Olympia für junge Menschen:Was bleibt von Olympia, wenn die Jugend sich abwendet?

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Venice Beach, Sehnsuchtsort vieler Skater: Bald wird Skaten olympisch. (Foto: Lucy Nicholson/Reuters)

Softball, Skateboard, Klettern: Olympia soll "cool und hip" werden. Dabei sehnen sich junge Menschen vor allem danach, ihren Helden wieder trauen zu können.

Von Christopher Gerards

Neulich habe ich im Internet gelesen, dass Olympia "wieder hip werden will". Der Bayerische Rundfunk hat das geschrieben, es ging um eine Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees: Bei den nächsten Spielen im Jahr 2020 in Tokio werden Menschen Softball spielen, sich in Karate messen, klettern, surfen und skaten. Er glaube, das sei "ein Meilenstein auf dem Weg der Innovationen in der Geschichte der Olympischen Spiele", hat Thomas Bach gesagt, der Chef des IOC. Und wenn man so will, meinte er genau das: dass Olympia jung, cool, also irgendwie "trendy" werden soll.

Grundsätzlich klingt das nach einer guten Idee. Denn als ich am Dienstag die Olympischen Spiele in Rio angeschaut habe, kamen mir diese Vokabeln nicht in den Sinn: hip, jung, cool.

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Warum ist Schießen so spannend?

Gut, ich habe einiges gelernt. Das fing an mit Vielseitigkeitsreiten, Silber fürs deutsche Team, später Gold für Michael Jung. Den kannte ich nicht. Danach habe ich Hockey gesehen, Kanu und - das vor allem - Schießen. Sportpistole, Wettbewerb der Frauen. Interessant war das: In einer grau-grün-blauen Halle standen Sportlerinnen, die sich nur dann bewegten, wenn sie ihre Waffe hoben, schossen und die Waffe wieder sinken ließen. Der restliche Körper bewegte sich nicht. Eine ganze Weile ging das so, fünf Schuss pro Runde: Waffe heben, bumm, Waffe sinken lassen.

Schießen gehört (mit Unterbrechungen) seit 1896 zum olympischen Programm, also von Anfang an. Ehrlich gesagt: Das Frauen-Finale mit der Sportpistole fand ich spannender als die meisten olympischen Wettbewerbe bislang. Aber hip? Können junge Leute damit etwas anfangen?

Die Winterspiele sind da weiter. 1998 gab es erstmals einen Snowboard-Wettbewerb, im Grunde die winterliche Entsprechung des Skateboardens. Die Quoten für Snowboard fielen nicht schlecht aus, 2014 zum Beispiel sahen 6,23 Millionen Menschen die Zusammenfassung des Frauen-Wettbewerbs in der Halfpipe. Es ist das Ziel der Olympischen Spiele, attraktiv zu sein für die Zuschauer, und es spricht nichts dagegen, dass Skateboarden oder Surfen schöne Bilder produzieren, also: attraktiv sind.

Allerdings wäre etwas anderes noch sehr viel attraktiver, innovativer, hipper. Und auch jünger und cooler: Glaubwürdigkeit.

Um den Ruf der Olympischen Spiele steht es gerade nicht gut. Ja, es hat eine schöne Eröffnungsfeier gegeben, und ja, beeindruckende Leistungen gibt es sehr viele. Aber über allem schwebt diese Nachrichtenlage: dass vor der Eröffnungsfeier im Maracanã-Stadion die brasilianische Polizei mit Tränengas gegen Demonstranten vorging. Dass die brasilianische Anti-Doping-Agentur die Medaillenkandidaten des Gastgeberlandes zuletzt nicht mehr getestet hatte. Und dass russische Athleten bei den Spielen antreten dürfen, trotz des McLaren-Reports über erwiesenes Staatsdoping in Russland.

Früher war es leichter mit den Helden

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Ich bin 1991 geboren, als Kind habe ich mir meine Helden ohne große Bedenken ausgesucht. Zinédine Zidane fand ich gut und, ja, auch Jan Ullrich. Es gab eine Zeit, da taugten Sportler leicht als Idole, sie verkörperten einen Status, den man als Kind selbst erreichen wollte, irgendwann. Nicht, weil alle sauber gewesen wären. Sondern weil die Sensibilität für Doping kleiner war; weil ein kleineres Publikum von den Schweinereien im Sport wusste. Und heute? Nun ja.

So kommt es, dass ich mich als Fernsehzuschauer frage, welcher Leistung in welcher Sportart ich trauen kann und welcher nicht. Und das führt zu der eigentlich entscheidenden Frage: Was bleibt von der olympischen Bewegung übrig, wenn junge Menschen nicht mehr an sie glauben?

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