Olympia in Vancouver:Entwarnung für Doper

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Es ist wahrscheinlich, dass es in Vancouver keine großen Dopingfälle geben wird. Aber die Winterspiele sind eher nicht sauber - sie sehen nur so aus.

Thomas Hahn

John Fahey war mal Premierminister von New South Wales und australischer Finanzminister. Daran muss man jetzt erinnern, damit kein falscher Eindruck entsteht. John Fahey sitzt zwar als Vorsitzender der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) auf dem Podium im Pressezentrum der Vancouver-Spiele, aber das heißt nicht, dass er nun Klarheit stiftet über den Kampf gegen Doping. Er ist nur gekommen, um das zu tun, was er als Politiker wirklich gut kann: um zu reden.

Die Experten rechnen in Vancouver nicht mit großen Dopingfällen. (Foto: Foto: dpa)

Er redet über Wada und die Welt. Über die Freude, einen Beitrag zum Anstand bei Olympia zu leisten. Sowie über die Tatsache, dass er auf keinen Fall irgendetwas sagen dürfe zu den über 30 Dopern, die vor den Spielen aus dem Teilnehmerfeld gefallen sind. Zwar redet er mehrmals darüber, weil die Journalisten im Plenum einfach nicht glauben können, dass jene Meldung von den über 30 Fällen, die im ersten Augenblick nach einem Durchbruch klang, auf einmal nur noch Fälle aus der vorolympischen Kontrollphase seit August betreffen soll. Lauter alte, bekannte, von den Fachverbänden längst abgeschlossene Fälle also. Es ist aber so.

Womit kurz vor den Spielen immerhin klar geworden ist, wie der olympische Anti-Dopingkampf in den nächsten Tagen aussehen wird. Es ist wieder viel die Rede davon, wie viel besser und ausführlicher die Jagd auf die Sportbetrüger geworden ist, und das stimmt natürlich auch, denn in der Tat gibt es mittlerweile Testverfahren, die es vor Kurzem noch nicht gab. In der Tat schreitet die Entwicklung voran, mit Kontrollwerte-Sammlungen im biologischen Athletenpass Doper ausfindig zu machen.

In der Tat sind in Vancouver insgesamt 2000 Dopingtests und 500 Bluttests vorgesehen, 70 Prozent mehr als vor vier Jahren in Turin. Aber die Dopingjäger sind eben auch besser geworden darin, als angebliches Können zu vermarkten, was sie in Wahrheit alles nicht können, und den Eindruck zu erwecken, als deuteten skandalfreie Spiele auf eine erbarmungslose Jagd gegen den Sportbetrug hin.

Die Chancen stehen jedenfalls nicht sehr gut, dass jene Doper auffliegen, die es mit nicht nachweisbaren Epo-Mimetika, Eigenblutdoping oder anderen künstlichen Starkmachern in die Wettkämpfe von Whistler und Vancouver geschafft haben. Seit 2004 hat es bei Olympia eigentlich keinen großen Dopingfall wegen eines positiven Tests mehr gegeben. Die Affäre um Österreichs Langläufer und Biathleten 2006 in Turin ging auf eine Razzia der italienischen Polizei und eine Anzeige des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wegen Doping-Verdachts zurück.

Bisher ist nicht einmal eine Schutzsperre bekannt, wie sie die deutsche Langläuferin Evi Sachenbacher-Stehle und elf andere Sportler damals zu Beginn der Turiner Wettkämpfe wegen erhöhter Blutwerte absitzen mussten. Und wenn es doch Dopingfälle gibt, dürften sie sich auf dem Niveau jenes Falles bewegen, der die russische Eishockey-Spielerin Swetlana Terentewa betrifft. Das Stimulans Tuaminophetan haben die Fahnder in ihrer Probe vom 6. Februar gefunden. Es stammt offensichtlich aus einem Nasenspray. Die Substanz ist nur im Wettkampf verboten. Terentewa wurde verwarnt und darf mitspielen beim olympischen Turnier.

Immerhin, die Dopingjäger sagen es selbst, dass kaum spektakuläre Fälle passieren werden. Arne Ljungqvist, Vorsitzender der medizinischen Kommission im IOC, scheint es auch gar nicht unbedingt darauf anzulegen. Alle Proben von Vancouver werden acht Jahre lang eingefroren für Nachtests auf Mittel, für die es derzeit noch kein anerkanntes Nachweisverfahren gibt. "Wer heute unbehelligt bleibt, mag morgen schon erwischt werden", sagt Ljungqvist. "Wir haben keine Eile. Wir haben acht Jahre Zeit."

Eine komplizierte Gesetzgebung

Es ist das Zugeständnis, dass in Vancouver Gedopte als Olympiasieger geehrt werden könnten - so wie in Peking 2008 Rashid Ramzi (Bahrain) nach seinem 1500-Meter-Sieg. Erst Monate später flog er mit dem Blutdopingmittel Cera auf. Ljungqvist kann auch Entwarnung für jene geben, die fürchten, in Vancouver durch den biologischen Pass überführt zu werden. Die Abläufe nach verdächtigen Schwankungen seien zu kompliziert, als dass ein Positiv-Befund wahrscheinlich wäre. "Wir erwarten das nicht."

Kanadas Gesetzgebung ist ebenfalls kompliziert genug, um eine Razzia wie in Turin zu erschweren. "Es gibt kein Anti-Doping-Gesetz wie in Italien", sagt Wada-Generaldirektor David Howman, womit er nicht ausgeschlossen haben will, dass es nicht trotzdem zu Durchsuchungen durch die Polizei kommt. Es braucht dazu eben eine Anzeige aus den richtigen Gründen. Aber woher soll die kommen. Howman selbst sagt, dass nach den über 30 Fällen des vergangenen halben Jahres bei diesen Spielen kein Grund mehr zu Verdächtigungen bestünde, denn: "Es gibt niemanden, der Gegenstand eines laufenden Verfahrens ist."

Fast wirkt es so, als habe das IOC sich mit Hilfe der Wada ab der Spiele-Eröffnung einen 16-tägigen Zeit-Korridor bis zum letzten Olympia-Tag eingerichtet, in dem die Sportwelt verschont bleiben soll von Hiobsbotschaften. Und für die guten Nachrichten ist John Fahey zuständig. "Die Athleten, die versuchen zu betrügen, werden bei diesen Spielen sehr wahrscheinlich erwischt", sagt er. Die über 30 Fälle? "Ein tolles Statement." Was auch immer hinter der Zahl steckt, über die John Fahey natürlich weiterhin eisern schweigt. Bis er mit seiner bestrickenden Eloquenz lange genug nichts gesagt hat und geht.

© SZ vom 13.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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