DEB-Präsident Reindl:Ende eines unfreiwilligen Abstiegs

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"Ich gehe mit Stolz und Dankbarkeit. Der DEB hat sich sportlich und wirtschaftlich gut entwickelt." - Franz Reindl. (Foto: Horn/Eibner/Imago)

Vor einem Jahr sah sich der langjährige deutsche Eishockey-Chef Franz Reindl auf dem Weg an die Spitze des Weltverbands. Seitdem ist er Vorwürfen der Bereicherung ausgesetzt, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Nun verlässt er die Bühne.

Von Johannes Schnitzler, München

An diesem Wochenende geht in München eine Ära zu Ende. Wenn am Samstag die Mitglieder des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in einem Hotel im Osten der Stadt ein neues Präsidium wählen, tritt nach zwei Amtszeiten Franz Reindl von der Spitze jenes Verbandes ab, den er seit fast fünf Jahrzehnten entscheidend geprägt hat. Als junger Nationalspieler war er 1976 am Gewinn der olympischen Bronzemedaille beteiligt. Später fungierte er (ohne Anspruch auf Vollzähligkeit) als: Bundestrainer, Generalsekretär, General Manager der Nationalmannschaft, Sportdirektor und Geschäftsführer der DEB GmbH sowie Organisator von drei WM-Turnieren in Deutschland (2001, 2010, 2017). Im Juli 2014 trat Reindl als Präsident an, als der DEB sportlich, finanziell und atmosphärisch am Boden lag; ihm gelang es, den Verband und die mit ihm zerstrittene Deutsche Eishockey Liga zu versöhnen, DEL und DEL2 sowie deren Klubs wieder in den DEB (allerdings nicht unter dessen Verantwortung) zu führen und das komplizierte Verhältnis zu den Landeseissportverbänden (LEV) zu befrieden. Seinen größten Moment erlebte Reindl im Februar 2018, als die Nationalmannschaft in einem denkwürdigen Finale gegen die Olympischen Athleten aus Russland Gold nur um 55,5 Sekunden verpasste - die Silbermedaille von Pyeongchang ist der größte Erfolg in der deutschen Eishockey-Geschichte.

Der ehemalige Bundestrainer Uwe Krupp hat einmal gesagt: "Es wird schwer sein, jemanden zu finden, der in den letzten 30 Jahren mehr für das deutsche Eishockey getan hat als Franz Reindl." Andere sagen: Keiner hat davon mehr profitiert.

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Unmittelbar vor dem Gipfel, nur noch einen vermeintlich kurzen letzten Schritt entfernt vom krönenden Karriereziel, begann im vergangenen Juni der unfreiwillige Abstieg des 67-Jährigen.

Reindl geht als Favorit in die IIHF-Wahl - und unterliegt deutlich

Während der WM 2021 in Lettland, als das DEB-Team ins Halbfinale stürmte und in der Weltrangliste auf Platz fünf kletterte; als Reindl bekanntgab, um das Präsidentenamt des Weltverbands IIHF zu kandidieren: Just in diesem Moment des Hochgefühls richteten die Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ein Auskunftsbegehren an den DEB. Es war zwar nur eine Anfrage von drei "kleineren Verbänden", wie der Verband anmerkte. Aber sie entwickelte Sprengkraft. Es ging darin um mögliche Interessenkonflikte Reindls in seiner Doppelfunktion als ehrenamtlicher Präsident und zugleich bezahlter Geschäftsführer der DEB GmbH, die für die Organisation der WM-Turniere verantwortlich war und zeitweise zu 50 Prozent vom Vermarkter Infront finanziert wurde. Fragwürdig erschien den LEV unter anderem, warum die DEB GmbH über die WM 2017 hinaus mehrere Jahre weiter unterhalten wurde, obwohl sie nie Gewinn abwarf. Der Verdacht: um Reindls Gehalt weiter zu finanzieren - unter anderem durch Infront, im Gegenzug für günstige Konditionen bei der Vermarktung der Nationalmannschaft.

Die Antworten, die sie vom DEB erhielten, stellten die LEV nicht zufrieden. Sie schalteten die Ethik-Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes ein. Die erklärte sich zwar als nicht zuständig, empfahl aber "dringend", die Angelegenheit "umfassend und unabhängig zu prüfen". Es müsse geklärt werden, "ob eine verdeckte Finanzierung der ehrenamtlichen Funktion des Präsidenten vorliegt". In einem ersten, später korrigierten Vorberichtsentwurf an die Kommission war zu lesen, dass es Verdachtsmomente für das Vorliegen einer Straftat geben könnte. Der DEB sprach von einem "konstruierten Vorwurf".

Reindl sieht sich durch ein Gutachten entlastet, das seine Kritiker nicht als unabhängig anerkennen

Der Streit zog sich bis in den Herbst und überschattete Reindls IIHF-Kampagne. Bei der Wahl zum Präsidenten unterlag der favorisierte Garmisch-Partenkirchener - zumal in dieser Deutlichkeit - überraschend dem Franzosen Luc Tardif: mit 39:67 Stimmen. Und machte dafür nicht zuletzt "unerlaubte Checks von hinten" aus den eigenen Reihen verantwortlich.

