Olympia:Bob-Frauen schwach - Kiriasis-Abschied ohne Medaille

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Krasnaja Poljana (dpa) - Die Tränen von Sandra Kiriasis waren das traurige Sinnbild für die Olympia-Misere der deutschen Bobpiloten. Nach der zweiten Pleite bei diesen Winterspielen droht nun der Totalschaden.

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Krasnaja Poljana (dpa) - Die Tränen von Sandra Kiriasis waren das traurige Sinnbild für die Olympia-Misere der deutschen Bobpiloten. Nach der zweiten Pleite bei diesen Winterspielen droht nun der Totalschaden.

Zum Ende ihrer einzigartigen Karriere führte auch Kiriasis die Frauen-Zweierflotte im Sanki Sliding Center nicht zur ersten Medaille von Sotschi. „Das macht alles keinen Spaß mehr. Mit diesem Schlitten kann man einfach keinen Blumentopf gewinnen“, klagte die Grand Dame des Eiskanals.

Als Fünfte blieb Kiriasis niederschmetternde 1,68 Sekunden hinter Olympiasiegerin Kaillie Humphries aus Kanada. Im letzten Lauf patzte die lange führende Amerikanerin Elana Meyers und holte vor ihrer Mannschaftskollegin Jamie Greubel nur Silber. Die frühere Weltmeisterin Cathleen Martini enttäuschte als Siebte, Anja Schneiderheinze landete abgeschlagen auf Rang zehn.

Schon die Zweierpiloten um Weltmeister Francesco Friedrich verfehlten die Top-Plätze mit ernüchterndem Rückstand, damit könnten die Deutschen erstmals seit 1964 in Innsbruck ohne olympische Medaillen bleiben. Nur Edelmetall im Vierer zum Abschluss am Wochenende würde das historische Debakel verhindern. Coach Christoph Langen will in jedem Fall im Amt bleiben. „Ich nehme die Herausforderung an und freue mich auf die nächsten Jahre, wenn ich noch Cheftrainer bleiben darf“, sagte Langen.

Da hatte Kiriasis schon hemmungslos vor laufender TV-Kamera geweint. „Das sind Emotionen, die müssen jetzt raus“, sagte sie im ZDF. „Es weiß jeder, was wir für Probleme mit dem Schlitten hatten. Ob jetzt Vierte oder Fünfte, das ist jetzt auch... Das ist jetzt irgendwie schade.“

Zu schwach am Start, verfahren im Eislabyrinth und kein Topspeed mit ihrem Schlitten „Iwanuschka“: Auch Kiriasis hatte wie ihre männlichen Kollegen vor allem mit dem schwächelnden Material zu kämpfen. Im abschließenden Lauf fiel die 39-Jährige wieder um einen Rang zurück und hob ratlos die Arme. Mit enttäuschter Miene ließ sie sich lange und innig von ihrer Anschieberin Franziska Fritz umarmen. Cheftrainer Langen schimpfte wie wild. Später meinte er: „Ich sehe in so einer Niederlage immer was Positives.“

Zumindest am zweiten Tag stieg Martini mit Anschieberin Christin Senkel zufrieden aus dem Bob, streckte nach dem vierten Lauf den Daumen nach oben. Allerdings hatte die 31-Jährige bereits im zweiten Durchgang mit groben Patzern die Chance auf ihre ersehnte erste Medaille bei Winterspielen verspielt. „Heute ist der Druck etwas weg gewesen, da fiel es uns natürlich etwas einfacher“, erklärte sie. „Wie sagt man so schön, hinten kackt die Ente.“

Über eine mögliche Fortsetzung ihrer Karriere will Martini erst mit etwas Abstand entscheiden. Die Heim-WM 2015 in Winterberg könnte nochmal ein Ziel sein. „Da würde sich der Kreis schließen, 2003 in Winterberg begann alles“, sagte sie.

Ohne Kiriasis und ohne Erfolg stecken nicht nur die Bob-Frauen tief in der Krise. Der Doppel-Olympiasieger von 1984, Wolfgang Hoppe, kritisierte bereits den Verband, bezeichnete die Situation als „hausgemacht“ und prangerte zudem die Personalpolitik an. Der erfolgreichste Pilot der Welt André Lange, brachte das Gesamtbild im deutschen Boblager passend zum Schlittensport auf den Punkt. „Es geht bergab“, sagte der viermalige Olympiasieger.

Nach 14 Jahren hätte sich Kiriasis einen anderen Schlusspunkt vorgestellt. Schon im ersten Lauf legte sie nur die 13. Startzeit hin und leistete sich zwei schwere Patzer in der Eisrinne. In den abschließenden zwei Läufen lief es für die Olympiasiegerin von 2006 nicht besser. Auch im dritten Lauf stellte sie ihr Gerät quer und verspielte zum Ende noch Rang vier.

Nach sechs WM- und EM-Titeln, 46 Weltcup-Siegen sowie neun Gesamtsiegen in Serie (2003 bis 2011) hat die Olympiasiegerin von 2006 nun „keinen Bock mehr auf das Leben aus dem Koffer“. Fast 200 000 Kilometer ist sie mit ihrem Lastwagen samt Bobs seit der Jahrtausendwende von einem Eiskanal zum anderen gefahren.

Es war eine verrückte Zeit - mit Erfolgen, Zickenkriegen und einem Hausbrand im November 2004 in Winterberg. Ausgerechnet ihre Dauerrivalin Susi Erdmann rettete ihr damals das Leben - plötzlich wurden sie beste Freundinnen. „In 14 Jahren gibt es immer Ereignisse und Erlebnisse, die man am liebsten streichen möchte. Ich denke aber nur an die guten Sachen, es werden die schönen Erlebnisse zurückbleiben“, meinte sie. Cheftrainer Langen betonte: „Sie hat den Bobsport der Frauen geprägt wie keine andere. Da geht eine ganz Große.“

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