Olympia:"Die Medaillen liegen da und wir ziehen die Finger weg"

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Marco Koch schaute ernüchtert drein - er verpasste seine ersehnte Medaille. (Foto: dpa)

Schwimmer Marco Koch wähnt sich im Brust-Finale über 200 Meter perfekt vorbereitet - doch dann versagen seine Nerven. Der Bundestrainer ist zutiefst enttäuscht.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro, Rio de Janeiro

Marco Koch lächelte, ein Bein hatte er schon auf den Betonklotz gestellt, die Brust mit Wasser benetzt. Der Schwimmer sah aus, als hätte er Lust auf seinen Wettkampf, Anspannung in seinem ersten olympischen Finale? Ach was! Doch Olympiasieger ist noch niemand am Startblock geworden und als Marco Koch ins Wasser sprang, seinen ewig langen Tauchzug machte und dann die ersten 100 Meter absolviert hatte, da wusste sein Trainer schon: Jetzt hat Koch ein Problem.

Schwimmer sind gewiefte Analytiker, sie müssen fühlen können, wo sie mit ihrer Zeit bei den Wenden stehen, auf die Zehntelsekunde genau. Koch fühlte sich gut, er lag auch bis zum Ende gut im Rennen, es war langsam, aber ungemein eng. Aus den hohen Ambitionen, die erste deutsche Medaille in Rio zu holen wurde nichts: Der 26-Jährige schlug als Siebter an, Dimitri Balandin aus Kasachstan wurde überraschend Olympiasieger.

Auf der Tribüne schlugen die Teamkollegen die Hände über dem Kopf zusammen und Kochs Heimtrainer Alexander Kreisel war klar: Es lag an den zweiten 50 Metern, die waren eine halbe Sekunde langsamer als im Training geübt. Bundestrainer Henning Lambertz fand sein Abschneiden enttäuschend. "Die Medaillen liegen zum Greifen da und wir ziehen die Finger wieder weg", sagte er.

Koch selber konnte noch gar nicht sagen, was er falsch gemacht hatte, es sei auch nicht mehr drin gewesen, "ich kann es jetzt nicht ändern". Als Zweiter der Welt mit einer Zeit von 2:07,69 Minuten war er nach Rio gekommen, er ist der amtierende Weltmeister. Weltrekord müsse man schwimmen, um eine Olympiamedaille zu holen, hatte er immer gesagt. Und für möglich gehalten, dass er dazu in der Lage ist.

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Nun schwamm er in 2:08,00 Minuten eine Sekunde zu langsam dafür, seine Bestzeit liegt bei 2:07,47 Minuten, aufgestellt bei der EM 2014. "Das Einzige, was mich traurig macht, ist, dass ich dieses Jahr zwei oder dreimal schneller war", sagte er. Der Olympiasieg ging in 2:07,46 Minuten an den 21-jährigen Balandin, der bisher bei Welt- und Europameisterschaften noch nicht aufgefallen war.

"Er hat einen Zug zu wenig gemacht, 13 Züge nur auf der zweiten Bahn", sagte Trainer Kreisel, er wirkte fast enttäuschter als sein Athlet. 14 waren geplant gewesen, die hätten ihn schneller gemacht. "Er hat eigentlich ein sehr gutes Frequenzgefühl", meinte Kreisel, aber Olympia sei eben auch eine mentale Angelegenheit. "Die Situation, dieser Druck, man kann's nicht üben. Man hat es nur alle vier Jahre. Dann auf die Startblöcke zu gehen und das abzurufen, was man die ganze Zeit trainiert hat - wer das kann, ist dann eben der Champion."

Dabei hatten sie das ja gerade besonders geübt in den vergangenen vier Jahren: Viele Wettkämpfe zu schwimmen, gehörte zur Trainingsphilosophie. Um die Abläufe einzustudieren, auf alles vorbereitet zu sein. Der 26-Jährige ist Student der Wirtschaftspsychologie, genauso wissenschaftlich geht er auch das Schwimmen an. Sich effektiv durchs Wasser bewegen, mit der richtigen Technik den maximalen Weg zurücklegen, klar.

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Aber Koch hat in den vergangenen Jahren auch an den weichen Faktoren geforscht. Die Geschichte, wie er nach dem überraschenden Halbfinal-Aus in London 54 Chicken Wings verdrückte, wird er wohl nicht mehr loswerden. Auch weil er nach einem Allergietest wenig später seine Ernährung umstellte, glutenfrei muss es nun sein und "vegan mit Fleisch". Seitdem fühlt sich Koch fitter, es macht ihn schneller.

Koch ist sein eigenes Projekt, das auf eine Olympiamedaille abzielte. Er hat viel abseits unternommen. Per Crowdfunding sammelte er Geld ein für seinen Olympiatraum, für all die Wettkämpfe, die er zur Vorbereitung nutzte. Und für den Flug nach Rio: Da konnte er sich nun die Business Class gönnen. Doch Vorbereitung ist dann eben das eine, der Wettkampf eine andere Angelegenheit.

Damals in London hatte sich die Untergangsstimmung im deutschen Team auch ein bisschen auf ihn übertragen. Und wie sah das nun aus, vier Jahre später in der gleichen Situation? Paul Biedermann und Franziska Hentke hatten ja ebenfalls Enttäuschungen erlebt. Koch sagte: "Ich war gut drauf und habe mein Bestes gegeben. Ich denke, keiner lässt sich von so was beeinflussen." Und bevor er zum Ausschwimmen ging, verabschiedete er sich mit den Worten: "In vier Jahren ist ja Tokio und ich fange morgen an mit dem Training. So ungefähr."

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