Österreichs Skispringer:Ärger in der Luft

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Es läuft nicht für Gregor Schlierenzauer: Der Österreicher hat in Sotschi noch keine Medaille geholt. (Foto: Getty Images)

Österreichs Skispringer haben in Sotschi bislang keine einzige Medaille geholt - und im Team knirscht es. Gregor Schlierenzauer schimpft über Bundestrainer Alexander Pointner, der wiederum reagiert prompt. Ausgerechnet jetzt steht das Mannschaftspringen an.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Die Welt von Österreichs Skispringern ist ein wenig ins Wanken geraten. Das lässt sich gut beobachten, wenn Gregor Schlierenzauer spricht. Schlierenzauer, 24, steht im Skisprungstadion von Krasnaja Poljana, diesem Ungetüm von einer Schanze, das für die Olympischen Winterspiele einfach in den Berg gehämmert wurde. Seine Stimme ist ruhig, doch er klagt.

Schlierenzauer sagt Sätze wie: "Ich habe schon viel gewonnen, aber langsam kapier ich die Sportart nicht mehr." Er klagt über seinen Sport - aber auch über sein eigenes Team.

Zunächst muss erwähnt werden, dass Schlierenzauer am Samstag einen deprimierenden Abend erlebt hat. Nach Platz elf von der kleinen Schanze wollte er von der großen Schanze Olympiasieger werden. Er landete jedoch erneut abgeschlagen auf Rang sieben. Dabei sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen, findet Schlierenzauer.

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:Um Zentimeter am Glück vorbei

Severin Freund startet stark ins Springen von der Großschanze, in Durchgang zwei fliegt der Deutsche aber knapp am Podest vorbei. Am Ende landet er auf Platz vier. Den Olympiasieg sichert sich der Pole Kamil Stoch vor Noriaki Kasai aus Japan, die Österreicher spielen keine Rolle.

Direkt vor ihm wurde der Anlauf verkürzt, weil der Japaner Reruhi Shimizu 134 Meter in den Schnee legte. Es habe "keinen Grund" gegeben zu verkürzen, die Jury entschied sich trotzdem dafür. Schlierenzauer wittert eine Verschwörung. "Das sind alles so Dinge, die ich so ein bisschen mitkriege", sagt er, "und die mir nicht schon heute im Magen liegen, sondern auch schon länger."

Dass die Stimmung bei den Österreichern nicht die beste ist, scheint sportlich verständlich. Nach zwei Wettbewerben in Sotschi haben sie exakt null Medaillen gesammelt - das ist für die Skisprungnation indiskutabel. Beim Sieg von Kamil Stoch vor dem Japaner Noriaki Kasai wurde Schierenzauer am Samstagabend nur Siebter, Michael Hayböck Achter. Thomas Diethardt und Thomas Morgenstern verpassten sogar den zweiten Durchgang. Am Montagabend beim Teamspringen haben die Österreicher die letzte Chance, eine Medaille zu gewinnen. Doch um genau dieses Team ist es nicht sonderlich gut bestellt.

Mit hinreißender Leidenschaft wird in Österreich derzeit über das Innenleben der in den vergangenen Jahren so erfolgreichen Mannschaft diskutiert. Etwa über Schlierenzauer, der sich ungerecht behandelt fühlt - und dies auch alle spüren lässt. Schlierenzauer hätte gerne seinen Stützpunkttrainer Markus Maurberger mit nach Sotschi genommen, seinen Vertrauenscoach. Dies lehnte der Verband ab. Bundestrainer Alexander Pointner wolle das Team klein halten, hieß es, obwohl Maurberger schon eine Akkreditierung gehabt haben soll.

Nach der Enttäuschung von der Normalschanze machte Schlierenzauer seinem Ärger Luft. "Die Trainer müssen sich Gedanken machen, warum es bei mir im Moment nicht funktioniert", klagte er in österreichischen Medien. Gemeint war Pointner, der prompt reagierte. Bei Schlierenzauer sei immer entweder "alles super" oder "alles schlecht", unterstellte Pointner ihm eine gewisse Divenhaftigkeit: "Der Schlieri kann sich Aufmerksamkeit holen, indem er auf der Schanze gescheit runterbrettert."

Schon länger wird dem "Schlieri" vorgeworfen, er bilde ein Team im Team, da er mit eigenem Trainern, Manager, Pressesprecher und Serviceleuten reist. Sogar ein Chiropraktiker und ein Mathematiker sind dabei, letzterer berechnet Schlierenzauers Sprünge ganz genau. Einfach sind die Zeiten nicht: Der zweifache Tourneesieger musste zu Beginn der Saison erleben, wie Morgenstern zum neuen Helden der Nation aufgebaut wurde - eine Rolle, die in Schlierenzauers Universium eigentlich Schlierenzauer zugedacht ist. Bei der Vierschanzentournee sprang ihm dann auch noch der junge Diethardt davon, der ist gerade 21 und holte völlig überraschend den Toursieg.

Nun muss Schlierenzauer ohne seine Vertrauensleute bei Olympia antreten, was ihm sichtlich missfällt. In der Presse schildert er, wie er Maurberger seine Sprünge per Video schickt, damit dieser sie analysieren kann. Natürlich ein Affront gegen Pointner, der ja immerhin Bundestrainer ist. Die österreichischen Blätter sind in Aufruhr, "dicke Luft zwischen Schlierenzauer und Pointner", schreibt etwa der Kurier.

Und es sieht nicht so aus, als lasse sich dieses Problem schnell lösen. Am Samstag kündigte Schlierenzauer patzig an: "Ich werde am Montag mein Ding durchziehen und die Saison fertig machen. Und dann werden wir mal schauen, was alles passiert." Das lässt sich gar nicht anders interpretieren, als dass Schlierenzauer indirekt die Machtfrage stellt.

Pointer, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, will dazu nichts mehr sagen. Nicht vor dem Teamspringen am Montag, bei dem die Österreicher Titelverteidiger sind und bei dem Schlierenzauer trotz seiner Aussagen gesetzt scheint. Es ist die letzte Chance für Österreichs Skispringer, diese Winterspiele versöhnlich enden zu lassen.

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