Olympia:Biedermanns unerfüllter Traum

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Enttäuscht nach seinem medaillenlosen letzten Einzelrennen: Paul Biedermann. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Der Weltrekordler startet in seinem letzten Einzelrennen als Letzter und lässt dann die Qualität vermissen, die ihn so oft zum Medaillengewinner gemacht hat.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Paul Biedermann hing erstmal auf dem Seil. Er schnaufte durch, schaute auf die Anzeigetafel, schnaufte weiter durch und als die ersten Gegner das Becken verließen, schwamm auch er in Richtung Leiter. Er musste es auch gar nicht eilig haben, das war schließlich ein besonderes Rennen. Doch glückliche Sekunden verbrachte er nicht im Wasser, sie knallten ihm die Botschaft entgegen: Eine Medaille in einem Einzelrennen bei Olympia zu gewinnen: Das bleibt ein unerfüllter Traum.

Der 8. August 2016 ist Teil eins vom Ende der Karriere von Paul Biedermann, Teil zwei kommt am Dienstag mit der Staffel. Er hat das selber so bestimmt, vor über einem Jahr schon seinen Rücktritt nach den Olympischen Spielen angekündigt. Und nun, an diesem 8. August 2016 landete er auf Rang sechs in seinem Finale über 200 Meter Freistil, den Olympiasieg schnappte sich der wegen seiner Dopingvergangenheit umstrittene Chinese Sun Yang vor dem Südafrikaner Chad le Clos.

Schon am Startblock ging das alles irgendwie zu schnell für ihn

"Im Moment weiß ich, dass nicht mehr drinnen war, dass ich angeschlagen habe und gesagt habe: So, das war das Maximum und damit muss ich jetzt zufrieden sein", sagte Biedermann kurz nach seinem Rennen. Die Hose tropfte noch, die Enttäuschung versuchte er zu verbergen.

Schon am Startblock ging das alles irgendwie zu schnell für den Weltrekordhalter. Er reagierte deutlich am langsamsten von allen Schwimmern und tauchte entsprechend spät ins Wasser ein. Nach 50 Metern schlug er als Achter an, nach 100 als Siebter, doch für gewöhnlich muss man sich da noch keine Sorgen um ihn machen: Mit der Qualität des Aufholens und Durchwühlens auf der letzten Bahn hat er schon immer die Zuschauer begeistert, sie hat ihn zum Medaillengewinner bei allen möglichen Wettbewerben gemacht, die die Schwimmwelt bereit hält. Außer bei Olympia. "Auf den dritten 50 Metern konnte ich was gutmachen", analysierte Biedermann nun und formulierte sehr knapp: "Dann war alle."

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1:45,84 Minuten, das ist die schlechteste Zeit, mit der Biedermann in diesem Becken im Aquatics Centre in Rio de Janeiro die vergangenen Tage ins Ziel gekommen ist. "Das war keine gute Zeit", sagte er selber. Aber auch mit seiner besten Zeit in Rio, den 1:45,69 Minuten aus dem Halbfinale wäre er Sechster geworden, mit seiner Bestzeit aus dieser Saison, aufgestellt bei den Deutschen Meisterschaft im Mai, Vierter. "Nur zwei Zehntel schneller als damals und es hätte für Bronze gereicht", ärgerte sich Biedermann später.

Seelenheil, dieses Wort ist oft gefallen bei Paul Biedermann vor diesen Olympischen Spielen. Er hatte es sich zurechtgelegt als Antwort darauf, was er sich nun als Ziel gesetzt hatte für den Abgang von der Schwimmbühne. "Mein Seelenheil hängt nicht von einer Medaille ab", sagte Biedermann dann, "ich will einfach einen guten Wettkampf machen und das Gefühl haben, dass ich alles gegeben habe." Man sollte Biedermann glauben, dass er in sich ruht, dass er gelassen geworden ist und sich selber keinen Druck mehr macht, nachdem ihn 2012 die Erwartungen erdrückt hatten.

Damals galt er als der Freistil-Gigant, viele sahen in ihm schon vorher einen Olympiasieger. Über 400 Meter schied er im Vorlauf aus, über 200 Meter wurde er Fünfter, wie schon 2008 in Peking. "Jedes Mal, wenn ich nach den Rennen das olympische Logo in London sah, sah ich mein eigenes Versagen", sagte er kürzlich der Welt. Er wollte nur noch weg. Ein Erlebnis, das ihn geprägt hat.

Schafft es die Staffel ins Finale, dauert Biedermanns Karriere noch acht Bahnen

Und das verstehen lässt, warum Biedermann diesmal sagte: "Ich will diese Spiele genießen." Bundestrainer Henning Lambertz gefiel diese Einstellung. "Er ist in keinster Weise verkrampft und gefällt mir supergut", meinte er vor dem Finale, "er wird seine letzten Rennen wirklich genießen, und mit dem Genuss kommt auch die Lockerheit, um richtig gute Leistungen abzuliefern." Das klang nach einem guten Konzept. Für eine Medaille gereicht hat es nicht.

Am Dienstag wird Biedermann noch einmal schwimmen. Schafft es die 4x200 Meter Freistilstaffel ins Finale, dauert seine Karriere nur noch acht Bahnen an. "Da sind drei Jungs, die auf mich zählen. Daran muss ich jetzt denken", sagte er noch. Und um nun zufrieden zu sein, mit seinem Abschluss als Einzelstarter, dafür brauche er noch zehn Minuten. Doch mit Zufriedenheit verhält es sich gar nicht so anders als mit Olympiamedaillen: Erzwingen kann man sie nicht.

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