit sagten: Frankfurts Taktik enthielt einen entscheidenenden Schönheitsfehler, sie eignet sich daher nur in Teilen zur Nachahmung. Denn Frankfurt hatte derart intensiv verteidigt, dass es eine elementare Sache ganz vergaß: das Toreschießen.

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