Winter-Olympia 2026:Irgendein Plätzchen wird sich finden

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Olympische Ringe im Schnee - ein schönes Bild. Trotzdem will kaum eine Stadt die Winterspiele mehr ausrichten. (Foto: AP)

Die Absage aus Calgary zeigt: Winterspiele sind das olympische Problemkind. Aber zur Not wird 2026 eben in der Türkei oder in Kasachstan gerodelt, gerutscht und gewedelt.

Kommentar von René Hofmann

Eines darf als gesichert gelten: Auch 2026 werden Olympische Winterspiele stattfinden. Trotz allem. Obwohl sich in Calgary die Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Bewerbung um die Veranstaltung aussprach und das Internationale Olympische Komitee (IOC) nun nur noch mit den zwei äußerst unsicheren Kandidaten Stockholm (keine Unterstützung durch die örtliche Politik) und Cortina d'Ampezzo/Mailand (keinerlei finanzielle Zusagen) dasteht: Irgendein Plätzchen wird sich schon finden, an dem in acht Jahren gerodelt, gerutscht und gewedelt werden darf.

Vielleicht in Erzurum in der Türkei, obwohl das IOC das jüngst noch ausschloss, weil es dort keine Bobbahn gibt. Oder in Almaty in Kasachstan, dem Peking unterlegenen Bewerber um die Spiele 2022. Oder in Salt Lake City, dem Gastgeber der Spiele 2002, weil es dort fast alles, was es für das Sportfest braucht, schon gibt und in den USA im Moment ja irgendwie fast alles möglich erscheint.

Irgendwo wird es weitergehen mit der Idee, sportliche Wettkämpfe auf Eis und Schnee auszutragen. Aber eines tritt mit dem Nein der Kanadier nun doch sehr scharf hervor: Der Plan von IOC-Präsident Thomas Bach, der traditionsreichen Veranstaltung mit einer Rückkehr an einen traditionsreichen Wintersportort wieder Schwung zu verleihen - er ist gescheitert. Denn dort, wo im Winter schon lange Sport getrieben wird, ist Bachs Bewegung schlicht nicht mehr willkommen.

2022 in Peking droht nun der GAU

Vor Calgary hatten bereits Innsbruck, Sion, Graz und Sapporo ihr Interesse zurückgezogen. Vor der Kür der Kandidatenstadt 2022 hatte es sogar sieben Absagen gehagelt: München, St. Moritz, Stockholm, Oslo, Lemberg, Krakau und Barcelona hatten ihr Interesse an der winterlichen Ringeshow verloren. Inzwischen ist diese zum Problemkind der Olympiafamilie geworden.

Ein paar edle Vorsätze wie weniger Gigantismus, mehr Nachhaltigkeit beim Sportstättenbau und weniger Protz der Funktionäre werden nicht reichen, um das Dilemma zu lösen. Wenn das IOC möchte, dass das Sportfest in demokratischen Gesellschaften wieder Zuspruch findet, muss es über dessen Grundsätze nachdenken: Wie sinnvoll ist es überhaupt, die Verbreitung von Sportarten wie Rodeln, Bob fahren oder Skispringen, für die extreme Bauten nötig sind, weltweit voranzutreiben? Wie klug ist es, für eine Veranstaltung, für die ohnehin nur an wenigen Plätzen die klimatischen und strukturellen Bedingungen gegeben sind, alle vier Jahre eine globale Ausschreibung zu initiieren?

2007 bog die olympische Bewegung mit der Kür der subtropischen Stadt Sotschi als Austragungsort für die Winterspiele 2014 auf einen falschen Weg ab. Mit dem Mantra "Wir wollen neue Märkte erschließen" wurde dieser 2018 in Pyeongchang in Südkorea fortgesetzt. 2022 in Peking droht nun der GAU: ökologisch irrsinnige Spiele vor mäßig interessiertem Publikum in einer alles andere als freien Gesellschaft. Danach kann es fast nur besser werden. Viel wäre gar nicht nötig, um mit den Spielen 2026 in der öffentlichen Wahrnehmung einen Erfolg zu erzielen. Dass sich trotzdem kein Ort findet, der gerne Gastgeber spielt, zeigt das dramatische Ausmaß der Krise.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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