Um die Vorwürfe gegen Reindl zu entkräften, gab der DEB im Oktober 2021 bei der Kölner Kanzlei Verte ein Gutachten in Auftrag. Diese legte nach sechs Monaten ihren 221 Seiten starken Abschlussbericht vor. Kurze Zusammenfassung: Reindl habe sich nichts Strafwürdiges zuschulden kommen lassen und für das Geld, das er erhalten habe, "durchgängig Leistungen erbracht", unter anderem in Vorbereitung der Bewerbung um die WM 2027. Aber da brannte es unter dem Dach des DEB längst lichterloh. Sportdirektor und Pressesprecher wurden ersetzt, zwischen den Mitarbeitern in der Zentrale soll es zu regelrechten Lagerkämpfen gekommen sein.

"Hass" und "Vernichtungswille" - sein Ruf sei irreparabel beschädigt, sagt Reindl

Zu Beginn dieses Jahres erstattete Hendrik Jan Ansink, Vorsitzender des Eishockeyverbandes Hessen und Mitglied im Aufsichtsrat der DEL2, Strafanzeige gegen Reindl - unter anderem wegen des Verdachts der "Vorteilsgewährung und der Untreue zum Nachteil des DEB". Das Verte-Gutachten erkennen die Reindl-Kritiker nicht als unabhängig an, weil es vom DEB bestellt wurde. Mittlerweile liegt eine zweite Strafanzeige gegen Reindl und auch dessen Vizepräsidenten Berthold Wipfler vor, ebenfalls wegen des Verdachts der Untreue: Der DEB soll den Landesverbänden seit 2015 angeblich vertraglich zugesicherte Beteiligungen aus dem Kooperationsvertrag mit der DEL vorenthalten. Diese Anzeige hat der LEV Nordrhein-Westfalen gestellt. Allein dem LEV NRW soll nach seiner Sicht eine Summe im mittleren sechsstelligen Bereich zustehen. Ein Verfahren dazu ist seit 2018 am Landgericht München I anhängig. Allerdings vertritt die Interessen der Klubs aus Nordrhein-Westfalen schon seit 2015 nicht mehr der LEV NRW, sondern der damals gegründete Eishockey-Verband NRW.

Die Staatsanwaltschaft München I teilt mit, bis zum Abschluss der Ermittlungen werde es voraussichtlich noch "mehrere Monate" dauern. Für Reindl ist das Thema "erledigt". Er fühle sich durch das Verte-Gutachten "entlastet". Der SZ sagte Reindl am Freitag: "Der Konflikt ist für mich keiner mehr." Tatsächlich haben die Reindl-Kritiker in den Tagen vor der Versammlung einige Anträge zurückgenommen, um einen Neuanfang nicht weiter zu belasten. Auch in einem seit Jahren anhaltenden Rechtsstreit mit dem Bayerischen Eissportverband um rund eine Dreiviertelmillion Euro aus Kooperationsentgelten und Verbandsabgaben zeichnet sich ein Vergleich ab: Beide Seiten haben sich auf rund ein Drittel der Summe geeinigt. Die DEB-Mitglieder sollen darüber abstimmen.

Für das neue Präsidium steht ein Trio bereit - aus dem alten tritt nur ein Vize wieder an

Reindl hat sich in den vergangenen Monaten weitgehend zurückgezogen und eine dritte Amtszeit ausgeschlossen. Der Schaden für seine Reputation sei irreparabel, sagt er. Wie ein einst gefeierter Künstler, der Applaus erwartet, aber nur mehr Buhs bekommt, sagt er: "Ich bin froh, dass ich diese Bühne jetzt verlasse. In Deutschland wirst du mit Dreck beworfen und sollst hinterher noch selber sauber machen." Warum ihm zu seinem Karriereende solcher "Hass" und "Vernichtungswille" entgegenschlügen, könne er sich nicht erklären. "Aber ich gehe mit Stolz und Dankbarkeit. Der DEB hat sich sportlich und wirtschaftlich gut entwickelt."

Seinen Platz im IIHF-Council, dem höchsten Organ des Weltverbands, will er behalten. Auch Wipfler und Daniel Hopp, Geschäftsführer der Adler Mannheim, treten als Vizepräsidenten nicht mehr an. Als Nachfolger kandidieren: Peter Merten, 68, ehemaliger Industriekapitän, Aufsichtsratsvorsitzender der DEL2 und Gewährsmann der Reindl-Opposition, für den vakanten Präsidentenposten; Hauke Hasselbring, Geschäftsführer des Erstligisten Bremerhaven, für den Bereich Finanzen; sowie der ehemalige Nationalspieler Andreas Niederberger, Vater von Nationaltorwart Mathias Niederberger. Als einziger Vize aus dem bisherigen Präsidium tritt Marc Hindelang abermals an, als Vertreter der Amateure. Teilnehmer berichten von konstruktiven Vorstellungsrunden. "Der neue Präsident und sein Team haben mein Vertrauen, dass sie wissen, wie sie mit möglichen Altlasten umzugehen haben", schreibt etwa Hendrik Ansink. Nur gewählt werden müssen sie jetzt noch.

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