Patrick Lange gewinnt Ironman:Unter acht Stunden

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Patrick Lange bei seinem Zieleinlauf. (Foto: Ronit Fahl/dpa)
  • Der Darmstädter Patrick Lange verteidigt erfolgreich seinen Ironman-Titel auf Hawaii und gewinnt in einer Zeit von 7:52:39 Stunden.
  • Damit knackt er als erster Mensch die Schallmauer von acht Stunden auf dem sehr schwierigen Insel-Kurs.
  • Im Ziel macht er seiner Freundin einen Heiratsantrag.

Von Johannes Knuth

Als er den letzten Widersacher eingesammelt hatte, als nur noch 26 Laufkilometer durch die Hitze und die Lavafelder von Kona vor ihm lagen, da hatte Patrick Lange noch die Kraft für eine kleine Geste. Er schloss zu Cameron Wurf auf, der das Rennen bis dahin angeführt hatte, und streckte dem Australier die Faust entgegen, zum Gruß. Wurf wirkte etwas überrascht von diesem spontanen Akt der Wertschätzung, er lächelte, aber das bekam Lange nur noch am Rande mit. Er war bereits ein paar Schritte weitergezogen, dann lächelte auch er, ganz kurz.

Was sollte denn auch noch schiefgehen in diesem Ironman am Samstag, in dem die Spielregeln des Gewöhnlichen für den Triathleten Patrick Lange außer Kraft gesetzt zu sein schienen?

Wenn auf Hawaii eine Regel gilt, dann ja die, dass ein Plan nicht aufgeht. Die oft mythisch verklärte Prüfung auf der Pazifikinsel erinnert immer auch an eine Abenteuerexpedition, mit der Strömung auf dem offenen Meer, den Winden, den Schmerzen, die nach und nach Körper und Sinne betäuben, kurzum: Es ist ein Gebräu aus Gemeinem und Unwägbarem, von dem man nirgendwo anders kosten kann. Auch Lange dürfte für die 40. Auflage am Samstag einen etwas anderen Matchplan im Kopf gehabt haben, aber seine Abweichung war eine, die fast nie vorkommt: Es lief mit jeder Minute eher besser als erwartet. Am Ende brachte er den schwersten Ausdauerdreikampf seines Sports nicht nur am schnellsten hinter sich, die 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,195 Kilometer zu Fuß. Er schaffte das in weniger als acht Stunden, als erster Mensch auf Hawaii - ein Tatbestand, der lange so wahrscheinlich war, als würde man von einer Orgel erschlagen werden, die von einem Meteoriten herunterplumpst.

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7:52:39 Stunden, das war Langes Zeit, die das Potenzial hat, ein Klassiker in den Sportgeschichtsbüchern zu werden. Der Streckenrekord von Daniela Ryf ging da fast unter, jene 8:26:16 Stunden, mit denen die Schweizerin unter anderem vor der drittplatzierten Deutschen Anne Haug gewann. Aber es half ja nichts, Langes Tag war einer aus dieser Kategorie, die ihre eigene Faszination ausübt. Hier hatte sich ein Sportler nicht nur aus dem Gewöhnlichen erhoben, hier war einer dem Außergewöhnlichen ganz entflohen. Als blicke er nach einer langen Wanderung vom höchsten Gipfel auf das Land, das schön und klein zu seinen Füßen liegt.

"Kaum in Worte zu fassen", das gab Lange zunächst am ZDF-Mikrofon zu Protokoll. Dafür sprach die Statistik für ihn. Er hatte gerade die deutsche Dominanz auf Hawaii verlängert, nach den Siegen von Thomas Hellriegel, Normann Stadler, Faris Al-Sultan, Sebastian Kienle und Jan Frodeno. Zum anderen hatte Lange an seinen Vorjahrestriumph einen zweiten Sieg geknüpft, und er machte keinen Hehl daraus, dass ihm die Zeit zwischen beiden Erfolgen, die Wandlung vom Jäger zum Gejagten, sehr beschäftigt hatte. "Es hat sich so viel in so kurzer Zeit für mich geändert", sagte er, die Erwartungen und Debatten im Vorfeld, "das war einfach zu viel für mich." Lange wischt sich eine Träne aus dem Gesicht, vielleicht war es auch etwas Meerwasser. Dann ergänzte er jedenfalls: "Jetzt hier zu stehen, das ist einfach unfassbar."

