Pferdesport:Auf den Spuren von Hugo Nationale

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Familienmitglied: Für Max Kühner ist Electric Blue P "unverkäuflich". (Foto: Stefan Lafrentz/Imago)

Mehr Freiheit, weniger Unterstützung: Der bayerische Springreiter Max Kühner tritt für Österreich an. Mit dem Team hat er nun EM-Bronze gewonnen und sich für die Olympischen Spiele in Paris qualifiziert.

Von Sabine Neumann

Max Kühner neigt nicht zu emotionalen Ausbrüchen. Aber nach seinem Null-Fehler-Ritt mit Electric Blue P im zweiten Umlauf des Mannschaftswettbewerbs bei der Europameisterschaft in Mailand strahlte der gebürtige Münchner und lobte sein Pferd überschwänglich. Sie hatten das große Ziel erreicht: die Qualifikation Österreichs für die Olympischen Spiele in Paris. "Es war wohl meine bisher wichtigste Nullrunde", bilanzierte Kühner, 49, einen Tag später. Österreichs letzter olympischer Teamauftritt war 1996 in Atlanta.

Dass es am Ende sogar zur Team-Bronzemedaille reichen würde, hatte niemand erwartet. Bei der vergangenen Europameisterschaft 2021 in Riesenbeck waren die Österreicher Zehnte geworden. Und diesmal brachte neben Kühner mit Electric Blue P nur ein weiteres Paar Championats-Erfahrung mit: Katharina Rhomberg (Platz 135 der Weltrangliste) mit Cuma. Für Naxcel V von Teamreiter Gerfried Puck (Platz 94) war es der erste derartige Einsatz, in ihm und der 27-jährigen Alessandra Reich (Platz 366) und ihrem erst neunjährigen Oeli R sprangen gleich zwei Neulinge mit. Zu den Favoriten zählten die Österreicher also definitiv nicht.

Doch mit dem Olympiaticket in der Tasche konnte die Debütantin als Schlussreiterin unbeschwert reiten - und kam mit nur einem Abwurf aus dem schweren Parcours. Die Bronzemedaille für Österreich war fix, während die Deutschen unglückliche Vierte wurden. Zum ersten Mal überhaupt brachte Team Austria Edelmetall von einer EM nach Hause. Nur einmal, 1992 in Barcelona, gab es olympisches Mannschaftssilber. Auch damals trug in Hugo Simon ein gebürtiger Deutscher maßgeblich zum Erfolg der Nachbarn bei.

Wie einst "Hugo Nationale" wechselte Max Kühner aus sportlichen Gründen die Nationalität. 2015 nahm der Unternehmer, der in Starnberg einen Ausbildungs- und Handelsstall betreibt, die österreichische Staatsbürgerschaft an. Anders als in Deutschland ist die Spitze im Nachbarland überschaubar. Der Wechsel verhalf Kühner zu Startgenehmigungen für die großen internationalen Turniere mit hoher Dotierung und zur Teilnahme an Championaten. Allerdings fällt die Unterstützung durch den kleinen Österreichischen Pferdesportverband (OEPS) in finanzieller und fachlicher Hinsicht geringer aus als durch die FN, den großen Nationalverband in Deutschland. So gibt es keinen Spring-Bundestrainer und auch keine Kaderlehrgänge für die Spitzensportler. Das heißt, die Aktiven sind mehr oder weniger auf sich selbst gestellt, worin Kühner zugleich aber durchaus einen Vorteil sieht. Denn so hat er bei Turnierplanung und Pferdemanagement weitgehend freie Hand, außerdem sind Absprachen durch flache Hierarchien unkomplizierter.

Die zweijährige Tochter reitet auf ihrem Pony Peter Pan auch gerne mal ins Wohnzimmer

Laut Statistik des Weltreiterverbands startete Kühner seit 2010 mit 65 verschiedenen Pferden in 3581 Prüfungen. Etwa 45 Wochenenden im Jahr ist der Unternehmer auf großen Turnieren in aller Welt unterwegs und rangierte wiederholt unter den Top Ten der Weltrangliste. Das Team daheim, das ihm den Rücken freihält, besteht aus zwölf Leuten und aus seiner Familie. Ehefrau Liv, gebürtige Dänin und Dressurreiterin bis zum Grand Prix, gibt auch den Springpferden den Feinschliff, managt das gemeinsame Leben und fährt die Töchter auf Turniere. Die 13-jährige Jolie gewann kürzlich Teamgold und Einzelsilber bei der Jugend-EM in der Children-Klasse. "Papa, jetzt bist du nur noch eine Medaille hinter mir", habe sie seinen Erfolg kommentiert, erzählte Kühner schmunzelnd. Die zehnjährige Grace ist ebenfalls im Springsattel erfolgreich. Und die zweijährige Maxi reitet laut Kühner auf ihrem Pony Peter Pan auch gerne mal ins Wohnzimmer. "Die Pferde sind unser Lebensinhalt", sagte Kühner.

Neben dem Preisgeld ist der Verkauf gut ausgebildeter Sportpferde das wichtigste wirtschaftliche Standbein. Mit seinen Geschäftspartnern hat Kühner 94 Pferde, rund 60 unter dem Sattel. Der Pferdebesessene ist immer auf der Suche nach jungen Ausnahmetalenten. Seinen sensiblen Überflieger Electric Blue P entdeckte er 2014 bei den Süddeutschen Hengsttagen in München. "Wir sind seit fast zehn Jahren zusammen. Blue und ein paar andere sind unverkäuflich. Sie sind Familienmitglieder", sagte Kühner. Einige bedeutende Siege hat er errungen und erst kürzlich den Grand Prix von Dinard gewonnen, aber eine Einzel-Medaille fehlt noch. Die Olympischen Spiele in Paris bieten ihm nun eine neue Chance.

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