Pferdesport:Neue Bescheidenheit

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Manchmal muss eben Bronze reichen: Die deutschen Dressurreiter (von links nach rechts) Isabell Werth, Ingrid Klimke, Benjamin Werndl und Frederic Wandres sowie Equipechef Klaus Roeser stehen bei der Siegerehrung bei der WM erstmals seit 2010 nicht auf dem höchsten Podest. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Erst zum dritten Mal in der WM-Geschichte gibt es für das deutsche Dressurteam kein Gold. Das liegt auch an einigen Absenzen im Team. Vor allem aber zeigt die Konkurrenz, dass mit ihr für Olympia 2024 zu rechnen ist.

Von Gabriele Pochhammer, Herning

Die Zeiten haben sich geändert, die Deutschen holen sich das Dressurgold nicht mehr ab wie ein Postpaket. Andere Nationen haben aufgeholt. Die deutschen Reiter sind gut, die Pferde auch -aber es fehlten in Herning die Starqualitäten im deutschen Team. Vor Jahren hätte das für den Sieg gereicht, heute noch für Bronze. Ein Trost für die Zukunft: Olympiasiegerin Dalera von Jessica von Bredow-Werndl hätte die fünf Punkte zwischen Gold und Bronze womöglich geholt. Für Paris 2024 ist die Stute mit 17 Jahren gerade noch jung genug. Aber das ist ja erst übermorgen. Bei der Weltmeisterschaft in Dänemark geht es um das Hier und Jetzt.

Das dänische Dressurteam gewann mit 235,451 Punkten den Titel, gefolgt von den Briten (234,223). Für die sieggewohnten Deutschen blieb der Bronzeplatz (230,791). Alle Medaillenteams lagen also dicht beieinander. Es war nach 1970 und 2010 erst die dritte Niederlage für eine deutsche Dressurequipe in der WM-Geschichte. Dazu passte, dass die Deutschen Starter am Montagabend bei der ersten von zwei Einzelentscheidungen der Dressur-WM sogar ohne Medaillen blieben. Für die beste Platzierung im Grand Prix Special sorgte Isabell Werth, die mit Quantaz auf Rang vier ritt. Fünfter wurde Benjamin Werndl mit Famoso.

Das Gold war schon weg, als der letzte deutsche Reiter Frederic Wandres im Team-Wettbewerb auf dem 15-jährigen Duke of Britain einritt. Mehr als 81 Prozent hätte er haben müssen, um seinem Team noch den Titel zu sichern. Sein persönliches Bestergebnis war um rund vier Prozent niedriger. Da hätte schon ein Wunder geschehen oder ein Pferd der Konkurrenz seinen Reiter abwerfen müssen. Beides passierte nicht, und Duke of Britain konnte obendrein nicht so begeistern wie noch in Aachen vor einem Monat. Er wirkte ein wenig unlustig, beging ein paar Fehler und blieb mit 76,661 Prozent (Platz neun) unter seinen Möglichkeiten. "Aber er hat gezeigt, dass er ein Verlasspferd ist und seine Noten bekommt. Wenn wir keine Fehler machen, bin ich für den Grand Prix Special optimistisch", sagte Wandres. Beim Check durch den Tierarzt am Montagmorgen folgte dann allerdings die Enttäuschung: Duke of Britain wurde zurückgezogen. Für Wandres ging in Herning dennoch ein Kindheitstraum in Erfüllung: "Einmal ein Mannschaftsfoto mit Isabell Werth. Da kann ich jetzt einen Haken dran machen."

Zwei deutsche Reiter erreichen persönliche Bestmarken, und Isabell Werth hat ihr Pferd wieder besser im Griff

Besser lief es für die drei anderen deutschen Reiter. Benjamin Werndl auf Famoso (77,003 Prozent, Platz sieben) und Ingrid Klimke (75,683, Platz 14) erreichten persönliche Bestnoten, und Isabell Werth, mit sechs Olympiasiegen die Säule des Teams und eine Ikone des Sports, hatte den zwölfjährigen Quantaz wieder so gut im Griff, dass er ohne Fehler das Programm absolvierte. Vor zwei Wochen hatte er seine Reiterin bei einem Turnier in Kronberg mitten in der Piaffe mit einem gewaltigen Bocksprung über das halbe Viereck geschockt. Deswegen ließ Werth es im Grand Prix etwas vorsichtiger angehen (77,407 Prozent, Platz fünf).