Die Woche in Kona hatte mit dem üblichen Wahnsinn begonnen: 2500 Starter bereiteten sich in dem verschlafenen Inselort vor, präsentierten ihre gestählten Oberkörper beim Joggen oder fuhren ihre Rennräder aus, die man locker gegen einen VW Polo eintauschen könnte. Es war, als habe man eine Horde Rennpferde eingesperrt, die darauf warten, endlich los zu galoppieren. Und was in dieser Anspannung so alles passieren kann, bewiesen die Deutschen. Lange stichelte gegen Sebastian Kienle, mit dem er zuvor ab und zu aneinandergeraten war. Kienle erörterte daraufhin seine Motivlage: Lange sei bekannt dafür, dass er den Mindestabstand beim Radfahren oft nicht einhalte, vom Windschatten profitiere. Das fand Lange wiederum "haltlos". Nach ein bisschen Hin her klassifizierten die Beteiligten ihre Kontroverse als Säbelrasseln; man einigte sich darauf, die Sache auf der Strecke auszutragen.

Dort erwischte Kienle den besseren Start. Er stieg knapp hinter Lange aus dem Wasser und würde nun auf dem Rad davonfliegen, dort ist er einer der Besten, soweit die Theorie. In der Praxis hatte Kienle erst mal einen Defekt am Hinterrad. Als er endlich loslegte, war die Spitze weit enteilt. Lange machte es sich in einer Verfolgergruppe bequem, mit Trainingspartner Andreas Dreitz, der das Tempo hochhielt. Kienle, sichtbar genervt von seinem Malheur, kam nicht heran. Er fiel sogar weiter zurück. In der Wechselzone lag Kienle fünf Minuten hinter Lange, und jetzt kam ja erst dessen beste Übung, der Marathon. Es kam dann gar nicht zur Verfolgung, Kienles Fersenprobleme zwangen ihn zur Aufgabe, heulend kauerte er am Straßenrand. Es war sein erster schwarzer Tag auf Hawaii, wo viel läuft, aber wenig nach Plan.

An der Spitze lag mittlerweile Großes in der Luft. Das Radrennen war rasend gewesen, die üblichen Fallwinde von den Bergen waren ausgeblieben, leichter Regen hatte die Hitze zerstreut. "Fast angenehm", sagte Jan Frodeno, der auf Hawaii verletzungsbedingt zuschaute, mit ein bisschen Neid in der Stimme. "Die Inselgöttin hat uns heute einen extrem guten Tag beschert", bestätigte Lange später. Er hatte seine ärgsten Konkurrenten vor dem Marathon nun alle hinter sich, und wer noch vor ihm lag, den hatte er bald eingefangen. "Das ganze Jahr verlief so holprig", sagte er später im Ziel, er dachte unter anderem an die Schlappe gegen Frodeno, beim Ironman in Frankfurt. "Aber ich habe immer gesagt, dass dieses Rennen hier das ist, was mich so antreibt", ergänzte er. Und es stimmte ja: Er hatte sich erneut als Spezialist für diesen einen Tag in Kona erwiesen - wen interessiert da die Formdellen von gestern oder vorvorgestern?

Lange hat vor 16 Jahren mit dem Sport angefangen, er hatte ein paar gute und ein paar mäßige Jahre, genoss auch mal das Leben. Er arbeitete halbtags als Physiotherapeut, weil die Sponsoren rar waren, Anfang 2016 stand er am Scheideweg: Sport oder echtes Leben? Er setzte alles auf den Sport, wurde im ersten Versuch auf Hawaii Dritter. Seitdem läuft es - vor allem dank Faris al-Sultan, dem ehemaligen Hawaii-Sieger, der Lange erst mehr Demut beibrachte, dann dessen Talent in Erfolge überführte.

Und jetzt? In Fabelmarken bündeln sich neben großer Bewunderung ja längst auch große Zweifel; der globale Anti-Doping-Kampf ist da einfach zu unzuverlässig. Langes Camp hat sich immerhin sehr klar positioniert, mit al-Sultan, der schon zu seiner aktiven Zeit öffentlich kritisiert, er werde zu wenig kontrolliert. Lange selbst sagte im Sommer der FAZ: "Ich weiß, dass ich meinem Vater nie mehr unter die Augen zu kommen bräuchte, wenn ich mir wissentlich Doping zuführen würde."

Die nächsten Jahre auf Hawaii dürften unterhaltsam bleiben, Kienle und Frodeno werden voller Trotz und Ehrgeiz zurückkehren, und Lange ist mit seinen 32 Jahren fast noch ein Anfänger im Langstreckengewerbe. Am Samstag machte er seiner Freundin aber erst mal einen Heiratsantrag. Auch das mit Erfolg.

Mitarbeit: Ann-Kathrin Eckardt, Kona

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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