Nordische Kombination bei Olympia:Nur bis zum letzten Anstieg

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Der nachnominierte Manuel Faißt (l.) lag lange auf Medaillenkurs, verpasste kurz vor der Ziellinie aber doch noch das Podest. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Beim Sieg des Norwegers Joergen Graabak verpassen zahlreiche Favoriten die Medaillenränge - auch die Deutschen. Lediglich einer von ihnen dürfte sich bestärkt fühlen: der quarantäne-befreite Eric Frenzel.

Von Volker Kreisl

Auf den letzten Metern hatte Joergen Graabak noch die meisten Kräfte. Da lag es vor ihm, das Ziel nach zehn Kilometern, und der Norweger war der cleverste Sprinter in der Schlusskurve und hatte schließlich die freie Bahn. Vielleicht schoss ihm in diesem Augenblick noch das Bild von Sotschi 2014, von seinem ersten Olympiasieg, in den Kopf. Auch da war er als Erster über die Linie gerutscht, aber nur deswegen, weil sich zwei der führenden Deutschen direkt vor ihm gegenseitig umgefahren hatten.

Acht Jahre ist das her, diesmal war Graabak ein lupenreiner Erster, weil er im zweiten Kombinationswettkampf, dem Einzel von der Großschanze, einen soliden Skisprung vorgeführt und darauf eine kluge Aufholjagd erfolgreich zu Ende gebracht hatte. Als Gewinner durften sich zudem Jens Luraas Oftebro fühlen, der im Sog seines Landsmanns Silber ergatterte, und der Japaner Akito Watabe, der demonstrierte, dass auch mit 33 Jahren mit ihm noch zu rechnen ist. Drei Sieger also brachte der Tag hervor - aber auch zahlreiche Verlierer.

"Einer muss halt Vierter werden": Ersatzläufer Manuel Faißt verpasst nach starkem Rennen die Medaille

Viele von ihnen schrieben in diesem Rennen, in dem Hoffnung und Verzweiflung wild wechselten, eine besondere Geschichte. Darunter waren der unglückliche Favorit Jarl Magnus Riiber, das spät doch noch eingebrochene Team der Österreicher, und an diesem Tag auch die deutsche Mannschaft von Bundestrainer Hermann Weinbuch. Dessen bester Läufer, der nachnominierte Manuel Faißt, lag lange auf Medaillenkurs und verpasste doch kurz vor der Ziellinie eine Medaille. "Einer muss halt Vierter werden, und heute hat es leider mich getroffen", sagte er später. Das passte irgendwie zum Rennausgang des gesamten bitterkalten Abends (16 Grad minus), den Weinbuch mit einem schönen Satz kommentierte. Im ZDF sagte er: "Man hat nicht jeden Tag die gleichen Beine."

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Nach kilometerlanger Aufholjagd zeigt Vinzenz Geiger einen entfesselten Schlussspurt - und schnappt seinem Teamkollegen Johannes Rydzek die sicher geglaubte Goldmedaille weg.

Von Volker Kreisl

Gemeint waren insbesondere zwei seiner Läufer, denen nach dem Springen noch Großes zugetraut wurde: Vinzenz Geiger und Johannes Rydzek. Geiger, vor einer Woche Olympiasieger von der Normalschanze, hatte rund zwei Minuten Rückstand, lief mit großen Schritten los, ließ viele in dieser Kälte scheiternde Konkurrenten hinter sich, rannte dann aber - eindeutig mit anderen Beinen als vor einer Woche - letztlich selber in eine Niederlage.

Als erster Mitfavorit fiel der Oberstdorfer Teamgefährte Johannes Rydzek zurück, der am Ende als 28. ins Ziel kam, was darauf hindeutete, dass er für einen eventuellen Einsatz im Team am Donnerstag keine Kräfte verpulvern wollte. Im Gegensatz zu Geiger: Eine Runde lang hielt sich dieser in der Gruppe auf, dann wurde ihm das Tempo abermals zu langsam. Er scherte nach rechts aus und pflügte am Verfolgerfeld vorbei in Richtung Spitze. Teamkollege Julian Schmid ließ er hinter sich und irgendwann lag er an der Spitze der Verfolger - mit einem prominenten Geschlagenen im Rücken: Jarl Magnus Riiber.

Fast das ganze Feld hatte Vinzenz Geiger wieder überholt, dann aber verließen ihn die Kräfte

Der Norweger stellt seit Jahren die dominierende Figur in der Kombination dar, weil er der überragende Skispringer unter den Kombinierern ist und seit ein paar Jahren auch sein Lauftempo optimierte. Dann aber kam ihm das Coronavirus in die Quere, weshalb er zwölf Tage in Quarantäne saß und nun auch von der Form her kalt auf die Schanze ging. Dennoch - Riiber sprang, als käme er aus einem Spezial-Trainingslager, allen davon, 44 Sekunden betrug sein Vorsprung am Start. Einsam startete er ins Rennen und hatte sich schon nach einer Runde selber geschlagen, weil er falsch abgebogen war, umkehren musste und am Ende nicht mehr mithielt.

Der wild durch den Schnee stampfende Geiger wiederum dürfte Riiber nicht sonderlich beachtet haben - er war ja auch mit sich selber beschäftigt. Denn zu diesem Zeitpunkt begannen auch seine Kräfte, ihn zu verlassen. Vor einer Woche noch hatte er das Feld komplett aufgerollt und gewonnen, jetzt konnte er nicht weiter beschleunigen, konnte nur noch seine Position verteidigen. Vor ihm, in Sichtweite Geigers, erlitten noch die Österreicher ihre Niederlage. Lukas Greiderer und Johannes Lamparter, bislang der Weltcupbeste in diesem Winter, waren selber lange als aussichtsreiche Verfolger unterwegs und stießen nun ebenfalls an ihre Grenzen.

Bleibt für die Deutschen eigentlich nur, den Blick nach vorne zu richten. Und trotz dieses eher betrüblichen Großschanzenrennens hat Weinbuch immer noch eine solide Auswahl für den Mannschaftswettkampf am Donnerstag zur Verfügung. Denn zu den vier Gestarteten ist nun auch noch der aus der Quarantäne befreite Eric Frenzel dazukommen. Er hatte anderthalb Wochen lang mit seinem CT-Wert gerungen, der nicht ansteigen wollte, nun ist er endlich frei und darf starten.

Vor diesem Rennen hatte Frenzel noch darum gebangt, ob er es überhaupt noch ins Team schafft, "ich werde mich hoffentlich anbieten können", hatte er gesagt. Nach diesem Rennen, an dem alle Deutschen an ihre Grenzen gelangt waren, sind seine Chancen wohl gestiegen.

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