Olympia:Im Olympia-Park fehlt das ganz große Flair

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Sotschi (dpa) - Russlands Staatsmedien überschlagen sich mit Lob für die Stimmung bei den Spielen in Sotschi - aber im riesigen Olympia-Park verlieren sich die wenigen Zuschauer zwischen den Hallen. Kaum Stimmung, wenige Attraktionen, klagen etwa Olympia-Touristen aus Deutschland.

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Sotschi (dpa) - Russlands Staatsmedien überschlagen sich mit Lob für die Stimmung bei den Spielen in Sotschi - aber im riesigen Olympia-Park verlieren sich die wenigen Zuschauer zwischen den Hallen. Kaum Stimmung, wenige Attraktionen, klagen etwa Olympia-Touristen aus Deutschland.

„Das sind Spiele ohne Seele“, sagt der 58-jährige Peter aus München. Er fährt wie sein Freund Klaus seit 20 Jahren zu Olympia. „Wir machen drei Kreuze, wenn wir im Flieger nach Hause sitzen“, sagt der 57-jährige Klaus aus Köln. „Gähnende Langeweile“ attestiert er dem Areal von der Größe von fast 300 Fußballfeldern - im Vergleich dazu sei der Olympia-Park in London vor zwei Jahren das pulsierende Herz der Spiele gewesen. Russlands Sportminister Wladimir Mutko weist solche Vergleiche als unfair zurück. In London seien Sommerspiele gewesen, da sei auf den Straßen mehr los, sagt der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin.

Trotz der Kritik verbreiten die Spiele-Macher im südrussischen Kurort täglich neue „Jubelmeldungen“. Wieder seien am Vortag Zehntausende im Olympia-Park gewesen, heißt es etwa - auf dem Programm stand ein Auftritt des auch in Deutschland bekannten Popsängers Haddaway (What Is Love). Neutrale Besucher werden aber den Eindruck nicht los, dass jeder Zweite ein Offizieller oder Freiwilliger zu sein scheint. „Familien kommen kaum hierher, das liegt sicher auch an den Preisen“, meint der 26-jährige Oleg aus Krasnodar. Eine Eintrittskarte kostet 200 Rubel (rund fünf Euro).

Wer auf den Olympia-Park gelangen will, muss eine strenge Kontrolle über sich ergehen lassen. Essen und Getränke mitzubringen ist verboten. Jeder Besucher benötigt einen speziellen Fan-Pass. Kameras überwachen jeden Winkel des Areals. „Das alles schlägt schon ein wenig auf die Stimmung“, sagt Besucher Wladimir aus Moskau. Zwar freut er sich als Sammler über die vielen Händler mit den Olympia-Ansteckern (Pins) auf dem Gelände. „Andererseits ist es schade, dass Alkohol verboten ist - das gehört doch dazu“, sagt er.

Nur an wenigen Buden stehen die Besucher Schlange - etwa am Stand des Biathlon-Verbands, der Luftgewehrschießen anbietet. Auch der Kiosk der südkoreanischen Stadt Pyeongchang, wo 2018 die Winterspiele stattfinden, ist umlagert. Gar zwei Stunden Geduld brauchen Besucher am riesigen, aber einzigen Container mit Olympia-Souvenirs. Vereinzelt kam es bereits zu Reibereien. „Wir wurden buchstäblich überrannt, das Interesse ist dort größer als erwartet“, räumt Sprecherin Alexandra Kosterina vom Organisationskomitee (SOCOC) ein.

An der Stelle, wo im Olympia-Park das olympische Feuer brennt und eine Skulptur mit den berühmten fünf Ringen aufgebaut wurde, standen einst Familienhäuser. Obwohl sich die Bewohner gegen einen Umzug sperrten, mussten sie weg. Schätzungen zufolge wurden die Häuser von rund 2000 Bürgern in Sotschi wegen Olympia-Bauten abgerissen. Viele der Bewohner klagen, sie seien nicht ausreichend entschädigt worden.

Putin, als dessen Prestigeprojekt die „Winterspiele unter Palmen“ gelten, hält die Kritik für unberechtigt. Er gehe davon aus, dass zwangsenteignete Bürger in neuen Wohnungen „viel besser leben“ würden als früher, sagt der Präsident. Er verweist darauf, dass im Herbst auf dem Gelände erstmals ein Formel-1-Rennen in Russland stattfindet. Die Eisschnelllaufhalle Adler-Arena soll nach den Spielen in ein Messezentrum umgebaut, der Bolschoi-Dome in eine Radrennbahn verwandelt und im Fischt-Stadion bei der Fußball-WM 2018 gespielt werden.

Für kremlkritische Medien ist der Park aber ein „Millionengrab“. Es gebe kein kostentragendes Nachnutzungskonzept. „Wenn die Zeit der großen Gefühle vorbei ist, bleiben in Sotschi nur die Ruinen von Morgen“, schreibt etwa die Zeitung „Nowaja Gaseta“.

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