Mit Platz drei haben die deutschen Dressurreiter das Minimalziel, die Olympiaqualifikation, geschafft. Man sei zufrieden, sagte der Sportchef des Reiterverbandes (FN), Dennis Peiler, in neuer deutscher Bescheidenheit. Mehr war nicht drin. Es fehlte ein vierbeiniger Star, ein Punktesammler wie die pensionierte Bella Rose von Werth, der verletzte Showtime von Dorothee Schneider oder eben die Olympiasiegerin Dalera von Jessica von Bredow-Werndl, der die anderen mitzieht: Pferde mithin, die die Menschen und damit auch die Richter begeistern.

Der Erfolg der dänischen Equipe ist keine Überraschung. Verblüffender ist die Leistung der zweitplatzierten Briten

Für das dänische Team war es der erste WM-Titel überhaupt, ein grandioser Erfolg für die Gastgeber. Topreiterin Cathrine Laudrup-Dufour gewann auf dem zehnjährigen Vamos Amigos mit 81,863 Prozent den Grand Prix, ohne schon aufs Ganze zu gehen. Sie wird auch als Favoritin für die beiden Einzeltitel gehandelt, dafür hat sie die Kräfte ihres Pferdes noch aufgespart.

Beeindruckte die Zuschauer und die Juroren: die Britin Charlotte Fry auf Glamourdale. (Foto: Elli Birch/ IPS/Shutterstock/Imago)

Die eigentliche Überraschung aber waren die Briten, die den Deutschen die Silbermedaille wegschnappten. Die zweimalige Olympiasiegerin Charlotte Dujardin brachte mit dem erst neunjährigen Imhotep einen relativen Neuling an den Start. Der Fuchs war bis dahin erst drei Grand Prix gegangen, jeweils nur vor einer Handvoll Zuschauer, und musste nun erst mal mit der Atmosphäre im gut besetzten Fußballstadion in Herning fertig werden. Das machte er tapfer, und hinzu kamen noch ein paar Bonuspunkte für die Olympiasiegerin (77,407, Platz zwei).

Für Irritationen sorgt der dritte britische Starter, Gareth Hughes, der trotz Corona-Infektion antritt

Der eigentliche Star nicht nur des britischen Teams, sondern dieser Dressurweltmeisterschaft war der elfjährige Rapphengst Glamourdale, geritten von der hochbegabten 26-jährigen Charlotte Fry, mit 80,839 Prozent Zweite hinter der Dänin Laudrup-Dufour. Viele Fachleute sahen sie ganz vorne, aber die Zeit von Charlotte Fry wird kommen, vermutlich spätestens in zwei Jahren bei den Olympischen Spielen in Paris. Der Rapphengst tanzte durchs Programm, durchmaß mit riesigen Galoppsprüngen die Diagonale, bekam mehrfach Szenenapplaus und von der Jury die Bestnote zehn. Ein Paar mit Starqualitäten, dessen Karriere gerade erst begonnen hat - vielleicht ritt in Herning schon die künftige Olympiasiegerin ins Viereck.

Für Irritationen sorgte der dritte Brite, Gareth Hughes auf Classic Briolinca. Erst nach dem Grand Prix wurde bekannt, dass der 51-Jährige bereits vor seinem Ritt positiv auf Covid getestet worden war. Ohne Maske gab er Interviews und stand bei der Siegerehrung eng gedrängt auf dem Podium mit den anderen Reitern. Die britische Verbandsvertreterin Winnie Murphy verteidigte dies mit den dänischen Gesetzen, die keinerlei Absonderung oder Quarantäne mehr vorschreiben. Die anderen Mannschaften wurden über den Befund nicht informiert. "Wir waren völlig überrascht", sagte der deutsche Equipechef Klaus Roeser. "Sonst hätten wir bei der Siegerehrung mehr Abstand gehalten. Das war eine menschliche Enttäuschung."

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